3. In stillem Glanz - 1331 AE - Plotgeschichten


  • Für die Erzählenden, Gesänge und Geschichtenschreiber.


    ~*~


    Die Pranke des groß gewachsenen Norn rüttelte prüfend an dem Holzgerüst, das sich parasitär auf das darunter liegende Bauwerk gelegt hatte. Ein Bauwerk, das so falsch golden schimmerte, wie es nur Aurillium konnte. Er hatte etwas dergleichen im Handwerksdistrikt von Hoelbrak gesehen, dem Zentrum der frostgewohnten Norn, das an der Schneegrenze zum Borealiswald lag. Dort holte er sich einst metallurgischen Rat, damit eine seiner prächtigen Schnitzereien mit etwas Goldglanz geschmückt werden konnte, ohne, dass er direkt zu dem weichen Metall greifen musste. Thoran wollte etwas mit mehr Bestand. Etwas, aus dem Städte gebaut werden konnten. Eine daumennagelgroße Probe Aurillium reichte, um die Pupillen seiner in Holz getriebenen Wolfsfratzen gülden schimmern zu lassen. Er hatte einen wertvollen Holzschnitt dafür eintauschen müssen, der ihn Wochen an Arbeit gekostet hatte, aber das war es wert gewesen.


    Jetzt auf den zum Teil frei gelegten Ruinen aus purem Aurillium zu stehen, beeindruckte den Norn. Er bemaß anerkennend die kunstvoll gehaltenen Frakturen aus gezirkelten Linien und geometrischen Einschnitten auf den Säulen und den instand gebliebenen Überresten der Ruinen, - sofern sie durch die Gerüste der Inquestur nicht verdeckt wurden und bereits aus dem Stein geholt worden waren.


    Er stutzte, als er an einem der unheilversprechenden, magischen Steine hängen blieb, die über den Ruinen an bestimmten Punkten schwebten. Die sylvarischen Forscher hatten sich mit einer Faszination darauf gestürzt, die dem Bannschnitzer abging. Der Gletscherblick des blonden Norn verengte sich. Ganz eindeutig verflucht. Man sollte diese Dinger vom Himmel holen, bevor daraus das Unheil abregnen konnte.


    In der Ferne erkannte er das gespannte, exotisch wirkende Segel, das schon bessere Tage gesehen hatte. Irgendwie deplatziert, wie es am Klippenrand der begehbaren Felsnadeln hing, die über schwankende, mäßig stabile Holzbrücken miteinander verbunden waren. Löcher und Risse hatten das gewachste Segelleinen angegriffen, die intakten Teile jedoch? Er wollte versuchen sich das später noch einmal anzusehen, um davon etwas zu retten, bevor die Überreste barsten und hinab stürzten. Vielleicht könnte er das Schiffsbauerholz des Segelrahmens nutzen, um einige der maroden Brückenteile notdürftig zu ersetzen. Wie auch immer es ein Schiff da hinauf hatte schaffen können.


    Mit den Zähnen entkorkte er den Trinkschlauch und schmeckte etwas Heimat durchs Dünnbier nach, bevor er sich schmatzend umwandte und dem Lager zustapfte. Die Vorstellung an den aufgespießten Mordrem zurück zu müssen, ließen den Bär kehlig knurren. Seiner Meinung nach gehörte diese Verderbnis verbrannt, auch, wenn Ronja sicherlich Recht behalten sollte. Dies war die Legende der Pflanzen. Und damit unterlagen diese Leichen ihrem Urteil.


    Er warf einen Blick hinauf, dort, wo die einzige echte Lichtquelle das steinerne Gewölbe aufbrach, bevor er sich daran machte ein Lager aufzuschlagen.Der Bär hatte nämlich vor allem eines: Hunger! Und hatte er nicht sogar irgendwo ein kleines Fass mit dem guten, keryaster Schwarzbier dabei?

  • Der Schnitzer atmete gegen die drückende Umgebung im Gewölbe an, während er das Feuer vor der Schenke schürte. Die Schwüle nistete im abgewetzten Leder seiner Kluft, das er gewohnheitsmäßig eingefettet hatte. Der Norn schmeckte der Luft nach und blinzelte träge, während der Gletscherblick in seine schwieligen Hände abklappte. Er sehnte sich nach Schnee.


    Am Tag zuvor waren sie schnell mit der Erkundung des Eingangsportals voran geschritten. Nachdem er seine Axt Ronja und den beiden Asura zugesichert hatte, waren sie über die frisch verstärkten Hängebrücken zum Eingang gelaufen. Das Holz ächzte unter dem Gewicht der Golems, war aber stark und wenig spröde, sodass sie zügig das Portal erreichten. Er verstand zu wenig von den Mysterien der Maschinen. Den verworrenen Erklärungen der Asura konnte er selten lange folgen. Was er aber verstand, war: die Eindringlinge kamen zwar hinein, aber nicht hinaus. Er hatte deutliche Spuren eines Lagers der Drachendiener vor Ort gefunden, das wenigstens ein paar Tage alt geworden war. Später dann, am Feuer, erzählten Yvvin und Siina vom Grund ihrer Reise, von der Inquestur und den gefährlichen Versuchen mit der Verderbnis, die dem Schnitzer unverständlich blieben. Seiner Meinung nach konnte nichts Gutes daraus entstehen! Dann aber zog seine Aufmerksamkeit hinab in seine Hände.


    "Kein gutes Holz.", brummte er für sich und drehte ein Stück abgebrochene Planke zwischen den Pranken. Vormals hatte das zu dem zerstörten Boot gehört, das am Ufer zum Fuße der güldenen Brücke von der kleinen Gruppe von Flachländern gefunden wurde. Er glaubte, die Geister hatte sie leiten müssen, denn aus unerfindlichen Gründen ist das kleine Rudel wörtlich baden gegangen und darüber am Fundort des Bootes angespült worden. Die halbe Flanke davon war derart eingerissen, als wäre es von etwas mit schwerer Ladung erwischt worden. Auch machte der Schnitzer eine seltsame Vorrichtung am Heck aus, die aussah, als wäre daran etwas befestigt gewesen - vielleicht ein Antrieb? Es würde zu der Eigenart der Asura passen, Schwäche mit Maschinen zu kompensieren.


