Finstere Nacht ist es noch. Wenige Stunden verbleiben, bis der Morgen graut und das Leben sich in der Hütte regt. Allein der Schein von Fackeln wirft sein Licht flackernd auf die Möbel und die Lager, in welchen Norn – Weib und Kerl – zum Großteil, tief und fest schlafen. Goldenes Feuer wirft schwarze und bizarre Schattenbilder an die Wände und den Boden, lässt ein fast unheimliches Bild entstehen.
Auf den Fellen eines Lagers sitzt schemenhaft eine Norn, gekrümmt vor Schmerzen und mit verzerrtem Gesicht. Nur ein kurzer Moment, in welchem sie wachte – fast schon wieder eingeschlafen war – und doch noch immer wacht, denn der stechende Schmerz riss sie vor einer ganzen Weile aus dem Halbschlaf. Fest beißt sie sich auf die Unterlippe und unterdrückt den Laut, der gerade aus ihrem Mund dringen will. Tief atmet sie durch. Einmal...zweimal... auch noch ein drittes Mal und nickt dann langsam.
Die roten Locken rutschen zerzaust über ihre nackten Schultern, zittern eine kurze Weile noch, nachdem sie sich aufgerichtet hat, umrahmen schließlich wild das blasse Gesicht. Vorsichtig lässt sie Wolfskopf und Rabe auf das Fell gleiten und streicht mit den Fingerkuppen einer Hand darüber.
Jede feine Linie, die in das Holz geschnitzt wurde, um daraus einen Raben entstehen zu lassen, der mit ausgebreiteten Schwingen auf dem Fell liegt und wartet. Jede feine Linie zieht sie mit den Fingern nach.
Die Hand schweift hinüber und sacht legen sich die zitternden Kuppen auf den Wolfskopf. Zur Hälfte ist er verkohlt und für einen Moment zieht sie ihre Finger zurück, als hätte sie sich verbrannt. Dann legen sie sich jedoch wieder darauf und streichen über den Übergang zwischen lediglich verrußtem und stark verbranntem Horn.
Mit einem lauten Keuchen presst sie ihre Hand zu der Anderen auf ihren Bauch und schluckt schwer. Verständnislosigkeit macht sich im Blick breit, der Schmerzverzerrter nicht sein könnte. Ein leises Wimmern dringt hervor, ehe sie tief Luft holt und diese mit einem leisen Brummen heraus lässt. Darauf ruckt ihr Kopf schnell nach links, wandert mit dem Blick über den Norn, der dort unter den Fellen ruht. Langsam zieht sie eine Hand von ihrem Bauch und schiebt sie unter das Fell auf das Bein des Kerls, der wohlige Wärme ausstrahlt. Und nur einen Moment lang drückt sie ihre Fingerkuppen fester in seine Haut, so lange bis auch diese Schmerzwelle über sie hinweg gespült ist, auf die sie leise und erleichtert seufzt.
Noch einmal zieht sie ihre Hand zurück und greift nach dem hölzernen Raben. Direkt darauf greift sie in ihren Ausschnitt, muss auch nur kurz suchen, ehe sie einen kleinen Ast hervorzieht, der deutlich mitgenommen wirkt. „Passt irgendwie ganz gut, grade.“ presst sie hervor und schiebt den Ast, an dem kaum noch von den rosa Blättern hängen, zwischen den Raben und das Lederband, welches um diesen gewickelt ist. Sie hebt die beiden Amulette auf und streckt sich etwas über das Lager, legt sie auf der Kommode ab, die sich am Fuß des Bettes befindet. Wieder streichen ihre Finger darüber und mit einem weiteren Seufzen, lässt sie sich zurück auf das Fell sinken, schiebt sich darunter an den warmen Körper, der sich nun langsam regt, als wäre die Abwesenheit des deutlich kleineren Körpers bewusst gewesen. Kräftige Arme umschlingen sie haltend, und heiß drängt sich der nächste Atemzug des Norn in ihren Nacken und mit ihm dieser unterschwellige Geruch von Bier, Brand und Kräutern. Sie zieht die Brauen zusammen und blinzelt kurz. Kräuter...? Seufzend dreht sie dann den Kopf etwas, um sich zu vergewissern, dass er noch immer schläft. Und trotz des erneuten stechenden Schmerzes, der durch ihren Bauch zuckt, verzieht sich ihr Mund zu einem Lächeln als ihr ein müder Blick aus maronenbraunen Augen begegnet. Einige Momente lang hält sie ihn, bis der Schlaf den Norn doch wieder einholt und sich dessen Lider langsam schließen. Vorsichtig zieht sie dann ihre Beine an und rollt sich auf die Seite, schmiegt sich mehr in die zärtliche Umarmung. Fest legt sie ihre Hände auf seinen Arm, der um ihren Bauch geschlungen ist und schließt die Augen...