Jamie musste sich eingestehen, dass er das Lächeln sehr mochte. Es war absolut hinreißend und zog ungefragt in seinen Bann. Selbst jetzt, im Spätsommer ihres Lebens, hatte sie sich eine natürliche Schönheit bewahrt. Insgeheim fragte sich der Maler, wie seine beinahe doppelt so alte Begleitung wohl in der Blüte ihrer Jungend ausgesehen haben musste. Seine weichen Lippen zeigten ein sinnliches Lächeln. Die Finger mit den ihren verschränkt, führte Jamie seine brünette Begleitung auf die Zinnen des Turms. Diese Stelle hatte er vor einigen Jahren immer genutzt um sich zurückzuziehen, dem Lärm und Gepolter zu entfliehen, um Zweisamkeit zu genießen oder Frauen zu beeindrucken.
„Götter, mein Mann wird mich umbringen.“ Lachend schmiegte sich die Frau an den jungen Körper. Ihre Worte tauchte sie in gleichgültigen Schalk, unwissend welche Ironie sie tatsächlich verbargen. Die streichelnden Hände betörten ihre Sinne, der süßliche Geschmack eines innigen Kusses auf ihren weichen, roten Kissen schenkte der Frau ein längst vergessenes Gefühl von Schwerelosigkeit, Freiheit und erinnerten an eine längst vergessene Jugend.
Moral, Empathie, Skrupel. Diese Dinge fanden keinen Platz im Leben eines Assassinen. Nach diesem Credo wurde Jamie stets gezüchtigt, bis er es ungefragt als bare Münze hinnahm. Tatsächlich kannte er die fremde Frau kaum. Ihr aufzulauern, war nicht schwer, sie für ihn zu begeistern gar noch leichter. Seine flache Hand berührte ihre Brust. Unter dem warmen Handteller konnte er mühelos das schneller schlagende Herz ertasten. Völlig in der Leidenschaft gefangen, bemerkte sie nicht den im Mondlicht glänzenden Stahl. Viel zu schnell, ging die Bewegung von statten. Ihr Körper sperrte sich für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er in den kräftigen Armen erschlaffte. Der Blick gebrochen, schmiegte sich ihre noch warme Wange gegen die seine.
Warum der eigener Ehemann ihren Tod wünschte, wusste der Assassine nicht, es war für ihn auch nicht von Interesse. Langsam befreite Jamie die Scheide seines Dolches aus ihrem Leib. In einer unendlich sanften Berührung, strich er der Frau mit dem Daumen über die Wange, ehe der Schwarzhaarige ihren Körper freigab und dem freien Fall - den Gesetzen der Gravitation folgend, überlies.
Die braunen Augen pendelten sich im unscheinbaren Glanz des Mondes ein. Die Nacht war noch jung. Aber erst galt es, das vereinbarte Gold einzustreichen.