Er wartete mit hinterm Rücken verschränkten Armen am Tisch, als sie der Bitte zum Gespräch schließlich folgte. Es hatte nur wenige Minuten gedauert, er selbst war auch erst richtig angekommen. Seine Rüstung und sein Hammer zeigten sich noch leicht mit dem Erdreich des Trainingsplatzes verkrustet. Es war ein guter Kampf gewesen, auch wenn keiner von beiden hatte siegen können. Im Endeffekt verblieb er ungewiss, ob es eine gute Idee gewesen war, den Alten mit den anderen beiden Gestalten zurückzulassen, aber er musste Prioritäten setzen. Im Moment war die Priorität dieses Gespräch. Außerdem ein Hindernis, das er zu beseitigen hatte.
Sie tauschten den kriegerischen Gruß ihres Herren, bevor er direkt zur Sache kam. "Ehre Balthasar.", sprach er ihr entgegen. "Wir haben zu sprechen. Eigentlich hätte ich es gerne gestern schon abgehakt, aber die Pflicht ist die Pflicht."
"Balthasar zum Gruß. Was ist passiert?" Mavey nahm seine Einleitung zum Anlass, einen neuen Konflikt zu vermuten - und in gewisser Hinsicht tat sie das zurecht.
"Ein Kampf, Nichts weiter.", erklärte der Priester sein Äußeres, das in diesen Gewölben nicht ungewöhnlich war. Kurzes Schweigen überbrückte die Distanz zu den teuflischen Worten. "Es geht um Thrymaer. Er wird mit in den Dschungel ziehen."
Mavey trat näher, erstaunlich nüchtern trotz deutlicher Ungläubigkeit in den Augen. Sie hob eine Augenbraue, als habe sie sich verhört. "Bitte?"
"Du hast mich richtig gehört.", sprach er unerschüttert, auch wenn es ihn Konzentration kostete. Er ahnte, dass er geradewegs auf einen Feuerstum zusteuerte, doch es musste in Kauf genommen werden. "Er wird unter meinem Kommando stehen."
"Und du denkst das ändert irgendetwas? Nur weil er unter deinem Kommando steht?" Ihr Ton war schärfer als seiner, verbissener gar, und das sprach für sich. "Sieh dich vor, Sentenzar, sieh dich vor - einer Spinne kann man nicht trauen. Sie arbeitet an ihrem Netz, wartet bis man sich sicher wähnt und schlägt dann zu." Nach kurzer Pause fügte sie an: "Hat er dich darum gebeten?"
"Nein.", gab er barsch Kontra. Ihre Widerspenstigkeit erzürnte ihn, doch seine Rage für heute war gestillt, ausgebrannt im Kampfe, der ihm Nahrung war, wie die Bäume einem Waldbrand. Doch er konnte nicht anders, als sich auszulassen über die Umstände: "Ich habe es ihm unterbreitet. Der Mann hockte dort in diesem Haus, in verrostetem Kettenpanzer, untätig, hatte nichtmal seinen Orden kontaktiert. Der Mann, der mir die Meinung gegeigt hat, als ich schwach war." Er schnaubte leicht. "Also habe ich ihm vorgehalten, dass er sich Schande macht. Thrymaer hat keine Macht mehr über mich, Mavey. Wir sind jetzt quitt."
"Und du hilfst ihm? Du bietest ihm jetzt wieder Stärke an, wo er Nichts besseres zu tun hatte als dich als Experiment zu nutzen? Ist das dein Ernst?" Regelrecht kampfbereit baute die deutlich kleinere Priesterin sich vor ihm auf, verschränkte ablehnend und streng die Arme. Plötzlich sah sie ihrem Vater ähnlich, obwohl ihre Worte seinem Wesen wahrscheinlich kaum ferner hätten sein können. "Soll er verrotten in seiner Rüstung."
"Hast du schon vergessen, was wir neulich besprochen haben? Ist deine Überzeugung schon wieder verschwunden?" Er zog die Brauen scharf zusammen, fletschte halb die Zähne und tockte sich selbst mit dem roten Plattenzeigefinger der Rechten auf den Harnisch. "Ich habe Nichts vergessen. Nichts von dem, was wir besprochen haben - und Nichts von dem, was er getan hat. Wenn ich überhaupt etwas beweise, dann dass ich es besser kann als er. Ich bin Priester."
"Auch ich habe nicht vergessen, aber wie kannst du ihm nur eine Chance bieten? Wie? Um ihm zu beweisen, dass er unwürdig ist überhaupt den Namen Balthasars in den Mund zu nehmen?" Ihr Zorn, hier und jetzt, war stärker als seiner. Sie verengte die Augen und presste die Lippen aufeinander, wie es sonst er tat - und durch die Seltenheit ihrerseits gewann das Ganze umso mehr an Macht.