    Der Mundwinkel zuckte, als er sich an den schnellen Lauf der Wölfin erinnerte, die mit dem Seil in der Hand zum Brückensaum aufbrach, um einen Weg hinab zu sichern. Niemand läuft so schnell wie Ronja. Er selbst war nur langsam hinterher getrottet, das Stampfen des Golems im Ohr, in dem eine der Asura saß.


    Und Abends dann, als die Erzählungen von Erwachtenrüstungen und Mordrem des Schnitzer Geist nicht mehr bemühten, fragte er sich, wie lange der Vorrat vom Schwarzbier noch halten würde. Vielleicht würde er einen Abstecher nach Hause machen. Zu lange war ihm der Bart nicht mehr gefroren.

  • Geisterhaft und beunruhigend zeigten sich die Spiegelbilder der örtlichen Flora auf der Wasseroberfläche, nur fern beschienen von den Lichtern aus dem Lager, die sich an den Wänden der Gemäuer verzerrt spiegelten.
    Der Ort barg viele, schlimme Dinge, die jeder hier spürte, aber das war weniger das, was Leza beunruhigte.
    Viel mehr war es die wachsende Unruhe wegen ausbleibender Erfolge, wegen ihrer Unfähigkeit.


    Mittlerweile hatte sie wertvolle Tage ihres Lebens investiert, um sich auf die magischen Schwingungen des Ortes einzustimmen, sie für sich greifbarer zu machen und im Chaos der Hintergrundstrahlung erste Ansätze zu finden, um es für sich aufzudröseln, doch nichts; sie erkannte nichts darin, fand keinen Anker und Nährboden für ihr Wirken in einer Routine, die für sie sonst stets ein leichtes war.
    Die Analyse der Kristalle? Verschwendete Zeit. Auch hier gab es keine greifbare Resonanz für sie, um einen ersten Schritt zum lösen der Dinge zu finden und mittlerweile war jeder Versuch zum neuen Tag, die teuer investierten Stunden, nur noch müßig.
    Sie erwischte sich dabei, wie die Mühen weniger wurden und sie sich in die Zuarbeit für die Versorger flüchtete.
    Es musste was für's Essen geschnitten werden? Leza übernahm es gerne, schweigend und wortkarger als noch zu Beginn und auch die Wäsche riss sie an sich, um die stillen Momente am Wasser für sich zu haben, wie jetzt, in tiefster Nacht.
    Zwar war sie nicht im Stande die Dreckflecken zu sehen dank der Dunkelheit, aber das war auch irrelevant.
    Am Ende ging es nämlich weniger um die Wäsche, denn die Möglichkeit, die Gedanken mit etwas solidem, dass wenigstens im Ansatz am Ende einen Erfolg versprechen würde, treiben zu lassen.


    Vielleicht musste sie sich den Misserfolg auch eingestehen, weil sie niemals hier sein wollte. Von Anfang an war sie unzufrieden gewesen, als Torkks und Gemmi auf sie zutraten zu einem Zeitpunkt, wo sie mit dem Kopf ganz woanders war; wo sie heute auch noch sein sollte.


    Das hier war nicht das was sie wollte.
    Es würde auch nicht werden was sie wollte.
    Dieser Ort versprach nur weiteren Frust und Zweifel für sie. Zweifel, die sie nicht gebrauchen konnte, denn er schnürte ihr jetzt schon die Kehle zu und ließ das dunkle Mal am Hals unangenehm jucken.


    Sehnsüchtig ging der müde, dunkle Blick die zahlreichen Stufen hinauf, in die Ferne, wo das Lager wartete und Leza seufzte auf.


    Vielleicht sollte sie sich eingestehen, dass sie für all das nicht geschaffen war.
    Vielleicht war es an der Zeit zu erkennen, dass sie hier keine Hilfe war und auch nicht sein würde~

  • Morgendämmerung


    Die Nacht hatte sich scheinbar eben so schnell wieder verzogen, wie sie hereingebrochen war und... wieder war nichts außergewöhnliches zu sehen oder zu hören gewesen. Von ihrem Spähposten aus, welchen man dank der Eichenherzessenzen nur erreichen konnte, blickte die kleine Sylvari ein wenig herunter. Hier und da konnte man einen der anderen ebenfalls seiner Wege gehen sehen, wie sie Wache hielten. Oder ein Golem die riesiege Halle durchstreifte und Kisten schleppte.


    Ein zufriedener, kleiner Seufzer entfuhr ihr, als zarghaft der erste Sonnenstrahl über den Rand hinweg durch das Loch in der Decke seinen Weg suchte und somit das Ende ihrer Wache verkündete und die Höhle wieder im goldenen Licht erstrahlen lies.
    Immerhin hatte man sich fast schon an die gar bedrückende Stille gewöhnt und ein wenig auch die Zeit während der Wache damit verbracht ein paar letzte Schliffe an den Zwillen zu vollführen. "Fertig." dachte die Sylvari sich, zumindest was sie daran verrichten konnte, doch wollte man noch fachkundigere Hände an dem Ergebnis sehen. So viel der Blick noch auf das Lager der Norn ganz an der Nähe, jedoch einige Meter unter Ihr.


    Schließlich wurde die Ranke wieder genutzt und man kam sicher am Boden an. Ein wenig aufgeregt war sie, nicht weil es irgendwelche Gefahren unmittelbar zu erwarten gab, sondern es musste Rat eingeholt werden. Den Rat eines Meisterschnitzers! So machte man sich auf den Weg und hielt auf das Lager ihrer Freunde aus dem Norden zu.


