Das Feuer
Das Feuer loderte, die Schreie aus dem Inneren des brennenden Gebäudes hatten alles Menschliche verloren. Wer es bisher nicht hinaus geschafft hatte, war zu einem grausamen Tod verdammt.
Hilflos standen Seraphen und Bürger um das brennende Anwesen. Einige trugen Eimer. Vergebliche Versuche, eine Kette bis zum nächsten Brunnen zu bilden. Doch das Wasser verdampft nur zischend und die Flammen drohten auf die umstehenden Gebäude überzugreifen.
„Sorgt dafür, dass die benachbarten Häuser nicht anbrennen!“, bellt ein Seraph seinen Leuten zu, „Diesem Pack weint ohnehin niemand nach... Ein paar Ratten weniger in der Stadt...“
Erst als das Gebäude, ehemals Hauptsitz des Dorogon Kartells, bis auf die Grundmauern niedergebrannt war und den gierigen Flammen keine Nahrung mehr boten, lichtet sich der schwarze Rauch und offenbart das Ausmaß des Feuers.
Feraan war in die Jahre gekommen. Er stand neben seinem Herrn. Obwohl Elyzabet sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie, dass Bluthund nicht glauben konnte, nicht glauben wollte, dass dies alles sein sollte, was von seinem Zuhause übrig war.
Von den verkohlten Steinen stieg noch immer Rauch auf und wurde eins mit der Morgenluft, die erfüllt war vom Geruch des verglimmenden Feuers.
Das Haus Dorogon war bis auf die Grundfesten niedergebrannt.
Der Hund sah sie, erkannte sie und bellte nicht, als sie näher kam. Bluthund wendete sich zu ihr um.
„War Mirage...“, die Silben wogen schwer auf ihrer Zunge, die Stimme verweigerte ihren Dienst.
Der Alte sah Elyzabet an und brauchte einen Wimpernschlag zu lang für seine Antwort, die nur ein Kopfnicken war. Grenth und das Feuer waren also schneller gewesen als die Rothaarige.
Das Blut rauschte unerträglich heiß in ihren Adern. Sie watete durch die qualmenden Überreste zu der Stelle im Erdgeschoss, die einst die Kammer der beiden Mädchen war.
Ihre Hände strichen über geschmolzene Ziegel, wühlten sich durch Asche, ertasteten, was von den Dielenbrettern übrig war und unter all dem Ruß gruben sie die metallene Kiste hervor. Die Schatzkiste, die schon einmal ein Feuer überstanden hatte. Sie bemerkte nicht einmal, wie ihre Finger zitterten, als sie das Kästchen zu öffnen versuchte.
Ein Schleier aus Tränen raubte Elyzabet die Sicht. Erst war sie sicher, dass es nur die natürliche Reaktion auf den beißenden Nebel war, der sich über der Ruine ausbreitete. Aber dann spürte sie, wie der Kloß in ihrem Hals immer größer wurde. Als das Kistchen offen in Elyzabets Händen lag, brach der Schmerz sich Bahn. Sie starrte auf die Schätze ihrer Kindheit und glaubte, Mirages glockenhelles Kinderlachen an ihrem Ohr zu vernehmen. Dieses Lachen aus einem zahnlückigen Mund, das Jahr für Jahr dunkler wurde, bis Mirages Lippen nur noch zwei strenge Linien waren, die immer seltener den Blick auf ihre Zähne freigaben.
Zwei Glasperlen, ein Armband, eine Schleuder, die Puppe Mimi und der Lumpencharr Feraan... Elyzabet ertrug den Anblick dieser Kleinodien kaum und konnte ihre Augen doch nicht von ihnen abwenden.
Deutlicher als je zuvor wurde dem Rotschopf bewusst, dass diese Kindheit zu Ende gegangen war. Diese glücklichen Jahre wurden einfach wie der Rauch über der Ruine fortgeweht.
Sie nahm das Armband heraus und schloss den Deckel. Ihre Finger wühlten Asche und Schutt zur Seite, gruben sich tief und tiefer in die Reste des Fundaments. Elyzabet wusste nicht, wie lange sie auf den Boden hockte und scharrte. Es war ein mechanischer Vorgang. Ihre Hände bewegten sich losgelöst von ihrem Verstand. Sie starrte auf das immer größer werdende Loch. Dann ließ sie das Kästchen in den kleinen Abgrund sinken und bedeckte es wieder mit Erde und Asche.
Als die rothaarige Frau an Bluthund und Feraan vorüber ging, nickt der alte Mann ihr nur zu.
Sie wusste, dass er die anderen Überlebenden des Hauses Dorogon in dem Glauben lassen würde, dass auch sie in den Flammen der letzten Nacht zu Grenth gefunden hatte.
Intro
Es gibt zwei Sorten von Ratten
Die gemeinsame Kindheit mit Mirage
Ein Tag wie jeder andere
Geburtstag
Seraphen und andere Probleme
Der neue Klingenmeister
Weil sie uns niemals kleinkriegen werden
Henry von Greifenstein
Das Ende der Freundschaft zu Mirage
Blut
Wir. Töten. Diese. Ratte.
Kein Feuer so heiß *Spoilerwarnung*
Das Feuer
Erinnerungen