"Du übernimmst dich deutlich.", mahnte er mit erbittertem Grollen, denn bloße Beharrlichkeit stimmte ihn nicht um.
"Oh Sentenzar, komm mir nich so." Plötzlich streckte sie ihm anklagend den Finger entgegen, fuchtelte damit herum wie mit einem Dirigentenstock. Gerade noch war es ihm leichter gefallen, die Beschwerden ernst zu nehmen. "Ich übernehme mich nicht. Aber ich kann nicht einfach so zulassen, dass dieses Ding dich begleitet. Wenn er so unglaublich gefestigt ist im Glauben wie er denkt, ja wenn er von anderen Sachen erwarten kann, die er offensichtlich selbst nicht im Stande ist zu leisten, dann hat er keine Hilfe verdient. Denn dann ist er ja nicht nur schwach, sondern auch ein Heuchler. Hat er dich denn nach Hilfe gefragt?"
"NEIN, HAT ER NICHT!" Er spürte, wie ihm das Brüllen Blut in den Schädel trieb, auch wenn sein Furor sich nach der Verausgabung des Abends in Grenzen hielt. "Ich befinde ihn für nützlich, und diesmal habe ICH das Sagen. Nicht mehr und nicht weniger!"
"Nützlich? Wie kann Jemand, der sich selbst nicht aufraffen kann, obwohl er offensichtlich anderes verlangt hat, als 'nützlich' erachtet werden?" Ihre Finger setzten das Wort in zynische Anführungsstriche. "Wegen der Wächtermagie, die er wirken kann? Ihr geht mit der Abtei und auch der Pakt ist dort, denkst du nicht, dass sie Wächter haben, die fähig sind und kein Kindermädchen brauchen?"
Der Priester verzog das Gesicht muskelstarrend, er spürte die Hitze in sich aufsteigen, wollte, dass sie ihr Maul hielt, seine Entscheidungen nicht in Frage stellte. "ICH DENKE...", dröhnte er los... und verstummte, als er den Satz nicht zu beenden vermochte. Er fand sich außer Standes dazu. Kiefermahlend und mit schwindender Rage klappte er den Mund wieder zu, kehrte sich nach kurzem Blick gen ihres kühn erhobenen Kinns um, die gerüsteten Pranken wieder hinter der Rückenplatte ineinander legend. Der Griff wäre einschnürend gewesen, wenn das Metall seine Kraft nicht gehemmt hätte.
Er starrte gen des Hammers, seinem Markenzeichen, seinem geweihten Stahl, doch die Waffe lehnte ohne Antworten des Kriegsgottes weiterhin am Tisch. Er drehte sein Kinn nach links, in zumindest angedeutetem Schulterblick, den ihm sein bulliger Nacken in Rüstung gleich doppelt verwehrte. "Ich habe versucht, ihn wieder zu hassen.", brachte er ernst hervor. "Aber ich kann es nicht. Er ist ein verblendeter alter Drecksack, aber er hat die Lehre Balthasars im Sinne, und das kann und werde ich nicht ignorieren." Knurrend ergänzte er dann: "Ich nehme ihn mit, weil ich nicht dieselben Fehler mache wie er. Und zwar in jeder Hinsicht."
"Du weißt, wie sehr ich ihn hasse." Sie schüttelte den Kopf und stand immer noch genauso ablehnend da, als er sich wieder ihr zuwandte. "Wie soll ich eine ruhige Minute haben, wenn ich sogar weiß, dass er diesen Tempel vor mir sehen kann. Wie soll ich eine ruhige Minute haben, wenn ich weiß, dass er die Gunst der Stunde trotz allem vielleicht nutzen würde. Ja, du bist stärker und ja, ich glaube dass du gegen ihn ankommst - aber ich traue ihm Tücke zu."
"Hör dir zu.", mahnte er grimmig, denn Ihre Worte schürten Verachtung in ihm, die nicht ihr galt. "Wie du über ihn redest, nur wegen dem, was du über mich und ihn weißt. Du kennst nicht die Details, du weißt nicht wie genau es war. Du bist auf dem besten Weg, zu werden wie die Leute, die mich blindlings einen 'Hetzer' und einen 'Fanatiker' schimpfen, weil ich dem Werk Balthasars bedingungslos und allumfassend nachgehe. Willst du das?"
"Nein, das will ich nicht." Der Vergleich brachte sie nicht aus der Fassung. Sie pustete sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. "Aber ich will nicht, dass er mit geht. Das hat er nicht verdient. Nicht vor mir, oder willst du das bestreiten?"
