Reale Alpträume (Ayu)

Die folgende Geschichte bezieht sich auf ein Screen, den ich vor einer Weile hochgestellt habe:



Sie steht einsam im Wald. Um sie herum nichts als meterhohe Bäume, Sträucher und gigantische Blumengebilde, welche in allen Farben schillern. Zumindest sollten sie das, denn alles wirkt irgendwie verblasst und dumpf. Ayu legt den Kopf in den Nacken doch den ersehnten Himmel kann sie nicht sehen denn eine zarte Nebelschicht beschränkt ihre Sicht in alle Richtungen. Missmutig sieht sie sich um. Sie fühlt sich beobachtet und sie weiß, dass sie nicht alleine ist.


Schließlich tritt er hervor: Er ist etwas größer als sie und vom Körperbau männlich, wo ihrer weiblich geformt ist. Ansonsten haben die beiden Sylvari viel gemeinsam. Zu viel für ihren Geschmack:
Die selbe himmelblaue Haut, die selben saphirblauen Blatthaare, das selbe weißliche Leuchten, selbst die Augen sind vom selben bernsteinfarbenem Gelb. Er sieht aus wie sie und sie hasste es!
Sie blickt ihn an, doch steht nicht Hass in ihrem Gesicht, sondern Furcht. Er hingegen starrt mit einem selbstgefälligem Grinsen zurück und nimmt eine lockere Haltung ein. Außer ihnen ist niemand hier, selbst die Geräusche des Waldes scheinen verstummt zu sein.
Ayu nimmt eine leicht geduckt Haltung ein, als wollte sie jeden Moment lossprinten.


„Wovor fürchtest du dich?“


Ayu weiß, dass er die Antwort kennt. Sie will es ihm nicht sagen und doch hört sie, wie ihre Lippen die Worte formen.


„Vor dir.“


Ein triumphales Lächeln breitet sich auf seinen Gesichtszügen aus.


„Ich weiß, aber das musst du nicht.“


Und damit beginnt es. Ayu weiß was nun kommt, also wendet sie sich um und sprintet davon. Er wird sie nicht hinabziehen in die Dunkelheit. Sie hört sich seine Lügen nicht mehr länger an. Sie rennt. Sie rennt wie der Wind. Sie ist jahrelang mit Farnhunden gelaufen. Sie liebt es zu laufen, zu rennen. Meistens um einfach den Kopf frei zu bekommen. Doch diesmal rennt sie um ihr Leben. Und sie ist schnell.


Aber ein Blick zurück über ihre Schulter versetzt ihr einen Schock. Er folgt ihr nicht nur – das war zu erwarten gewesen – er ist genauso schnell wie sie!
Ayu reißt die Augen auf, schaut wieder nach vorn und legt alle Kraft die sie hat in ihre Beine ,um noch schneller zu rennen. Doch es nützt nichts. Es gelingt ihr nicht den Abstand auch nur um einen Meter zu vergrößern.


„Das kann nicht wahr sein… “ schießt es ihr durch den Kopf. Und plötzlich geht ihr ein Gedanke auf. Da stimmt doch etwas nicht.
Vor ihm wegzurennen ist sinnlos. Er wird immer in ihrer Nähe sein. Sie kann gar nicht vor ihm davonlaufen.
Sie verlangsamt ihre Schritte und kommt schwer atmend zum Stehen. Sie blickt hinter sich und stellt ernüchtert fest, dass der Abstand immer noch derselbe ist. Er blickt sie abwartend an, scheint sich sicher zu sein, sie zu sich holen zu können.
Ayu begreift schließlich, dass er ihr nur gefolgt ist, weil sie davon lief. Und dass er sich ihr nicht von sich aus nähert. Das muss er auch gar nicht, wie sie bereits weiß. Er braucht nur seine Stimme. Eine Stimme die so sanft und freundlich klingt... dabei sind seine Worte pures Gift.


„Du hast Angst. Das ist unnötig. Komm zu mir und ich zeige es dir.“ Schnurrt er ihr freundlich entgegen.