  • ~....und dann habe ich mich mit Andra gestritten. Irgendwie war es befriedigend und frustrierend zugleich. Ein kleiner Teil in mir hat's genossen, der Rest wollte sie packen, rütteln und~

    Der Stift wurde abgesetzt und der Kopf etwas von der Schreibarbeit zurück gezogen, bis der Hinterkopf ans weiche, warme Charrfell reichte.
    Kurz nur erwischte sie sich dabei, wie sie das Gesicht etwas drehte, um nach Avariss schnuppern zu können, ehe wieder das angegriffene Buch auf ihrem Schoß die Aufmerksamkeit einforderte.
    Siebzehn mal hatte sie angefangen, siebzehn mal die ersten Sätze wieder grobmotorisch und verärgert durchgestrichen, bis ihr Kopf sich endlich erbarmte und auf Leerlauf stellte, in dem es nicht mehr darum ging, sinnvolle Beiträge zu verfassen sondern das, was gerade in ihr vorging.
    Das, was einem Tagebuch würdig war.


    ~Es war Tekkis Idee, dass hie..

    Tekki schlug vor, ich sollte...
    Irgendwo im Dschungel, in irgendei...
    Diese dämlichen, kleinen, feigen, Schlappo..
    Liebes Ta...~


    Nur ein paar der gescheiterten Anfänge die sie mit dem müden Blick überflog und sich die Nasenwurzel hierbei massierte. Es war dieser kleine Spottmoment des eigenen Verstandes der nicht begriff, wie ein Geist mit ihrem Wissen und Fachkenntnissen, so tief sinken konnte; und dann war da die leise Einflüsterung die erkannte, dass es eben nicht so kindisch und dumm war, wie es sich nach wie vor anfühlte.
    Tekki hatte recht mit der Idee, dass sie sich den Mist etwas von der Seele schreiben sollte, immerhin empfahl sie es doch selbst allzu oft.
    Vielleicht schmeckte einfach die Vorstellung nicht, im Rollentausch zu stecken und nun auf dem Posten des Patienten zu sein, andererseits war es vielleicht überfällig gewesen.
    Wenn das sprechen schwer fiel, musste eben das verdammte Buch her halten.


    ~...ich vermisse dich und hoffe, dir geht es gut. Ja ich bin in Sorge und es ärgert mich, dass ich es bin. Mich ärgert gerade viel zu viel.
    Dieser Ort.
    Mein fort treiben von meinem Vorsätzen, die ich seit Elona getroffen hatte.
    Ich wollte längst wieder da sein und endlich den ersten Stein legen, doch nun stecke ich irgendwo im Nirgendwo und warte auf das verdammte Chaos, um Schadensbegrenzung betreiben zu können.
    Ich hätte gerne wieder deinen Ratschlag, den ich mir nicht selbst einreden muss. Und vielleicht deinen aufmerksamen Blick.
    Ja, ja dein aufmerksamer Blick fehlt mir.~


    Die Stiftspitze drückte fester aufs Papier und schickte sich an, zurück zum Anfang des Satzes gezogen zu werden, doch sie ließ ab und seufzte schwer aus.
    Es fühlte sich immer noch kindisch an und das schlimmste? Sie musste sich vor Augen führen, was ihr gerade fehlte.
    Wieder etwas, dass sie fürchterlich nervte.


    Das Buch wurde abgelegt, den Stift zwischen den Seiten eingeklemmt und das Gesicht der schlafenden Charr betrachtet. Zwei ihrer Ohren zuckten, als wache sie selbst jetzt noch und dieser Umstand ließ Leza ein wenig lächeln.
    Bedacht darauf, in der sicheren Zone des Charrleibes zu bleiben, wo Avariss sich nicht Sorgen musste, ihr in einem unachtsamen Moment weh zu tun, machte sie es sich gemütlich und streckte die Beine etwas aus.
    Zuletzt ging der Blick zum Wasser, während die schweren Lider immer tiefer sanken.

  • Sie hatte Malvala zugesagt, dass sie einen intakten und funktionierenden Kristall zurück bekommen würde- aber niemand hatte gesagt, dass sie das verzauberte Kleinod nicht vorher in seine pulverisierten Elemente zerlegen durfte.


    Lezas Mundwinkel zuckten, als sie den Kristallstaub in der Mitte des Verzauberungskreises betrachtete, der vor wenigen Augenblicken noch ein hübsch funkelnder- und verdammt wertvoller- Diamant gewesen war.
    Ein Stück materieller Freude, dass so manches Herz der götterfelser Schmucklienhaber höher schlugen ließ und es ebenso gebrochen hätte, wenn sie die Zerstörung des guten Stückes beigewohnt hätten.
    Es war ein simpler Akt gewesen und es tat der Magierin nicht mal leid, die mit der Aufgabe vollkommen in ihr Reich abgedriftet war.
    Natürlich war sie am Morgen wieder mit miserabler Stimmung aufgestanden, hatte ihre Meditation vollzogen, das Gebet und hernach noch ihre Mantren gesprochen, bevor sie sich nach dem boykottierten Frühstück, zu den Heilern geschleppt hatte.
    Der Grund war banal genug um ihre Anwesenheit zu rechtfertigen, ohne große Bindung - dann kam Malvalas Frage nach ihrer Hilfe.
    Innerlich, ja innerlich hatte sie gestöhnt.
    Nicht, weil sie nicht helfen wollte, so war es nicht; aber es erschöpfte sie.
    Die Magierin fürchtete weiteren Balast zu dem, der sie jetzt schon in die Knie zwang, doch dann hellte sich ihre Stimmung jäh auf, als es um magische Gegenstände ging.
    Leza zögerte garnicht lange und nahm die Aufgabe sofort an, ohne groß zu hinterfragen.
    Warum auch, immerhin war es eins ihrer liebsten Gebiete und etwas, in dem sie sich wohl fühlte, konnte sie gerade gut gebrauchen!
    Die wichtigsten Kriterien eingeholt, ging es bald wieder zurück zur Bibliothek, um sich vorzubereiten.
    Der Zauber auf dem Kleinod musste analysiert und die Formel dupliziert werden, die Verzauberungskomponenten auf dem Stein herausgefunden und genau das tat sie auch.


