Das Vorwort

Marlene saß auf dem Klavierhocker in dem Salon ihres Vaters und spielte eines seiner liebsten Stücke. Ihre Finger flogen routiniert über die Tasten und erlaubten sich keine Fehler.


"Sie ist äußerst talentiert, Graf. Vielleicht wäre eine musikalische Ausbildung in einer Akademie das Richtige für sie?" - "Die einzige Ausbildung die Marlene braucht ist die, wie man sich als anständige Ehefrau an der Seite eines Titelträgers verhalten muss." Damals war Marlene zwölf Jahre alt und verspielte sich.


Sie ließ das Lied abrupt enden. Neben dem Musikinstrument stand ein Hausdiener mit verschränkten Armen hinter seinem Rücken. Er sah auf und setzte ruhig an: "Ich verstehe Eure Sorge, Baronin. Doch ich versichere Euch, dass wir die Situation hier im Griff haben. Außerdem habt Ihr die Verwaltung des Anwesens in die Hände Eurer Tante und ihres Gemahls gelegt." Eine Erinnerung die nicht notwendig war, welche Marlene dem Mann aber nicht übel nahm.


Die deckenhohen Fenster des Raumes erlaubten ihr einen Blick ins Grüne. Der Garten hinter dem Haus hatte aber schon deutlich bessere Zeiten gesehen. "Warum sind die Hecken da draußen nicht geschnitten?" wollte sie plötzlich wissen. Das Thema des Hausdieners musste warten. Räuspernd richtete sich der alte Mann etwas und warf ebenfalls einen Blick nach draußen. "Nun.. euer Onkel hat den Gärtner entlassen um unnötige Geldausgaben zu vermeiden." Seine Stimme war immerzu gleich, keinerlei Wertung die man hätte heraushören können. So etwas hatte sich der Mann in all seiner Dienstzeit nicht erlaubt. "Wer pflegt nun den Garten und die Hecken?" Marlene strich mit der Hand über das lange Chiffonkleid und richtete den Citrinblick wieder auf den Diener. "Bisher gab es keine genauen Anweisungen dazu, Baronin." Schmal verzog sie den rot geschminkten Mund bei dieser Antwort. "Könnte das vielleicht daran liegen, dass meine Tante und ihr Mann sich bei der kleinsten Unruhe hier Stadt zurückgezogen haben?" Eine ehrliche Antwort erlaubte sich der Diener nicht, doch seine Augen stimmten Marlene zu.


"Versteck dich doch nicht immer hinter der gleichen Hecke, Marlene!" Das Lachen und der amüsierte Blick blauer Augen ließ die Sechsjährige strahlen. "Du hast mich gefunden!" rief sie freudig und sprang ihrer Mutter in die Arme.


Beim Aufrichten raschelte ihr Kleid aufgeregt und die Baronin hob das Kinn an. Auch der ältere Herr ordente seine Haltung als wäre es notwendig. Abwartend sah er Marlene ins Gesicht. "Findet den Gärtner den er entlassen hat und bestellt ihn morgen noch hierher. Er soll sieben Prozent mehr Gehalt bekommen, wenn er die Stelle wieder unverzüglich annimmt. Legt den neuen Vertrag bitte dem Baron zur Unterschrift vor. Ich bin mir sicher, dass mein Onkel sich niemals über die Entscheidung meines Ehemanns hinwegsetzen wird." Der Diener nickte ergeben und sein Mundwinkel zuckte. Dann zögerte er jedoch plötzlich und setzte vorsichtig an: "Verzeiht mir, Baronin. Doch dürfte ich Euch vielleicht eine persönliche Frage stellen?" Vorsichtig hob er den Blick in Marlenes Gesicht und lächelte. "Ruppert, Ihr kennt mich seit ich ein kleines Mädchen bin." Ihre Hand wieß ihm an fortzufahren. "Wollt Ihr wirklich hier sein und das Anwesen verwalten solange die Unruhen herrschen? Ihr seid nun schließlich Ehefrau, Mutter und ..." Marlene verbot ihm nicht den Mund, doch ausreden ließ sie ihn auch nicht. ".. eine Frau voller gesellschaftlicher Verpflichtungen. Nun. Ja, dieses Kleid hier hätte ich viel lieber auf der Hochzeit der, nun mittlerweile, Gräfin getragen. Ich hatte mir sogar einen Hut anfertigen lassen." Sie schrägte den Kopf amüsiert. ".. und Ja, viel lieber wäre ich gerne die erste und letzte Person, die mein Sohn am Tage sieht." Ihr Gesichtsausdruck wurde milder als sie von Aedan sprach. "Doch mein Erbe bleibt mein Erbe, Ruppert. Es ist das Haus meiner Kindheit, das Anwesen der Familie Lovidicus. Es gehört zu mir wie das Vorwort eines Romans."


"Nun wirst du aber sehr dramatisch." Die Mundwinkel der Baronin zucken bei der Stimme hinter ihr. "Die.. die Fürstin Cunningham!" Halblaut versucht Leni die Situation der verpassten Ankündigung des unerwarteten Besuchs zu retten. "Addison. Welch tolle Überraschung in dieser unsicheren Stunde hier in Garenhoff." grüßt sie offen lächelnd die Frau im Türrahmen. "Lene, ich weiß beim besten Willen nicht warum sich alle so aufführen wegen diesem Schloß. Es war ja nichtmal hübsch anzusehen. Können wir nicht einfach ein Neues in den Himmel setzen, wir brauchen doch nur ein paar Mesmer dafür. Dann wäre es am Ende ja auch noch ästhetisch anzusehen." Unaufgeregt sprach die alte Freundin und kam noch weiter in den Raum und entlockte Marlene ein leises Lachen. "Leni, den Tee nehmen wir heute im Arbeitszimmer zu uns. Danke euch." Damit entließ sie beide Diener im Raum. "Komm, lass uns erstmal zu Dorian. Er müsste gerade im Arbeitszimmer sein. Ich bin mir sicher, dass er sehr überrascht sein wird dich hier zu sehen." Marlene bot Addison ihren Arm zum einhaken ein, so brauchte die Freundin ihren Gehstock nicht mehr.

Kommentare 2

  • Ahje. Aber der Hut wird sicher zu einem anderen Anlass getragen werden können! ;)

  • Überrascht trifft es nicht annähernd. Er wundert sich erstmal, warum sich die Magnete neu anordnen und die Vögel aufhören zu singen.


    Ich mag diesen kleinen Einblick in Marlenes Welt. Sie ist so vielschichtig. Ich mag sie unheimlich gerne <3