"Es ist jetzt SCHLUSS mit diesen selbstgerechten Worten." Mit einem abrupten Aufdröhnen inmitten der scharfen Worte verlieh er seiner Intoleranz Ausdruck, denn der persönliche Disput war ihm lästig und fürderhin noch seinem Fokus auf das heilige Werk abträglich, das bevorstand. "Von mir, von dir, von ihm. Allen. Du hast deine Rolle in diesem Jahr selbst gewählt." Er sah nicht auf ihren prallen Bauch herab, aber der gleichermaßen feurig wie frostig trotzende Blick, der ihm entgegen schlug, sprach eine klare Sprache darüber, dass sie wusste worauf er anspielte. Das aber hielt ihn nicht ab, denn er wollte seine Gedanken nicht länger verbergen: "Du hasst ihn, weil er der Komplize deines Vaters war. Du hasst ihn, weil er mitverantwortlich ist dafür, dass ich bin, was ich bin. Aber du kennst ihn nicht. Der alte Sack ist ein Teil von Balthasars Plan, wenn auch ein beschmutzter. Und es ist an uns, die Flammen der Reinigung zu lenken."
Sie sog scharf Luft ein. Jetzt erst nahm sie Anstoß an seinen Worten. "Manchmal bist du ein verdammtes Arschloch.", brachte sie ihm in vollstem Ernst entgegen, ihm jedoch erschien ihr Trotz irrational. "Aber weißt du, du hast Recht. Ja, ich wollte Kinder - auch dieses, weil ich der Meinung bin, dass es richtig ist. Aber mir zu unterstellen, weil ich auch meine Pflicht in meiner Rolle als Balthasar-gläubige Frau kenne, ich hätte mir das alles selbst ausgesucht... bah. Glaubst du wirklich es macht mir Spaß mit diesem Frauenkörper herumrennen zu müssen, vor allem wenn ich sehe, wozu andere nuneinmal fähig sind?" Er glaubte es nicht, aber sie sprach bereits weiter: "Reinigung, Reinigung. Läuterung durch Feuer, Sentenzar, und genau das bin ich bereit ihm im Zweifelsfall zukommen zu lassen."
"Dann tu das. Geh zu ihm." Er blieb hart, blickte ihr in so unwirschem wie unbeugsamem Grimm entgegen - schlussendlich überging er ihre weiblichen Einschränkungen gänzlich, denn er befand sie für nebensächlich. "Mach ihn von mir aus fertig, es ist mir scheißegal. Solange du ihn in einem Stück lässt, damit er eine brauchbare Waffe in dem heiligen Krieg bleibt, der uns bevor steht." Knapp musterte er sie dabei, obwohl er wusste was er sehen würde. "Vielleicht ist das dein Anteil an dieser Sache, zusätzlich zur Mehrung der Armeen der Zukunft. Aber verschwende nicht länger unsere Zeit mit diesem Gezänk. Du weißt, dass ich Recht habe."
"Wenn ich ihn mit Feuer läutere, wird Nichts mehr von ihm übrig sein, außer einem Haufen Asche." Es überraschte ihn minimal, dass sie die Worte trotz Kontext eindeutig nicht sprichwörtlich meinte. "Aber gut. Wir werden nicht mehr darüber streiten." Sie wischte das Thema mit einer harschen Handgeste fort. Der Zorn aber blieb, sichtlich - das konnte er respektieren.
"Du wirst wissen, was angemessen ist... Ich zähle darauf." Lange Sekunden hielt er den Blick bei Mavey und verbarg die Drohung nicht, die mit den Worten einher ging. Dann wandte er sich dem Waffenschrank zu. Die Kettenhauberke seiner Rüstung rasselte unter den stählernen Platten. Er begann bereits damit, die Halteriemen der Panzerung mit geübten, aber dennoch umständlichen Griffen zu lockern. Das Thema befand er für beendet und konnte nur hoffen, dass Balthasar ihr die richtigen Eingebungen schenken würde. "Triff mich in einer halben Stunde wieder. Das Training muss fortgesetzt werden." Kurz stockte er. "Oh, und... wenn du zu ihm gehst, sag' ihm Nichts davon, dass wir seinen Keller beansprucht haben. Das übernehme ich lieber selbst."
"Sicher.", war das Einzige, was man zu all dem noch von ihr hörte. Der Kriegshetzer folgte ihrem Weg zur Tür mit den Augen, während er sich die Panzerhandschuhe von den Armen zog. An der Art, wie sie ihre Schritte setzte, sah er der schwangeren Ordensschwester an, dass ihr Hass auf seinen Ausbilder noch genauso heiß schwelte wie zu Beginn des Gespräches.
Später, als sie die Vorbereitungen für den Dschungel fortsetzten, nahm sie ihn so hart ins Training, dass er in Folge minutenlag kaum mehr zu Atem kam. Noch bevor er schließlich die Nachtruhe antrat, musste er sich fragen, ob er sich heute einen schrecklichen Feind gemacht hatte.
((Dies ist ein Auszug aus dem Rollenspiel und eine Antwort auf > diese < Geschichte.))
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