Nie erzählte Legenden - 4

Die Schneeleopardin lehrt uns in den Schatten zu agieren und unsere Feine zu überlisten. Unsere Rache wird grausam sein, ebenso wie sie schnell und lautlos sein wird. Wir sind die einsamen Jäger der Schleicherin, gesegnet mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten. Kein Abenteuer wird jemals von uns ausgeschlagen. Kein Tod ist umsonst, solange er unsere Legende voran treibt.



Spuren im Schnee


Einige Tage war die Brünette bereits unterwegs, zurück zu dem Gehöft, das ihrer geliebten Schwester gehörte. Der Schnee und der eisige Nordwind zehrten an ihren Kräften, wie auch der Kleidung, die sie wärmend einhüllte. Sicher, allein schon der Hirsch den sie auf ihren Schultern mit sich trug war Anstrengung genug, um ihre Körperwärme nach oben zu treiben. Und doch war es meist angenehm, zusätzlich gefüttertes Leder auf der Haut zu tragen. Mit einer weiteren Böe, die ihr Haar nach oben wehte und es kurz dort hielt, ehe es wirr zurück auf ihre Schultern und den Hirsch fiel, kam der Hof in Sichtweite. So gern Búa in der Wildnis die Einsamkeit und die Herausforderung, die Grenzen ihres eigenen Körpers und Willens suchte, so gern kam sie auch wieder zurück in die warme Hütte der Familie. Besonders liebte sie die Zeiten, in welchen sich ihr eigener Besuch mit dem der Mutter überschnitt. Lange war es her, dass sie Skjalda in den Armen gehalten hatte und einfach wieder Kind war.


Abrupt hielt sie inne und reckte die Nase in den Wind, der über die Landschaft wehte. Es roch. Nein, es stank. Sie kannte diesen Gestank mehr als gut. Der Gestank dessen, was sie vor ach so vielen Wintern noch als Vater bezeichnet hatte. Eine Mischung aus Hass und Zuversicht machte sich in ihr breit. Sie hasste ihren Erzeuger so sehr, dass sie das heimische Gehöft seit vielen, vielen Wintern nicht mehr betreten hatte. Er hatte sie gedemütigt mit seiner Ignoranz und den Fäusten, die sie selbst mehr als einmal spüren durfte. Sicher...als Kind, selbst noch als junge Norn, da waren die Schläge die einzigste Aufmerksamkeit, die er ihnen...ihr...gegeben hatte. Und sie hatte sich wirklich angestrengt, um ihn stolz zu machen. Doch als der Tag gekommen war, an dem sie selbst das Heim verlassen hatte - und wohlgemerkt, nur wenige Winter darauf auch der verhasste Vater - da wurde aus dem Bestreben nach der Anerkennung ihres Vaters der Zorn, mit dem sie ihre Legende voran trieb. Die innere Versessenheit, die ihren Geist stählte und sie zu dem machte, was sie heute war. Jedoch, warum stank es hier nach 'ihm'? War er hier? Hatte er eingesehen, dass er seinen Töchtern und Enkeln Unrecht getan hatte?


Pflichtbewusst trug die Jägerin den Hirsch weiter auf ihren Schultern. Und je näher sie dem Hof kam, umso mehr beschleunigten sich ihre Schritte, bis sie zuletzt mehr rannte. Kaum mehr geschmeidig und rund in den Bewegungen, so sehr raste die Aufregung durch ihren Körper. Und wie sie den ersten Schritt auf den Platz vor der Hütte tat, da erstarrte sie. Mit einem dumpfen Schlag fiel der Hirsch auf den gefrorenen Boden, direkt hinter ihr. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich umschaute und Dinge erblickte, die sonst nie so waren, wie sie sie jetzt vorfand. Das Feuer der Schmiede war fast gänzlich herunter gebrannt und der Hammer lag neben dem Amboss auf dem Boden. Auch war das Werkstück Hennas noch in der Schmiede - unbrauchbar nun - dass wusste selbst die Jägerin. Ein Faustgroßer, dunkler Fleck befand sich vor der Schmiede auf dem Boden. Und die Ältere musste gar nicht erst hingehen und sich vergewissern. Blut. Der erste Gedanke, der sich in ihren Kopf brannte, dass es schmerzte. Der Gedanke festigte sich, als sie die offene Hüttentür erblickte. Schon von draußen war zu erkennen, dass Möbel umgestürzt und umgeworfen auf dem Boden lagen. Diese Bilder und der abartige Gestank ihres Erzeugers...und Búa wusste, dass er sie hatte. Sie alle.
Langsam machte sie einen Schritt auf die Hütte zu. Auch wenn sie es wusste, so musste sie sich nun doch vergewissern. Mit jedem Stuhl den sie aufstellte, mit jedem Korb den sie umdrehte, mit jedem Fell unter dem sie nachschaute und mit jeder Ecke in die sie hinein spähte wuchs der Hunger nach Rache.


Einer Rache, die so grausam und unerbittlich sein würde, dass der Name von Búa der Lautlosen für ewig in aller Munde bliebe.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora