Leise knarrend öffnete sich die Tür zum Speicher. Die Insassin wusste, wer kam, denn die Geräusche seines Nahens hatten sich allzu deutlich auf dem Weg durch den Keller hin angekündigt. Dort saß sie, zusammengesunken zwischen Vorratskisten und Säcken voller Kartoffeln und Erbsen, ein Häufchen Elend. Die Knie bis unters Kinn gezogen, darum die gefesselten Hände mittig geschlungen, hockte sie in einer Ecke an der Wand. Dem unheilvollen Häscher sandte sie ein verzweifeltes Lächeln entgegen. "Heeey Priester, schön Euch zu sehen.."
Der Versuch war fruchtlos. Ein riesiger, in roten Stahl gehüllter Arm griff zur Seite an die Klinke der Tür, um diese genauso langsam wieder ins Schloss zu ziehen, wie er sie geöffnet hatte. Der kurze, schwache Lichteinfall erlosch wieder. Es gab kein Fenster. Sie waren im Dunkeln.
"Ich möcht' Euch nur ma' an bessere Zeiten erinnern, he.", stammelte die junge Frau drauf los. Sie konnte den gepanzerten Riesen nicht länger sehen, höchstens seinen gewaltigen Schemen aufragen erahnen, obwohl er nur wenige Meter entfernt stand. Und sein Starren spüren. "Wisst Ihr noch als Ihr mich nach Hause brachtet? War recht betrunken, aber Ihr habt Euch um mich gekümmert, hm?" Nach kurzem Stocken versuchte sie es weiter. "Oder.. Oder als Ihr in der Gossenkloppe für mich antreten wolltet, schade dass der Krieg dazwischen kam, was?"
Klaffendes Schweigen erfüllte den Raum.
"Dronon, Ihr kennt mich.", versuchte sie weiter, sich herauszureden. Furcht und Lüge troffen aus jedem ihrer Worte. "Ich bin 'ne Taschendiebin, 'ne Straßengöre. Die zwei da draußen irren sich! Bin zu sowas doch wirklich nich' fähig, eh-"
Zwei schwere Schritte krachten metallisch und dumpf über den Boden des Speichers, dann war die kolossale Gestalt heran. Grobe Finger gruben sich gewalttätig in den zerzausten Irokesenschnitt der Gefangenen und rissen sie daran in den Stand hoch, dass sie aufschrie. Zwei flammende Punkte puren Zornes erwachten plötzlich in der finsteren Leere, direkt vor ihr. Augen, die brannten und ein sachtes, feurig gelbes Flackern über klobige, fein narbengespickte Züge wogen ließen, tiefe, gespenstische Schatten zogen. Der Dämon eines Gesichtes, das nur eine Frage kannte: "WO IST DER HAMMER?"
Ihr schmaler Körper versteifte sich in Panik, als erhitzter Atem ihr auf erschreckend kurze Entfernung entgegen schlug. Sie brach so schnell, dass er garnicht erst richtig anfangen musste. "BEI DEN MINISTERIALEN!", keifte sie in schrillem Entsetzen, während die monströse Visage vor ihr die Zähne fletschte wie ein Bluthund Balthasars selbst.
Es tat ein klangvolles Schaben von Stahl. Eine Klinge wurde gezogen und ruhte bald schon unter den Fesseln an den Handgelenken des Opfers. "Lügt mich nicht an, oder Ihr verliert sofort Eure Diebesgriffel."
"Ich ~lüge~ nich'-", stotterte sie weiter. "Hab ihn vom Gerüst aus gestern in den Garten der Rurikhalle geworfen, Velun hat ihn gefunden! ...Priester, bitte!" Die scharfe Schneide des gedrungenen Schwertes drückte sich fester gegen ihre Haut, würde sie bald schon aufschlitzen. Tränen liefen die Wangen der jungen Frau hinab, nässten das Gesicht ein und troffen schließlich bis auf ihre Kleidung herab. "Er.. er ist in der Rurikhalle, Herr!"
In zischenden Schlieren verging das Feuer, gab in letztem Flackern eine Ahnung der dunkelbraunen Iriden frei, die wahrhaft darunter lagen. Dann ward es wieder finster in dem beengten Raum. "Ihr habt nicht nur mich bestohlen..", grollte die dunkle, mitleidslose Stimme, "..Ihr habt Sakrileg am Eigentum der Kirche begangen."
Ihr Wimmern, ihre Beteuerung vieler Spenden, mit denen sie sich prompt zu rechtfertigen trachtete, hätten ihm egaler nicht sein können. Ein animalisches Knurren zerriss ihre vorgebliche Reue in der Luft, während er sie harsch bei der Schulter packte, herum riss und mit der Visage gegen die Wand drückte, um sie einen Augenblick lang zu fixieren. Ob der groben Behandlung wich dem zierlichen Mädel hörbar die Luft aus den Lungen.
"Schätzt Euch glücklich, Gotteslästerin, dass ich Gerechtigkeit sehen will. Es wäre mir eine Freude, Euer Urteil selbst auszutragen."
Doch das tat er nicht. Der Priester führte Talianna Link ab, ohne ihr weitere Gewalt anzutun.
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