Nie erzählte Legenden - 3

Du kannst noch so sehr auf deine Liebsten Acht geben. Irgendwann kommt der Tag, an dem sie sich von dir lösen und selbst ihren Weg gehen. Ohne dich. Und dennoch hast du ihnen ein Stück von dir mit gegeben, auf ihrem Weg, der sich das Leben nennt. Nur ob dieses Stück, das sie mit sich tragen hilfreich ist, das weiß niemand.

Die Schmiedin


Klirrend traf der gewaltige Hammer auf den Stahl, welcher seinen gellenden Klang zum Besten gab. Rotglühend war für die hochgewachsene Schmiedin nach so vielen Wintern nur noch warm und dennoch standen ihr die Schweißperlen auf der Stirn während sie den Stahl mit Hammerschlägen bearbeitete. Es war ein routinierter Arbeitsvorgang geworden, den sie für diesen Teil der zu fertigen Rüstung machte. Routiniert und doch mit der vollen Aufmerksamkeit und Verbissenheit dabei, wie bei allem, das sie anfertigte. Jedoch sollte es dieses eine Mal auch noch etwas ganz besonderes werden. Denn sie wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte, bis ihre geliebte Schwester sich wieder einmal zu der abgelegenen Hütte verirrte, an welcher Henna mit ihrer Tochter und den Enkelinnen lebte. Die Vorfreude, zumindest eine ihrer Schwestern nach langer Zeit einmal wieder zu sehen, begleitete ihr Tun schon seit vielen Tagen.


Die Frauen dieser Sippe schienen kein sonderlich gutes Händchen mit ihren Gefährten zu haben. Denn so wie Henna durch die Liebelei in den Fellen schwanger wurde, so erging es viele Winter darauf auch ihrer Tochter. Die Zwillinge zählten jetzt gerade sieben Winter. Auch die Tatsache, dass ihre beiden Schwestern Búa und Raija keinen Gefährten an ihrer Seite hatten, ließ den Verdacht zu, dass die Nachkommen Skjaldas und Nídhôggrs zu einem Leben ohne feste Bindungen bestimmt waren. 'Der Fells rollt nicht weit vom Berg'. Das hatte Skjalda ihre eigene Mutter so oft gesagt, wenn sie zu Besuch kam. Und das war in den vergangenen Monden nicht mehr so häufig gewesen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schob die Norn den Stahl zurück in die Schmiede und sah zur Hütte, in welcher das Dämmerlicht des Kaminfeuers zu sehen war. Rot, gelb und golden tanzten die Lichter an den wenigen Scheiben aus Glas, die am Tage wenigstens ein bisschen Licht in die Hütte ließen. Von drinnen hörte man leises Gelächter. Das der Kinder und ihrer Mutter, die - wie üblich - gemeinsam kochten. Natürlich strebte auch ihre Tochter Kauni nach ihrer Legende. Das war der Schmiedin wichtig, wie auch der Tochter selbst. Sie suchte und fand in den Mienen der Berge, in Höhlen und in Flüssen, wie auch Seen das Beste Erz. Es gab kaum jemanden, der so lange die Luft anhalten konnte, wie diese junge Norn. Auch konnte man es nicht fassen, mit welchem präzisen Blick sie jeden noch so kleinen Erzbrocken fand und barg. Sobald die Enkel aus dem Welpenalter wären...dann würde Kauni die Welt bereisen. Dann würde sie sich ihre Legende gemeinsam mit den verschiedensten Erzen suchen.
"He, Weib!"
Henna blinzelte und ruckte mit dem Blick fort von der Hütte, zu der Stimme, die in ihrem Rücken erklungen war. Als sie den Norn erblickte, der dort stand, wandte sie sich mit einem warmen Lächeln vollständig um und nickte ihm entschlossen zu. So, wie sie es immer tat, wenn sie jemandem hier in der Einöde begegnete. Oder wenn - wie in diesem Fall - jemand das kleine Gehöft der Schmiedin aufsuchte.
Ihr gegenüber war ein hochgewachsener Kerl, dessen langes, braunes Haar in vielen kleinen Zöpfchen nach hinten gebunden war. Gemächlich ließ sie ihren Blick über ihn schweifen, denn sooft verirrte sich ja niemand zu dem abgelegenen Hof. Hochgewachsen war er und die Muskeln zeichneten sich unter dem Leder gut sichtbar an Brust und Armen ab. Ein Prachtstück von einem Kerl. Und wie ihr Blick über seine eisernen und schier kalten Züge und Augen erneut hinab glitt, um abermals die Brust und auch tiefere Gegenden zu begutachten, da fiel ihr die Hand auf, die zu einer Faust geballt schon auf ihr eigenes Gesicht zu kam. Stechend schoss ihr der Schmerz durch die Nase und nur einen sehr schnellen Herzschlag darauf spürte sie einen weiteren kraftvollen, ungebremsten Schlag an ihrer Schläfe. Ihr Blick trübte sich rot, ehe alles schwarz wurde.


Und wie die Schmiedin zu Boden fiel, da tauchten aus dem Halbdunkel weitere Kerle auf, die teils grinsend und teils mit unerbittlichem Blick auf die Hütte zu hielten.




BrunuhVille

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora