Noch nicht angekommen

Regen drückte den meisten auf das Gemüt. Er sorgte dafür das sich Menschen in ihre Häusern verbargen und von ihren Fenstern nach draußen schauten, in der Hoffnung das die Sonne bald wieder scheint, doch die dicken Wolken, welche Götterfels gerade umgaben, deuteten wohl auf einen längeren Schauer hin. Die Lider des Jungen Mannes schlossen sich und verdeckten die Himmelsblauen Augen, verbargen sie vor der Welt, während dicke Regentropfen an die Scheibe der Unterkunft prasselten.


Ein Blick nach draußen gewagt, konnte man erkennen wie sich das Regenwasser an den Seiten der Straße sammelte, nur um kleine Bäche zu bilden und weiter zu fließen. Es war als wollte man die Stadt vom Blut rein waschen welches in den letzten Wochen nur zu oft geflossen ist. Dean Warkallen, James Growl, Grotes, Deckert, Horton, Zick, Fischer und noch so viele andere Kameraden und Freunde waren gefallen. Und wofür? Für nur noch mehr Blut was in Götterfels vergossen werden sollte. Eine öffentliche Hinrichtung. Sind meine Freunde dafür gestorben? Haben wir dafür unser Blut vergossen ? Damit sie sich nur noch mehr holen können? Diese Hinrichtung war eine Farce, ein Schauspiel um die Massen zu beruhigen um ihre Blutgier zu stillen. Jeder der da war hätte sich lieber ein Schlachtfeld ansehen sollen. Dort gab es genug Blut, Gedärme und Tod. Ich konnte nicht bleiben, ich konnte nicht noch einen Toten sehen während die Massen ihn alle begafften als wäre es schön jemanden beim Sterben zuzusehen.


Ist das das Götterfels wofür ich gekämpft habe? Sind die Leute besser als der weiße Mantel der nach Opfern forderte und nun tun es die Menschen in der Stadt? Was unterscheidet sie nun noch vom Weißen Mantel? Nur noch die Farbe, denn die Grausamkeit haben sie schon längst angenommen. Sie hätte alle weiße Roben tragen können und keiner hätte den Unterschied zwischen Königstreu und Verräter mehr gemerkt. Alle waren sie da, starrten auf den Mann der getötet werden sollte. Nur eine hatte den Mut etwas dagegen zu sagen, zu tun, doch keiner hörte auf sie und ich ließ sie ihren Kampf alleine gegen diese Ungerechtigkeit führen, ich habe nur zugesehen und bin gegangen ehe das Opfer auch nur den Platz erreichte, ich konnte es mir nicht ansehen, noch einen Toten, noch mehr Blut. All die Seraphen sind umsonst gestorben. Wir haben die Verräter getötet und während wir unser Leben ließen haben sich die Menschen der Stadt in das Blutrünstige Vieh verwandelt was wir bekämpft haben. Aus den Schafen die wir schützen sollten sind Wölfe geworden, Wölfen denen es nach Blut verlangt und die sich damit rechtfertigen wollen das sie doch anders sind, das sie besser sind. Sie versuchen sich hinter ihrer Moral zu verstecken das sie doch nur ein Monster getötet haben, doch was unterscheidet sie jetzt noch von dem Monster? Ein Monster tötet, sie haben getötet. Die Menschen wurden zu dem was sie verachteten und sind damit nicht besser als der weiße Mantel selber. Sie legen sich den Mantel der Unschuld an, das sie das richtige getan haben und fühlen kein Mitleid.


