Ade~

Bisweilen sprach man dem Regen eine beruhigende, reinigende Wirkung nach. Manches mal auch etwas erdrückendes. An diesem Morgen allerdings wusste er nichts als leisen Ärger zu bringen, wo er doch das sorgsam geflochtene Gesteck für das Grab in Schlamm und Dreck ertränkte. Es war ihr egal das sich das kalte Nass von oben mittlerweile durch die Robe gefressen hatte und den dürren Leib mit Kälte erfüllte. Einerlei das die Tusche um die Augen dank des sturen Wassers längst verlaufen war und ihre Züge beschmierten- die Sechse wussten wie egal ihr das war. Aber es ärgerte sie, dass er ihr die bittere Realität vorführte, indem ein Blumengesteck nicht über den Tod eines geliebten Menschen hinweg täuschen konnte und dem Nachlass nicht schmeicheln konnte.


Träge und unter krampfenden Fingern, stützte sie sich auf die Krücke und blinzelte einige Tropfen weg, damit sie die Inschrift auf dem Grabstein noch einmal studieren konnte. Eigentlich hätte sie fürchterlich verzerrt sein sollen. Grässlich zu lesen, zerlaufen wie ihre Schminke und das Gefühl von Bedrückung wecken, aber nein...sie zierte den geschliffenen Stein viel zu filigran und 'schön', mit ihren feinen Schnörkeln und den dünnen Linien. Faszinierend, wie die Form eines Wortes das trügerische Gefühl von Frieden zu bringen wusste, war es nur richtig auf den Grund gebracht.
Und sie seufzte, weil sie diesen Frieden nicht wollte.


Leza wollte gegen den Grabstein treten, ihn zertrümmern und in seine Bestandteile zerlegen, um diese ekelerregende Schönheit des Totenspruches von ihm zu vertilgen.

Die Toten sind nicht fort, sie gehen mit.
Unsichtbar sind sie nur, unhörbar ist ihr Schritt.


Wenigstens diesen Gefallen war sie ihm schuldig gewesen, nachdem sie ihn schon nicht im Leben hatte halten können. Zu gerne hätte sie den Stein mit all den Versen gefüllt die ihr auf der Seele brannten, doch es blieb bei diesen wenigen Worten. In dieser fürchterlich zarten, sanften Schrift.
Ohne seinen Namen.
Ohne den Tag seines Todes.
Ohne das seine Familie jemals wissen würde, wo genau er lag.


Nachdenklich zog sie an der Zigarette im Mundwinkel unter dem ernüchternden Ergebnis, dass der Regen sie längst gelöscht hatte und bereits versuchte sie vollkommen aufzuweichen. Schlussendlich wurde das Rauchwerk achtlos fallen gelassen, damit die Gezeiten sich der Reste annehmen konnten, wie sie es auch bei dem Toten machen würden. Die nahenden Schritte die sich hinter ihr ankündigten, begleitet vom leisen prasseln dumpfer Regentropfen auf einem schützenden Schirm, erinnerten sie daran wie lange sie schon hier stand und das es Zeit wurde sich wieder den Dingen des Lebens zu widmen. Am Ende blieb nur ein einfacher, silberner Ring zurück und fand seinen Platz auf dem frischen Blumengesteck eines namenlosen Grabes, dessen Träger tief darunter seinen letzten Schlaf genoss...fern der liebenden Frau die er im Leben zurück gelassen hatte.



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