    Sie mochte diese Aufgabe, denn sie war gut darin.
    Etwas beobachten, aus mehreren Winkeln, Schichten abtragen, Brüche und Kanten finden, sie abrunden und alles wieder zusammen setzen, vielleicht sogar noch besser und stärker in seiner Form.
    Es war wie mit dem Verstand und Geist, dem sie sich gewidmet hatte und unter dem Strich, das selbe vorgehen.
    Am Ende war es gute und solide Arbeit, die sie selbst besänftigte und zur Ruhe verhalf.


    Nun hatte sie also Malvalas Herzstück des Reisekastens pulverisiert und betrachtete die Regungen des Staubes, der im geschaffenen Ritualkreis waberte.
    Einen Moment lang erinnerte sie die Form und das glitzern an die Sterne in Elona und sie erwischte sich dabei, wie es den dunklen Blick kurzzeitig höher zog, wo nur die dunkle Decke des Gemäuers wartete.
    Die Mundwinkel sanken tiefer und die Aufmerksamkeit zurück zur Arbeit.
    Notizen wurden ergänzt und die Liste der bereits erörterten Reagenzien fortgeführt, die die ursprüngliche Formel abrundeten.
    Schleimextrakt...natürlich war Schleimextrakt Teil der Komponenten, denn die Viecher waren bekannt für ihre Fähigkeit zur Ausbreitung.
    Weit mehr irritierten sie hierfür die Harpiyenfedern, bis ihr der Faktor der verringerten Gewichtung dämmerte.
    Da war noch mehr raus zu holen, die Formel war abzurunden, sie witterte es!


    Was sie in der Arbeit versunken dafür nicht witterte, war der plötzlich auftretende Nebel.
    Es knisterte und knackte, als er Form annahm und mit dem Ritualkreis kollidierte, der auf den 'Angriff' reagierte und seine letzte Funktion erfüllte, bevor der Nebel die kleine Barriere wirklich brach.
    Natürlich bemerkte sie all das viel zu spät.


    "Oh schei..."


    ...Sie hörte noch das leise klirren, wo der Diamant im Kreis zu Boden fiel, hörte das klirren, wo ihre Zauber fielen und zersprangen, weil die plötzlich zunehmende Reichweite ihre Aufrechterhaltung nicht zuließ.
    Das nächste was sie hörte, war ein klares, steteres plätschern als bei der Bibliothek, ein leises rascheln von Blättern, dass vorher nicht da war und als sie die Augen blinzelnd öffnete, stand sie einen halben Schritt vom Rande der höheren Ebene entfernt.
    Es war der Schreck in der Desorientierung, der sie einen Satz zurück machen ließ und eine Drehung vollziehen, die mit dem Geräusch eines dumpfen Aufpralls endete, als ihr Gesicht gegen die Rückwand der Schenke knallte.


    Der Geschmack von staubigen Aurilium, begleitete sie in die selige Schwärze der Bewusstlosigkeit.

  • Seit Tagen war vom Schnitzer nur hin und wieder etwas zu sehen, dafür aber trieb der schwere Hammerschlag vom Lagerrand sein dumpfes Echo über die Zelte und frisch aufgeworfenen Gebäude. Er kam ab und an vorbei, hatte ein dickes Tau geschultert und nahm sich was von der Köchin mit auf die Hand mit, um den Bärenhunger zu stillen. Dann stand er kauend, mit der bebilderten, breiten Schulter an einem Pfosten gelehnt, der den Anfang der Brücke dienen sollte, die da neulich eingestürzt war.


    In seinem Kopf entstanden dann Bilder und Strukturen, und auf dem selten lehmigen Untergrund durch spitzen Stock getriebene Skizzen. Es war nicht Thorans erste Brücke. Er glaubte wohl, es in den letzten Wochen in diesem Unterfangen zur Meisterschaft gebracht zu haben. Den Geistern sei Dank hatte er sich noch nicht so verletzt, dass ihm nicht die eigenen, wenigen Mittel der Gipfel hätten den angerissenen Finger oder die Schürfwunden versorgen lassen. Den Erzählungen nach versuchte sich die Sylvari im Heilerzelt an allerlei nekromantischen Geschiss, und war wohl auf dem besten Wege hin, der Verderbnis anheim zu fallen. Nicht selten waren die Jotun durch ähnlich mächtig geflüsterten Trieb verführt worden und am Ende ganz verdorben. Fleischgolems. Der Norn schüttelte klirrend das Unwohlsein aus dem massiven Rückgrat.


    Überhaupt waren manche dieser Flachländer ungewöhnlich danach aus, sich Dinge zu befehlen. Dinge mussten getan werden. Und wenn man wollte, dass etwas zusammen getan wird, kann man danach fragen. Der Schnee hatte sie untereinander alle gleich werden lassen und nur die eigenen Legenden und die eigenen Taten verhalfen zu einer respektierten Stimme.


    Er wischte sich die Pranken am abgewetzten Lederschurz ab und rollte die massige Schulter aus, bevor er behäbig zum Hammer griff. Die durch blonden Bart gerahmten Lippen spickte er mit einer Reihe Nägel, um die losen Bretter zu einer Einheit zusammen zu zimmern, die wenigstens einen Golem halten sollte. In vier oder fünf Humpentiefen würde er die Brücke ausgehangen haben, dank Ronjas Unterstützung. Er arbeitete gerne mit ihr. Es war ein Glück, dass ihm das Klettern leicht fiel, sodass man den Dicken später am Tage einen halben Dolyak weit von der Klippe runterhängen sah, wie er sich daran machte, die Vertäuung anzubringen. Im Herzen die eisige Flur, im Brustkorb eine alte, nornische Weise, die dort für eine Weile nachklang.