„NIEMALS!“


Sie kann nicht ewig so weitermachen, seinen Worten vielleicht nicht ewig widerstehen. Sie muss sich ihm stellen. Ihr Ausbruch verschafft ihr etwas Mut. Ja, sie kann das schaffen. „Ich glaube dir kein Wort, Nherihs.“


Er taumelt leicht zurück, als hätte sie ihm einen Schlag verpasst. Fassungslosigkeit zeigt sich in seinen Zügen. Wie kann sie es wagen ihm zu widersprechen? Doch er fängt sich wieder und schnurrt ihr weiter etwas zu.


„Mutters Worte sind die Lüge. Nicht meine. Sie belügt uns alle. Ich aber kenne die Wahrheit. Ich zeige sie dir. Komm her.“


„Niemals!“ Wiederholt sie nur. Nie und nimmer kann sie glauben, dass Ventaris Lehren und Mutters Liebe eine Lüge seien.


„Du glaubst mir immernoch nicht, hm? Dabei ist dein Widerstand unnötig. Du bist ich. Und wir sind schlau. Wir wissen beide, dass sich so viele Sylvari, die bereits dem Alptraum angehören, nicht irren können. Ich beweise es dir. Komm!“


„Niemals.“ Sie verpacken eine Lüge als Wahrheit. Aber Zweifel kommen auf. Was wenn er doch die Wahrheit spricht?


Nherihs scheint zu spüren, dass er auf dem richtigen Weg ist, denn er sticht noch weiter zu. „Ich weiß, was du willst. Und bei uns wirst du es bekommen. Du wirst von niemandem abhängig sein. Du wirst frei sein, niemandem Rechenschaft schuldig. Du kannst tun, was immer du willst, dir nehmen was du willst. Egal was.“


„Nie-mals…“ Er kennt ihren wunden Punkt. Abhängigkeit…egal in welcher Form kann sie nicht ausstehen. Und doch braucht sie es. Sie kann nichts alleine. Bei ihnen würde sich das ändern…sagt er.


Nein, sie darf ihm nicht glauben. Sie darf nicht nachgeben.
Und doch sieht sie, wie die Nebel immer dunkler werden. Dunkelheit umfängt sie und sie kann nirgends hinlaufen.


NEIN!


Sie verliert…sie verliert schon wieder. Panik ergreift sie.


Sie schlägt die Augen auf und weiß nicht mehr wo sie ist. Orientierungslos schaut sie sich schwer atmend um, bis sie die sanfte Berührung an ihrem Arm spürt. Ihr Blick fällt auf eine dunkelrote Hand, folgt dem dazu gehörendem Arm bis sie Glyzavos schlafendes Gesicht sieht. Erst dann fällt ihr wieder ein wo sie ist und kommt wieder etwas zur Ruhe.


Sie hatte geträumt. Und im Traum hat sie wieder gegen ihn verloren.


So kann es nicht weitergehen. Wie im Traum kann sie auch in der Realität nicht ewig vor ihm davonlaufen. Er ist sie… zumindest ein Teil von ihr. Ein finsterer Kern. Aber steht sie damit wirklich alleine da? Sie betrachtet einen Moment lang das schlafende Gesicht des Sylvari neben ihr. Selbst im Schlaf scheint er sie nicht loslassen zu wollen und bei der Erkenntnis dessen geht ihr das Herz auf. Sie muss unbedingt mal mit ihm darüber sprechen. Doch weiß sie, dass sie es vor sich her schieben wird.
Sie will die friedliche Zeit erstmal genießen. Sie braucht das, braucht diese Ruhe, die er ihr geben kann.


Doch jetzt braucht sie auch etwas anderes. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, schlüpft sie aus dem Bett, schreibt eilig eine kurze Nachricht und verlässt seine Unterkunft.
Die kann jetzt nicht mehr schlafen und die Sonne geht ohnehin bald auf. Zeit für sie zu laufen und den Kopf frei zu bekommen.
Sie verlässt die Terrasse des Träumers, atmet einmal tief durch und schaut sich um, ehe sie lossprintet.

Kommentare 1