Ein leeres Gefühl

Ein leeres Gefühl, 80. Zephyr, 1337


Mavet lag, alle Viere von sich gestreckt auf dem viel zu großen Bett. Die letzten Wochen waren so ruhig, ja fast schon leer. Es war ein leeres Gefühl, das sie seit Tagen ergriff. Ihre Arbeit war so ruhig, seit sie aus Ebonfalke zurück war und die Abende auch. Alles fühlte sich so leer und dumpf an. Hatte man sie eventuell doch weggeschickt, um sie fernzuhalten? Aber fernzuhalten von was? Umso mehr aber verwunderten sie dann anderer Leute Worte. „Assistentin“ hatte jemand gesagt, deren Einschätzung sie seltsamerweise mehr vertraute, als sie vielleicht sollte. Aber sie selbst fühlte sich eher wie eine bessere Büroaushilfe. Das war in Ordnung für sie, das war ihre Stellenbeschreibung… und doch war es im Moment so ruhig. Schreibkram den Tag über und Abends sich irgendwo in den Gasthäusern etwas zu Essen suchend, oder Zerstreuung mit einem schönen Gespräch. Schöne Gespräche. Sie dachte zurück und lächelte. Aber nun war sie hier, allein und still… es war leer.


Mavet starrte an die Decke. Es war ein leeres Gefühl, hier in ihrer Wohnung. Aber hier gab es ja auch nichts. Nichts Persönliches. Nur ein Bett. Ihr prächtiges Bett! Sie hatte nicht mal einen Teppich angeschafft, weder für den Boden noch für die Wände. Die Holzdecke wirkte auch trist und leer, wie die Wände. Es war ein leeres Gefühl in dieser Wohnung. Wenn sie sich bewegte oder was sagte, hörte sie den Hall. Sie hatte keine Möbel, nur ihren Rucksack und die Tasche, die da an der Wand standen, leer waren, da ihre Kleidung bereits angezogen und wieder gewaschen war. Auf einem Stapel daneben, einfach auf dem Boden lag. Nur das feine Ballkleid war unten, fein säuberlich aufgehängt am Herd, damit es keine Falten bekam. Leer war auch das.


Mavet sprang aus dem Bett. Das konnte so doch nicht weiter gehen. Vielleicht hatte der Herr Wolkenweg reicht! Oder der ‚Andere‘ und sie brauchte ein Hobby, eine Beschäftigung neben der Arbeit... oder gar bessere Bekanntschaften hier in der Stadt?! Ihr grauste bei dem Gedanken, jemanden an sich heran zu lassen. Aber das leere Gefühl nagte ebenso an ihr. Jemanden in ihr Leben lassen? Wo sie es doch so gut geschafft hatte, gerade erst alle von sich fernzuhalten? Alles in ihr sagte ihr, dass sie es bei dem belassen sollte, wie es war. Was wenn man sie doch fand? Wenn man sie verriet? Sie schüttelte den Kopf. Lieber das leere Gefühl! Außer vielleicht…sie dachte an ‚den einen‘ und ‚den anderen‘ Bekannten. Konnte sie einem von IHNEN vertrauen? Sie schüttelte wieder den Kopf.


Mavet fröstelte und eine zarte Gänsehaut legte sich auf ihren nackten Körper. Sie griff den Pelzmantel, der auf der Ecke vom Bett lag und warf ihn sich über, wie einen schützenden Umhang, oder gar ein magisches Schild. Aber das leere Gefühl blieb… Es kam nicht von außen, bedrohte sie nicht von dort, sondern von innen. Eng zog sie den Mantel an sich, der sie wärmte und ihr eine seltsame Geborgenheit gab. Sie viel auf das Bett zurück, wie ein plüschiges Tier in einem Nest aus Kissen und Decken. Sie lauschte in die Stille des leeren Raumes. Ein leeres Gefühl, kein Geräusch.


Mavet hatte sich an die Tage voll Arbeit gewöhnt, und nun? Nun versuchte sie jedes Wochenende nach Ebonfalke zu gehen, um nicht allein hier sein zu müssen. In der stillen Leere. In der leeren Stille! Allein mit diesem leeren Gefühl. Mit diesem leeren Gefühl. Sie schnaufte, hatte Hunger und überlegte, setzte sich wieder auf. Sie hatte nichts in der Wohnung. Nichts Persönliches und nichts zu Essen. Nicht mal Pfannen und Töpfe. Klar gab es einen Herd, gab es einen Tisch und Stühle unten in der Küche, aber weder Pfannen noch Töpfe noch Teller oder Besteck. Und schon gar nichts zu essen. Vielleicht sollte sie was kaufen, aber auch ihre Kasse war leer. Ihre Wohnung, ihre Küche, alles leer.

Ein leeres Gefühl! Auch in ihrem Magen.

Vielleicht war es der Hunger. Der sie so trübe Gedanken fassen ließ.

Ein leeres Gefühl. Nur in ihrem Magen! Sie sollte sich anziehen und was essen gehen.

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