  • Mein Setzling


    Es liegt eine zarte Harmonie in der Luft als Nola langsam das Portal durchschreitet. Der übliche harmonische Einklang des Hains begrüßt sie und über allem die wärmende und liebende Präsenz der Mutter. Bis eben noch war sie in einer anderen Welt gewesen, wo es stiller war und auch nicht so oft so friedlich, manchmal zwar totenstill, aber nie so voller Frieden. Tief atmete sie den Blütenduft des Hains ein und genoss die von Leben erfüllte Umgebung. Unter all den Sylvari die hier herum gingen fiel es ihr leicht jenen auszumachen zu dem sie wollte, jenen zu finden wegen dem sie so dringend zurück wollte.


    Eilig lief sie los, so schnell sie ihre Füße trugen und noch ein wenig mehr. Es war wie ein Impuls so fühlte sie sich gerade voller Strom als endlich den hochgewachsenen, sehr hölzernen Sylvari mit den weißen Blättern ausmachen konnte. Er befand sich auf einer der Pollenterrassen und schien dort bei einem Glas Nektar ein wenig zu ruhen doch als sie ankam öffnete er die Augen und blickte sie an, zufrieden wohl.


    "Lynn!", rief sie Freudesprühend auf und hastete zu ihm hinüber während er sich in aller Ruhe von seinem Platz erhob. Selbst als sie sich ihm an den Hals und in die Arme warf konterte er dies mit der üblichen Ruhe und Gelassenheit welche sie von ihm kannte. Die Umarmung allerdings war fest und hielt sie eine Weile bei ihm. Worte von ihm waren dazu nicht nötig als sie flüsterte: "Ich habe dich auch vermisst."


    Gemeinsam nahmen sie Platz und während er ihr Tagebuch las erzählte sie ihm von den vielen Erlebnissen. Von den Leuten die sie sie getroffen hatte und was sie dadurch erlebte und wie es dabei in ihr aussah. Hastig und manchmal musste er sie unterbrechen, um selbst kurz zu Wort zu kommen, aber am Ende schloss er das Buch und schob es zu ihr hinüber. In seinen Augen ein ernster Blick.


    "Setzling", begann er ernst und blickte sie eindringlich an, "Diese Menschen sind nicht gut für dich. Laut deinen Aufzeichnungen bringen sie dich konstant in Disharmonie und du hast viel zu oft diese vom Zorn beherrschten Momente. Du solltest wieder hier her zurück kehren, bis ich dich vollständig ausgebildet habe, dann bist du der Welt nicht mehr ganz so schutzlos ausgeliefert." Es war kein Scherz, Lynnotin machte keine Scherze, zumindest nicht mit Absicht, wenn etwas komisch war, dann oft nur aus dem Kontext gerissen.


    Nola wollte anheben etwas zu sagen doch er hob die Hand sie zum Schweigen verdonnernd. "Fangen wir mit den Wichtigsten Leuten an. Minna zum Beispiel, du kannst nicht ihr Kind sein, niemals und sie wird dich auch niemals wirklich so sehen. Das ist auch gut so glaube mir, wenn Sylvari Menschen sein sollten, wären wir wie sie, aber wir sind anders. Um eine familiäre Bindung herzustellen braucht es viel Zeit. Deshalb wachsen Menschen in den Leibern ihrer Mütter.
    Was etwa neun Monate mit einem den Körper geteilt hat wird man, zumindest in der Regel bedingungslos lieben, dich allerdings, dich hat sie nicht in ihrem Körper großgezogen, ich sage nicht, dass ihr keine Freunde sein könnt, das wird sich über die Zeit entwickeln, aber du gehst zu lose mit dem Wort Familie um, weil du eine andere Vorstellung davon hast", er nahm eine Schluck und Nola mochte sich täuschen, aber es fühlte sich fast ein wenig an als wäre er verärgert. Lynn der sonst niemanden Gefühle sehen ließ sondern immer ein einheitlich freundliches Lied verströmte war verärgert?


    "Machen wir weiter mit dem Herren dazu. Was sagtest du noch, ein professioneller Mörder? Setzling! Alles hat ein Recht zu wachsen, das ist ein Prinzip was ich dir immer und immer wieder lehre und du bezeichnest so einen Menschen als Familie? Jemand der herumgeht und für Geld seinesgleichen tötet, ganz egal was sie getan haben ist kein Vorbild für dich und sollte niemals eines Werden, deshalb auch nicht deine Familie", er schüttelte erneut den Kopf und seine Finger marterten schon eine Weile den Tisch an dem sie saßen.


    "Aber sie sind doch nicht im Ganzen Schlimm. Sicher jeder hat seine Fehler, aber die habe ich auch. Also das ist doch ganz normal Lynn. Hast du denn nie Dinge getan, die du später vielleicht bereut hast?", erkundigt sie sich, "Oder Leute getroffen, die in sich nicht perfekt waren, aber gut für dich?"
    Es brauchte eine Weile bis er eine Antwort dazu hatte: "Natürlich habe ich Holzwege beschritten und deshalb ist auch meine Haut inzwischen hart und rau, nicht mehr so weich und zart wie deine. Aus mir ist ein Baum geworden, vom Wetter gegerbt, auch du sollst ein Baum werden Setzling, aber ich möchte dir Fehler die ich gemacht habe sparen, lerne einfach von meinem Wissen, das ist doch dein Vorteil, du musst nicht jeden Fehler selbst machen, wenn ein anderer ihn schon getan hat."


