Übernachtungsbesuch

Das Thorn-Fest stand vor der Türe und der Herbst hatte Götterfels inzwischen fest in seinem Griff. Es war früher Abend, doch die Sonne hatte den Horizont bereits verlassen und der Mond tauchte die Straßen der Stadt in sein gleißendes Licht. Zu dieser Uhrzeit war noch einiges in der Stadt los, Menschen kamen von der Arbeit, andere gingen in den hiesigen Tavernen trinken und wieder andere hatten es sich zu Hause gemütlich gemacht. So auch Addison, die mit einem alten Buch und einer Tasse Kaffée in ihrem Salon saß und durch die Seiten blätterte. Der Maskenball und das anschließende Trinkgelage bei ihren Freuden, den Ashcrofts, steckte ihr noch in den Knochen und so war sie zu dieser frühen Uhrzeit bereits für die Nacht zurecht gemacht. Die tiefroten Lippen suchte man vergebens, genauso wie eine ordentliche Frisur. Sanft vielen einzelne Strähnen ihres Haars aus dem einfachen Flechtzopf heraus und vielen über ihre Schultern, in diesem Moment war sie alles, aber nicht die strenge Fürstin, die sonst in der Öffentlichkeit auftrat. Addison lächelte selig, als sie die Seite des Buchs umschlug, doch der Frieden währte kurz, als es plötzlich an der Türe klopfte.


“Erwartet ihr jemanden, Milady?”, kam es von dem Hausmädchen, aber mit einer einfachen Geste deutete Addison ihr an, den Störenfried abzuwimmeln. Jocelyn nickte bedächtig und schritt schnellen Schrittes zur Türe, um vor selbiger einige Worte zu wechseln. Es dauerte nicht lange, da stand sie wieder vor der Fürstin und sprach mit gesenkter Stimme: “Milady, ihr.. solltet nach draußen kommen. Euer Gast lässt sich nicht abwimmeln.” Addison schnaubte genervt und legte das Buch zur Seite. Wer würde es sich wagen ein "Nein" nicht zu akzeptieren, vor allem ein Nein aus ihrem Munde. Sie riss die Türe auf und setzte an den Störenfried eigenmächtig in die Schranken zu weisen, als sie in der Bewegung erstarrte und kein Ton mehr aus ihrem Mund entwich.


Es waren Lawrence Augen, die sie erstarren ließ. Diese eisblauen Augen, die einen mit einem einfachen Blick einfach komplett entwaffneten. Doch die Augen gehörten nicht Lawrence, es war seine jüngste Tochter Lorna, die sein genaues Abbild war, mit Ausnahme der feuerroten Haare, die sie locker über die Schulter trug. Lorna lächelte matt und sprach: “Ich hoffe, ich störe nicht, Mutter.” Tausend Fragen schossen Addison durch den Kopf, wann war ihre Tochter ihrem Vater so ähnlich geworden, was wollte sie hier und woher wusste sie, wo sie wohnt? Keine Antwort schien sich in ihrem Kopf zu formen und es fühlte sich an, als hätte sie ihrer Tochter eine Ewigkeit stumm gegenübergestanden. “Oma!”, war es schließlich, was Addison aus ihrem eigenen Gefängnis riss. Chloé war hinter ihrer Mutter hervorgeschossen und hatte sich wie der Wirbelwind, der sie war direkt gegen Addison gedrückt. Behutsam schloss die Frau ihre Enkelin in die Arme und hob verwirrt die Augenbrauen: “Lorna, ich verstehe nicht.” Ihre Tochter schwieg für einen Augenblick und schien wohl selber nach den richtigen Worten zu suchen. “Chloé, warum gehst du nicht schon einmal rein und lässt dir von Jocelyn einen Kakao machen?”, sprach sie schließlich und Chloé nickte wie auf Befehl und verschwand im Inneren des Hauses.


“Lorna.”, wiederholte die Fürstin nun wieder zu ihrer Tochter, doch diese hob nur knapp eine Hand und überreichte ihrer Mutter einen rosafarbenen Quaggan-Rucksack. “Ich bin nicht du, und wenn meine Tochter ihre Großmutter sehen will, dann werde ich ihr diesen Wunsch nicht vorenthalten. Vielleicht bist du mit deinen Enkeln besser, als mit deinen Kindern.” Addison schwieg getroffen von der Schelle und nahm den Rucksack entgegen. “Seit sie dich neulich auf dem Mark gesehen hat, hat sie von nichts anderem mehr gesprochen.”, fuhr sie schließlich fort. “Lorna, komm doch..” “Nein.”, kam es weiter kalt und wie aus der Pistole geschossen von der jüngeren Version ihres Mannes. “Was ist mit Liandy, mit Theron.. mit Evaine?”, kam es wieder von Fürstin und die Sorge schwang in der Stimme mit. Doch ihre Tochter schwieg nur und schloss schließlich die Augen.

“Mutter, ich bin nicht für Plaudereien hier. Deinen Kindern geht es gut, besser als je zuvor. Und ich habe kein Bedürfnis mit dir zu reden, ich bin nur hie~.” “Ich vermisse euch, Lorna.", unterbrach die Fürstin sie schließlich und Tränen liefen ihr die Wange herunter. Ein Riss in der sonst makelosen Fassade und eine Handlung, die sie nie vor ihren Kindern gewagt hätte zu tun. Offenbar war es aber genau die Handlung die nötig war, um zumindest das eisige Herz eines ihrer Kinder zu erwärmen. Lorna hatte ihre Mutter in die Arme geschlossen und sprach leise in ihre Schulter: “Ich bin nicht bereit, dir zu verzeihen, Mutter. Aber ich werde dir nicht im Weg stehen, wenn du eine Beziehung zu deiner Enkelin aufbauen willst. Ich komm sie morgen Abend abholen, sie hasst inzwischen Brokkoli und mag Quaggan sehr gerne.” “Danke.. Lorna.”, sprach die Fürstin ebenso leise und drückte ihr eigen Fleisch und Blut an sich. “Danke.. ich werd es nicht versauen, ich verspreche es.” “Es wäre besser wenn nicht, Mutter.” Lorna löste sich schließlich aus der Umarmung und hielt noch einen Moment die Hand ihrer Mutter fest, ehe sie die Stufen hinunterschritt und sich nochmal umwandte: “Und nicht zu viele Süßigkeiten. Hast du verstanden?” Addison lachte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. “Verstanden.”

Kommentare 5

  • Ich kenn die Lady zwar nicht, das mit ihrer Familie ist schon sehr Traurig aber auch schön das ihre Enkelin sie auf Trapp halten wird.

  • Mach' doch nicht sowas mit mir!

  • Ach man, treib mir doch nicht so die Tränen in die Augen. ;(

  • Es ist wirklich hart so etwas über Addison zu lesen ?(

  • Ach, Kummer.. *schnieft und wischt Marlene ein Tränchen aus dem Augenwinkel* Endlich mal was schönes für die Hexe.