Beseelt vom Wein und dieser ganz besonderen Art der guten Laune, wie sie einem nur gute Freunde bescheren können, saß Elizabeth dieser späten Nacht vor ihrer Spiegelkommode und bürstete ihr Haar. Die Balkontüre stand offen, und sanfter Wind der bereits vom ersten Morgenrot kündete, ließ die Flamme der Nachtkerze leicht flackern. Sie benötigte nicht mehr Licht als diese Kerze und das Licht des Mondes, welches durch die offene Tür hereinfiel, Gold und Silber, die darum rangen in den Schimmer welches Edelmetalles sie die seidigen Wellen ihres blonden Haares tünchen wollten.
Es war ein guter Tag gewesen, erfolgreich auf der ganzen Linie. Angefangen von den Geschäften am Morgen, über die Abschlussarbeiten an der Bank, hin zu Clara die endlich angekommen war, zu ihrem Abend mit Lucas, Helena, Lynn, Richard, Bianka, Alesha, Yarissa, Leaja. Sogar Gwennis trug heute zu ihrer guten Laune bei, was selten genug vorkam. Lange Striche sanfter Ruhe führten die weichen Borsten ihrer Bürste durch ihr Haar, während sie sich im Spiegel betrachtete. Den Schrank hatte sie neu erworben, eine Spiegelkommode wie Frauen sie üblicherweise nutzten. Sie hatte nie so etwas besessen, hatte es als überflüssig, unnütz empfunden.
Nun saß sie im weißen Nachthemd mit Rüschenkragen am Hals- und Ärmelsaum auf dem gepolsterten Höckerchen und sah sich an. Ihr Gesicht war etwas schmaler geworden, kaum, es war schwer zu sehen, aber sie sah es. Sie war sich nicht sicher ob es ihr gefiel.
Womöglich hatten die Nebelsteins doch Recht, und sie arbeitete zuviel, nahm sich zu wenig Zeit für sich selbst. Waren die Grübchen in ihren Wangen Zeugnis davon, dass sie sich selbst vernachlässigte? Oder hielt das Alter etwa Einzug? Was es auch war, es stimmte sie nachdenklich, und trübte ihre Laune leicht, nicht genug jedoch, um sie kippen zu lassen. Sie betrachtete ihre vollen Lippen, die Pausbacken. Ihre Augen, die Brauenbögen darüber, und die tausenden dunkler Sprenkel, die ihre gebräunte Haut überzogen. Sie war schön, bildschön, genau so wie sie war. Und jeder der etwas anderes behauptete hatte entweder keinen Geschmack oder eine Meinung, die sie nicht zu interessieren brauchte. Überhaupt bildeten sich viele in dieser Stadt ein dass sie, nur weil sie eine eigene Meinung hatten, im Recht waren, während alle anderen sich im Unrecht suhlten. Eine Meinung machte längst keine Wahrheit.
Es war ein Tanz. Miteinander, umeinander, gegeneinander. Sie liebte den Tanz, ebenso, wie sie das Spiel liebte. Jedes Schicksal eine Spielfigur. Jede Tat ein Tanzschritt.
Heute hatte sie einen Schritt zurück gemacht. Es war ihr leicht gefallen, denn es gehörte zum Tanz dazu.
Nicht jeder Schritt zurück ist ein Rückzug.
Manch ein Schritt zurück ist Anlaufnehmen, und nicht selten folgt darauf ein besonders eindrucksvoller Tanzschritt.
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