    Leises Seufzen der Jungpflanze, sie hatte eigentlich nicht erwartet, dass er so schrecklich dagegen wäre, dass ihm ihre Aufzeichnungen so missfallen würden. "Findest du nicht auch etwas Gutes an meinen neuen Freunden?", wird vorsichtig nachgehakt und dabei schon fast etwas geschlagen geguckt wie ein Hund in einem Regennassen Karton.
    "Noch sind wir nicht da. Als nächstes jemand der sehr oft vorkommt, Andra. Halte dich einfach von diesem Menschen fern. Diese Frau hat Probleme die du nicht lösen kannst. Nicht, weil sie unlösbar sind, keines Falls, aber", er tippt mit dem Finger auf das inzwischen geschlossene Tagebuch, "Sie will das nicht gelöst haben. Dieser Mensch, aus was für einem Grund auch immer, versinkt in seinem Selbstmitleid und Selbsthass und du bist nicht diejenige die sie gut genug kennt, um ihr da heraus zu helfen hörst du. Lass es, mit deinen unbedachten Worten reißt du immer wieder Stellen in ihr ein, sicher normalerweise hilft das durchaus beim Heilen, die Wunden zu erkennen, aber lass es dir von mir sagen", er räusperte sich und sein Blick wirkte beinahe finster, "Sie will deine Hilfe nicht."


    Langsam nickte sie und blickte auf das Buch und dann wieder zu ihm: "Sie will meine Hilfe nicht", wiederholte sie als wäre es eine Unterrichtslektion im Nachsprechen. Wobei vielleicht war es das.


    Eine weiteren Schluck Nektar später sah er dann auf: "Aber, es ist nicht alles schlecht. Ich bin froh, dass du die Lektionen über Leben in der Wildnis gut umzusetzen weißt. Ich bin zufrieden zu sehen, dass du immer versuchst Anderen eine Hilfe zu sein. Dass du dich von Fehlschlägen nicht entmutigen lässt ist eine wichtige Eigenschaft und besonders hervorheben würde ich gerne deinen Wissensdurst. Ich fand es spannend zu sehen, mit wie vielen Leuten du in Kontakt kommst die scheinbar Koryphäen auf ihrem Gebiet sind und hätte nie gedacht, dass du dich so vergleichsweise gut mit den Asura verstehst. Ich hatte immer befürchtet sie wären dir vielleicht ein wenig zu hart, zu skrupellos, aber bisher zeigen sie sich auch alle von einigermaßen zahmen Seiten, sein nicht erschreckt, wenn sie wegen ihrer Forschungen einmal zu weit gehen und scheue dich nicht deine Meinung zu sagen."


    Erneut nickte sie und war nun diejenige die an ihrem Nektar hing und diesen Schlürfend zu sich nahm. "Wen ich übrigens gerne kennenlernen würde ist Malvala. Sie scheint in der wenigen Zeit, die ihr euch kennt gelernt zu haben dich so gut zu durchschauen wie ich. Ich bin froh, dass du so eine Schwester um dich hat, die dich mit deinen Sorgen nicht alleine lässt und auffängt. Sie ist es, weswegen ich nicht darauf bestehe, dass du hier bleibst. Ohne sie hätte ich Sorgen, dass deine Seele bleibenden Schaden erleiden würde, wenn ich dich wieder zurücklasse. Verstehst du wieso?", das war fast schon eine rhetorische Frage, aber Nola wusste, er wollte dennoch eine Antwort.


    Langsam strich sie mit dem Finger am Rand ihres Bechers entlang: "Nun, weil die Welt dort draußen sehr komplex und gefährlich ist und du einige der Menschen als sehr schlechten Umgang für mich siehst, weil sie sich eben anders verhalten als wir und mich dadurch immer wieder irritieren?" Diesmal war es Lynn der nickte und sie konnte seine Blätter dadurch leicht wippen sehen: "Korrekt."
    Den Becher geleert sah er sie wieder genauer an: "Alles in Allem bin ich über alle Maßen stolz auf dich und deine Entwicklung, wirklich. Dass du deinen Weg zur Magie gefunden hast, aus eigenem Willen heraus, dass du Dinge und Absichten kritisch hinterfragst, dass du deinen Freund Xenos zu seinem Schutz zurück geschickt hast, weil es das Beste für ihn war, statt das Schönste für dich. Dass du lernst Teil eines Teams zu sein und dich mit den Schrecken dieser Welt auseinander setzt ohne den Respekt für sie zu verlieren. Diese Dinge zu hören und zu lesen erfüllen mich mit Stolz darüber dich meinen Setzling zu nennen."


    Die warme Welle aus Zuneigung und Stolz ließ er sie in all ihrer Schönheit und Klangfarbe fühlen. Es war als stünde sie im Auge eines Sturms aus Geborgenheit und Glück. So viel Gefühl auf einmal ließ er nur selten durchscheinen, was den Moment umso wichtiger machte. Doch bald darauf würden sie ihr Gespräch damit beenden, dass er sie in eine der Hängematten bettete und ihr ein Schlaflied sang, während sie langsam aber sicher ins Land der Träume ging, denn Morgen würde ein langer Tag werden. Essen musste gejagt und gemacht werden.

  • Eine kurze Heimkehr.


    Der Wachdienst war wieder verrichtet worden und es blieb weiterhin ruhig. Ausnahmsweise ein gutes Zeichen, nun wo sich das Heilerzelt etwas gefüllt hatte und die Heiler ihrer Arbeit nachgingen. Nachdem der Ausflug zum verlassenen Schiff dann doch eine übrraschende Wende genommen hatte und es sich zeigte, das es immer noch von Geistern heimgesucht wurde. Maven und Astrid hatte es wohl am schlimmsten getroffen. Selbst war man mit Schrammen und kleinen Schnitten davon gekommen.


