Neu Ein zerreißendes Gefühl

Ein zerreißendes Gefühl, 87. zu 88. Zephyr 1337


Mavet lag, alle Viere von sich gestreckt auf dem viel zu großen Bett. Sie hörte die Vögel durch das geschlossene Fenster und schon auf dem Weg hier her hatte die diese vernommen. Ihr Leib schmerzte, ihre Brust war verkrampft und sie atmete nur leicht und schwach. Es zerriss sie fast und trieb ihr die Tränen in die Augen. Ein seltsam zerreißendes Gefühl. Was war da nur passiert? Die Woche hatte so gut angefangen und auch dieser Abend! Sie schluckte trocken, den Geschmack von Rotwein noch auf den Lippen. Aber der Geschmack war schal und widerte sie jetzt fast nur noch an. Sie musste an den beerigen Tee in der Stute denken, ja die Woche hatte wirklich überraschend gut angefangen. Sie strich sich mit den Fingerspitzen über die Lippen. Dabei war das gar kein richtiger Tee. Sie war zerrissen. Tee oder nicht Tee, er hatte gut geschmeckt. Vielleicht sollte sie sich endlich alles besorgen um hier auch Tee zu kochen, richtigen elonsichen Tee. Aber noch war ihre Wohnung und ihre Küche leer. Was für ein zerreißendes Gefühl.


Mavet starrte an die Decke. Es war ein zerreißendes Gefühl, in ihrem Leib. Zwar hatten die körperlichen Schmerzen schon deutlich nachgelassen aber die neueren Schmerzen, mitten in ihrer Brust waren stärker und unbestimmter. Von der Schulter wusste sie, wo es herkam, warum es sich über Oberarm und über den Rücken bis zur Lende zog. Aber das zerreißende Gefühl, das jetzt in ihrer Brust herrschte, war für sie nicht zu bestimmen. Fast neu und doch erinnerte es sie an den ‚Abschied‘ mit ihrer Familie, gar an einen Abschied, den sie schon hier in dieser Stadt gehabt hatte. War auch dies ein Abschied gewesen? Der Gedanke allein zerriss sie.


Mavet sprang aus dem Bett. Sie musste bald los. Leise zischte sie. Ob der plötzlichen Bewegung zuckte der Schmerz wieder durch die Schulter, auch wenn dieser nicht mehr so stark war, wie noch vor zwei Tagen. Als sie die erste Nacht zu Bett gegangen war, hatte das Gefühl sie noch zerrissen. Jetzt war es eigendlich nur noch ein dumpfes Pochen, wenn sie sich nicht grade ungeschickt oder plötzlich bewegte. Sie hatte sich zu weit vorgewagt, war, wie man sie schon ermahnt hatte, zu umtriebig gewesen. Ein zerreißendes Gefühl. Sie wollte sich in der Stadt umsehen, wollte ihre Abende in den gehobenen Gasthäusern verbringen und reden, bis die Sonne aufging. Aber jemanden kennen lernen. Das wollte sie eigendlich nicht.


Mavet fröstelte und eine zarte Gänsehaut legte sich auf ihren Körper. Sie sah auf den Pelzmantel, lächelte milde und griff mit den Fingerspitzen in das dichte Fell hinein. Der Pelz gab ihr, selbst wenn sie ihn nicht über dem Leib trug ein seltsames Gefühl von Geborgenheit, ja Sicherheit sogar. Ein zartes Lächeln legte sich auf ihre Lippen und das zerreißende Gefühl wurde dumpfer, ruhiger, stiller. Sie hätte sich mehr an ihre Prinzipien halten sollen, die sie aufgestellt hatte, als sie hergekommen war. Sie sah noch einmal zum Fenster und die Sonne ging langsam auf.


Mavet hatte nicht mehr viel Zeit, bis sie zur Arbeit musste. Wobei musste? Sie müsste erst zur neunten Stunde da sein. Leise und zerrissen seufzte sie. Sollte sie heute erst zur neunten Stunde gehen oder wie immer kurz nach acht vor dem Büro stehen? Sie würde es wohl noch schaffen, also zog sie sich aus, warf ihre Sachen auf den kleinen Haufen Wäsche. Sie würde diese wohl erst in Ebonfalke waschen können. Vielleicht sollte sie ein Bad nehmen, das hatte man ihr doch geraten! Aber wie man ihr das empfohlen hatte, ließ sie wieder zerrissen zurück. Nackt sah sie sich in dem Raum noch einmal um, legte sich die Sachen aufs Bett, die sie heute anziehen wollte. Eventuell war auch die neue Bluse vom Schneider fertig, danach würde sie wohl in der Mittagspause sehen. Es zerriss sie bei dem Gedanken, dass ihr angeraten wurde, sie solle sich schlichtere Kleidung kaufen. Die neue Bluse war das Gegenteil von dieser Anforderung, sie war für den Abend heute.

Kommentare 1

  • Die arme Maus. Wie zerrissen sie ist. Da zerreißt es mich ja förmlich. Das...thehe...du kennst mich und weißt wie ich lache, wenn ich etwas "neckisch" finde. Ich finde es -überaus- neckisch wie hochgradig dramatisch sie hier in meiner Vorstellung interagiert. Dabei tut sie das in Wirklichkeit vermutlich gar nicht. Aber in meinem Kopf ist sie sehr theatralisch gerade, seufzt viel zu laut und viel zu schwer und wirft sich irgendwann völlig ermattet in die Laken ihres riesigen Bettes....nur um sich dann anzukleiden und verlässlich wie stets viel zu früh auf der Arbeit zu erscheinen!


    Ich mag diese kleinen Einblicke, die ich auf verschiedene Weisen in Gedanken durchspielen kann. Mal ist sie sehr erregt und überaus wild in ihrer Gestik und dann wieder ganz schlaff und kraftlos. Macht Laune.