Man sagte mir das es notwendig ist, das ich töten muss, aber ich weiß wen ich getötet habe. Ich tötete Menschen, Frauen, Männer, Söhne, Töchter, Väter, Onkel, Neffen, Nichten, nahm Eltern ihre Kinder weg, tötete Ehefrauen und Ehemänner. Ich habe keine Verräter getötet, ich habe Menschen getötet. Es ist egal wie man es dreht und wendet, jeder ist ein Sohn oder eine Tochter von jemanden, jeder Mensch hat Träume und Wünsche die er sich erfüllen will. Es ist egal ob diese schlecht oder gut sind. Ein Leben ist ein Leben und ich habe es genommen um anderes zu bewahren, aber ich fühle mich dadurch nicht besser. Ich weiß nicht mal wie ich nach draußen gekommen bin. Nun stehe ich hier während der Regen mein Gesicht bedeckt und an mir herab rinnt. Die Kleidung wird schwerer während sich das Wasser durch die Kleidung frisst. Mein Wunsch das ich das Blut abwaschen kann was an mir klebt, bleibt unerfüllt und ich merke die Last der Toten auf mir, ihre Gesichter. Ich habe ihnen das Leben genommen, ich habe anderen ihre Liebsten genommen. Es gab schon genug Tot und jetzt geht es in der Stadt weiter. Wie viele müssen noch sterben ehe es alles wieder gut wird, ehe der Hunger nach dem Tod gestillt wurde? Ich kam nach Götterfels um die Menschen zu schützen, um jene zu verteidigen die sich nicht wehren können, doch sie alle sind nur Blutrünstige Monster die sich in ihren Gruben versteckt hielten, bis sie einen Grund hatten zu töten.


Warum haben sie nicht an unserer Seite gekämpft? Warum sind sie nicht mit uns gestorben? Warum mussten Gute Menschen sterben damit sie Leben können? Ich sehe die Leblosen Gesichter meiner Kameraden, das tote Mädchen in meinen Armen und ich frage mich, warum musste ich das alles ertragen nur um in eine Stadt zu kommen deren einziger Wunsch es ist noch mehr zu töten? Ist sie es wert noch verteidigt zu werden? Sind die Menschen es wert das die Seraphen für sie sterben? Ich möchte es glauben, ich will glauben das es in den Menschen noch etwas gutes gibt, das sie erkennen das es heißt auch verzeihen zu können, das der Tod eines einzigen Menschen nichts ändert, aber dafür das Leben selber. Ich will diese Stadt nicht aufgeben und auch nicht ihre Bewohner, egal was sie getan haben, am Ende will ich Glauben das sie gerettet werden können.


Ich musste sie zurücklassen, ich musste gehen, nun sehne ich mich nach ihr. Ein Blick, ein Lächeln, eine Berührung hätte jetzt in diesem Moment ausgereicht und ich hätte gewusst wofür ich das alles hier mache, wofür ich kämpfe, nur ein kleiner Teil von ihr und mein Mut wäre wieder zurückgekommen. Am Ende war sie nicht nur ein Wegweiser, oder jemand zu dem ich aufschauen konnte, sondern jemand der mich erfüllt, jemand der mir Kraft gibt weiter zu machen. Erst jetzt wo ich allein hier stehe, merke ich wie viel sie mir bedeutet. Ob sie es gut gefunden hätte das der Mann hingerichtet wurde? Wäre es ihr egal gewesen? Oder würde sie mir sogar zustimmen? Ich hoffe sie kann mir die Antworten geben nach denen ich suche. Ich vermisse sie.


Ich bin hier in der Stadt, aber ich bin immer noch nicht angekommen, noch nicht.

Kommentare 4

  • Finde schön/interssant wie trotz aller bitteren Erkenntnis noch die Samuelsche Naivität in Form von wütenden Verallgemeinerungen Platz findet.

  • Eine Sichtweise, die zum Nachdenken anregt, aber auch zeigt, dass ein Krieg nicht nur in Schwarz und Weiß unterteilt werden kann. Es ist schön zu sehen, wie sich der Charakter entwickelt, kritischer wird, nicht nur im Bezug auf sich selbst, sondern auch auf seine Mitmenschen. <3

  • Die ist super! Ein wunderbar erdrückender Einblick in die Wahrheit und Gedanken zum Krieg. In den Wandel eines jungen Soldaten, auf den das Leben langsam abfärbt und der zu begreifen beginnt. Sam tut mir ein wenig leid irgendwie :/