    Wie schon in all den Tagen hatte die kleine Sylvari ihr Guckglas stets an den nächsten Wachposten weitergegeben, wenn sie abgelöst wurde. Im Lager der Drachendiener war nur wenig Bewegung gewesen, es war schon regelrecht erstaunlich das die Mordrem sich scheinbar nicht weiter vor wagten.


    An ihrem Zelt nun angekommen, begann die Sylvari ihren Reiserucksack nur mit dem Nötigsten zu füllen und die wichtigsten Waffen aufzunehmen. Der mit Dolyakmustern verzierte Köcher, welcher immer noch prall gefüllt war mit Pfeilen, immerhin hatte man bisher nicht einen verschossen. Der selbst geformte Bogen, wie auch ihr Dolch und ihr wunderschönes Schnitzmesser, welches Sie vor einer kleinen Ewigkeit einmal von Thoran geschenkt bekommen hatte, fanden ihren Platz.


    Den anderen berichtete man dann vom eigenen Vorhaben, eine kurze Reise zurück in den Norden zu unternehmen. Sie wollte sich versichern das an der Heimstädte alles mit rechten Dingen zuging. Zudem hatte man es sich in den weißblättrigen Kopf gesetzt für Astrid und Maven etwas zur Aufmunterung zu besorgen.


    Vielleicht würde sie ja in der Kühle des Nordens auf einige Antworten kommen, nachdem die Unternehmung sich so sehr in Rätseln verloren hatte.

  • "...Ihr MÜSST sie finden! SIE haben sie! SIE HABEN SIE!" - "Fixiert sie endlich!" Hysterie und hektische Anweisungen dröhnten ihr in den Ohren, während sie zusah, wie die junge Frau im Nachthemd, deren Unterarme Blut überströmt waren, von zwei Pflegern aufs Bett gedrückt wurde, während die alte Dwayna Priesterin mit schmerzlicher Miene, die gepolsterten Lederfesseln anbrachte und die Verletzte fixierte. Es tat ihrer Kollegin unter Dwayna leid so vorgehen zu müssen, doch es half nichts; wenn ihr Schützling bereit war sich selbst zu verletzen und zu verstümmeln, mussten Maßnahmen getroffen werden.
    Leza seufzte und steuerte die Tür an, um hinaus zu gehen.


    "Irgendwo muss es doch sein...."


    "Du bist ein Taugenichts, genauso wie dein verlauster Vagabund von Bruder! Was habe ich nur getan, um mit _euch_ bestraft worden zu sein?!" Die Worte endeten in einem theatralischen Seufzen, dass bühnenreif war. Zugegeben- eine Hinterhofbühne irgendeines drittklassigen Theaters, dessen Schauspieler allesamt perspektivlose Dramatiker waren, aber nichts desto trotz, war es bühnenreif.
    "Schau dich doch nur an! _Einmal_ bitte ich dich, dich zu benehmen, doch du?! Nein....nein DU musst mich natürlich blamieren!" - "Mama, so war das doch ga-" - "Das will ich garnicht hören!"
    Lezas seufzen klang zweistimmig, doch nur die Ältere schlenderte durch die alte Wohnküche und beschaute sich das alte Kochbuch auf der Arbeitsplatte, während ihre jüngere Version die schmalen Schultern anzog und trotzig, wie auch forsch, das spitze Kinn vorreckte. "Tharon hat mich abe-" -"was hat Tharon, WAS?! Willst du jetzt etwa sagen, dass der hübsche, wohlerzogene Bub' des guten Schneiders WAS getan hat?!"


    "Ach Mutter...Manchmal. ja manchmal...wo ist es denn nur..."


    Die dunklen Augen wurden etwas verengt, als sie das Kochbuch durchblätterte. Die meisten Seiten waren verblasst, ähnlich vereinzelter Dinge im Raum. Dinge, wie die Farbe der Vorhänge, oder das, was hinter dem Glas der Küchenscheibe als Aussicht da sein sollte, jedoch im milchigen Nebel der Erinnerung verschwommen und schemenhaft blieb.
    Nur das Streitgespräch dröhnte kräftig und voll an ihre Ohren.
    In welchem Haus der vielen fand es damals statt?
    Die Lippen wurden mehr aufeinander gepresst und das Buch zugeklappt, zeitgleich mit dem dem Klang einer schallenden Ohrfeige die den Raum erfüllte.
    Leza kümmerte sich nicht weiter drum, noch sah sie danach, denn sie wusste was passiert war und öffnete die Küchentür nach draußen...


    "Das ist doch idiotisch. Irgendwo muss es doch sein. Hast dich ja schön rein geritten, altes Mädchen. Warum bietest du es auch an..."


    Der Duft von nasser, aufgewühlter Erde kitzelte an ihrer Nase, dich gefolgt von der morgendlichen Taufrische eines frühen Morgens im Frühling, der die letzten Reste der Winterzeit abschüttelte. Es war kalt, doch die Kälte berührte sie nicht, während sie dem alten Mann der sich auf einen Krückstock stützte, gemächlich hinterher trottete. Nur ein flüchtiger Blick ging zu seiner jüngeren Begleiterin in der dunklen Anwärterrobe des Grenth Ordens, die ihm den Einkaufskorb trug und aufmerksam seinen Worten lauschte.
    Leza mochte ihren Flechtzopf; wann hatte sie aufgehört, ihn so zu flechten?
    "Das Geheimnis ist die Sahne Mädchen, hörst du? Es ist immer die Sahne- und eine kleine Prise Zimt und Vanille."


    "Zimt! Natürlich war's Zimt!"


    Die Erinnerung verblasste allmählich, nun wo sie hatte was sie wollte und Leza spürte bereits wieder die wachsende Wärme der Realität, die die Kälte eines Morgenspaziergangs verdrängen wollte. Während der alte Feldweg verblasste und Eldvin in der Ferne an Konturen verlor, lächelte sie berührt auf, als sie den Alten noch mal sprechen hörte.
    "Er hat dich also endlich gefragt ob du seine Frau werden möchtest? Wurde auch endlich Zeit! Der dumme Junge hat sich viel zu viel Zeit damit gelassen!"


    "Leider nicht mit allem alter Mann, leider nicht mit allem..."


    Träge blinzelte sie den Dämmerzustand aus dem Blick, der das hier und jetzt nur sehr langsam wieder schärfte- und auch nur die Dinge, in unmittelbarer Nähe waren. Die hohen Bücherregale die sie umgaben, das Kopfende des Bettes, ihr kleiner Werktisch. Alles danach, war kaum mehr als die verschwommene Ursuppe, die auch Teile der Erinnerungen geprägt hatten.
    Während der Geist sich wieder um die Realität bemühte, löste sich langsam der eiserne Griff ums Amulett, dass sie wieder sorgsam unter die Robe schob, bevor sich erhoben wurde und sie ihren Aufgabenzettel für den Tag vom Kissen klaubte.
    Der Punkt mit den Elementarsteinen, war bereits abgehakt. Die hatte sie den Norn in der Früh bereits gebracht, damit sie ihr Lager etwas mehr genießen konnten.
    Fokus platziern war durchgestrichen. Ob Siina sich wundern würde, wenn sie nach ihren Kristallen sah und daneben ihren Stab finden würde, der die Zauberschleife aufrecht erhielt?
    Meditation und Mantren vorbereiten, hatte sie auch erledigt, womit die Morgenroutine erfüllt war und sie sich daran machen könnte, die kleine, süße Zusage zu bereiten, die sie Evan und Nolaraki versprochen hatte und vielleicht würde auch Avariss dem etwas abgewinnen können.


    Warum aber blieb mal wieder das Gefühl zurück, irgendwas wichtiges vergessen zu haben?

  • Hörte er die Krähe ihre Weisheit gellen? Der breitschultrige Norn hob den Gletscherblick auf zur Gewölbedecke und schirmte mit der Pranke die Stirn. Er bildete sich ein Vögel durch den zerfransten Riss zu sehen, der aussah, als wäre die Steindecke geplatzt. Von dort rang der Tag mit dem falschen Zwielicht des güldenen Gefängnisses, das auf ihm drückte. Für einen Augenblick schloss er die Lider, und ließ die Pranke sinken, bevor das Grollen aus seiner Magengegend ihm Übel mitspielte. Zu wenig Essen. Ein Norn seiner Statur konnte schon aus dem Stand eine Menge verdrücken, aber jetzt, da er in schweißtreibender Arbeit stand, würden ihn die Rationen der Flachländer kaum sättigen.


    Ronja war das Ausharren ohne Nahrung gewohnt und ihre ruhige Art diese Dinge nicht zu kommentieren, während sie schweigend arbeitete, beruhigten den Bannschnitzer ein ums andere mal. Er aber war das Äquivalent eines menschlichen Städters und es zumindest gewohnt jederzeit auf die Jagd gehen zu können, sollte der Klan je in die Verlegenheit geraten, dass ihm das Fleisch ausginge. Hier aber war nichts. Kaum etwas, was sich an diesem verfluchten Ort als Beute eignete und Spuren hinterlassen konnte. Thoran war es nicht gewohnt Hunger zu schieben und er hatte nicht gewusst, dass ihm das etwas ausmachte, bis zu dem Punkt, an dem es ihm selbst übel nachging, dass er sich so vom Fraß verführen ließ. Missmutig schnaubte er aus.


    Der Bär schüttelte sich klirrend als löse er damit den eigenen, ungewollten Unmut und sah hinab zum Ufer, an dem sich manches Holz befand. Andra mit der Glutmähne hatte nicht unwesentlich dazu beigetragen den Schnitzer mit allem massiven Holz zu versorgen, das sie auffinden konnte. Sie hatten eine Art schweigende Übereinkunft getroffen, denn das aufflammende Gemüt der Kriegerin verpuffte an der dickhäutigen Haut des Blondnorn und Thoran hatte sie einfach ruhig ihr Trübsal blasen lassen. Es würde heilsam sein, wenn sie sich in Arbeit stürzte. Nichts konnte den Geist besser befrieden als der schmerzende Muskel, der in einer Aufgabe aufging. Ronja hingegen lief mit den Wölfen und erspähte nützliches Material an Orten, die den meisten entgangen wären. Die erfahrene Jägerin tauchte hin und wieder auf und schleifte ein ums andere Holzfragment und nützliches Tau heran, das er benutzten konnte, um ein Floß zu bauen.


    Den Versorgern hatte er einige Fässer abringen können, und sollte er genug davon erhalten, dann käme es im besten Fall am Ende sogar auf zwei kleinere Floße hinaus. Die Schwierigkeit bestand darin, die Holzstücke zu robusten, stammartigen Elementen zu verkeilen und eine solide Unterschicht zu zimmern, die er mit Doppelschlingen zusammen knotete. Er nutzte seinen Gürtel, um eine besonders fragile Konstruktion festzuzurren, hämmerte die übrig gebliebenen Hölzer der ehemaligen Stützgeländer zusammen und vergaß den Hunger, vergaß die klebende Zunge. Die Welt um ihn wurde seltsam tumb, verwischte sich zu einem sonoren Klang, dem er instinktiv folgte und das den Norn abwesend erscheinen ließ.


    Später am Tag bekäme das erste der beiden Floße die Prüfung zu Wasser; ob er ein zweites noch fertig bekäme hing einzig und allein daran, ob das Lager es schaffte noch zwei kleinere Fässer abzudrücken. Der Rest oblag den Geistern - und der Weisheit des Raben, der über ihnen gellte.

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