„Lass mich runter!“ „Halt den Rand, Kassis.“ Dogrem atmete tief aus und zog die Brauen herunter, als ihm der penetrante Gestank von kaltem Blut in die Nase stieg. Seine Schritte hallten durch die Gänge der Katakomben, die immer noch einige Spuren des letzten Eindringens aufwiesen. „Jetzt lass mich endlich runter, ich muss nach meinen Tieren sehen.“, grummelte Kassis, den der Aufseher dezent auf der linken Schulter trug, als sei er nicht mehr als ein Sack Kartoffeln. Mit einem brummenden Laut ließ er ihn dann doch fallen, woraufhin der Kultist sich am Boden abrollte und sogleich um die nächstbeste Ecke verschwand. „Elendiger Knilch.“, grummelte er und ging um einiges schneller weiter, nur um sich suchend mit verengten Augen umzusehen, bis er nach einigen weiteren Gängen und Türen schließlich die Personen fand, die er suchte. Sennis und Ritam. Zu seiner ehrlichen Verwunderung war das rote Ungeheuer mal in eher zivil anmutender Kleidung unterwegs, statt in der übermäßigen Rüstung. Die beiden keiften sich gerade in einem Vorbereich zu den Übungshallen an, was so einige Schaulustige dazu aufgefordert hatte sich nicht unweit von ihnen zu versammeln und dezent zu beobachten. Einer kam ihnen dabei wohl doch zu nah und kleisterte mit seinen Innereien nun die nahe Wand sowie auch die Decke aus. „Ach daher der Geruch.“, murrte der Attentäter, woraufhin die beiden verstummten und zu ihm sahen. Sein bloßes Erscheinen war offenbar Argument genug, dass sich die Menschentraube doch auflöste und sich in die Gänge verteilte.
„Ich weiß, dass ihr beiden euch auf den Tod nicht ausstehen könnt, aber wir sind hier alle in der selben Bemühung beteiligt und man sollte sich mehr aushelfen, als versuchen sich gegenseitig umzubringen.“, brummte Dogrem in seine rechte Hand rein, mit welcher er sich soeben durchs Gesicht wischte. „Damit habe ich kein Problem.“, erläuterte Ritam äußerst sachlich und hielt, wie die anderen beiden, die Arme vor der Brust verschränkt, während man in einem Dreieck stand. „Sie ist die einzige Person hier, die einen Terz aus einer längst vergangenen Situation macht und dafür sorgt, dass wir keinen Schritt vorankommen.“ Der Aufseher ließ die Hand wieder sinken und sah mit zusammen gezogenen Brauen zu Sennis hoch, die das kantige Gesicht zu einer wilden Grimasse verzog und Ritam mit gefletschten Zähnen entgegen starrte, als würde sie ihm jeden Moment die Visage vom Schädel reißen. „Und das nur, weil ich ihr Kind damals verflucht habe.“ Äußerst langsam drehte Dogrem sein Haupt und sah ziemlich distanziert zum zweiten Mann in der Runde, welcher zu seiner Rechten stand. „Wie war das?“ Ritam hob seine schmalen Schultern ein Stück an und sprach in einer derartig legeren Stimmlage weiter, als wäre die ganze Geschichte keine große Angelegenheit. „Sie hat mich vergewaltigt und vier Jahre später habe ich ihr Kind eben verflucht, damit waren wir wieder quitt.“ Sennis gab ein tiefes Grollen von sich und spannte die Arme an, was dafür sorgte, dass das fleischige Gewebe von nur noch mehr aufquellenden Adern durchzogen wurde. Der Aufseher hingegen blinzelte träge und ungläubig. „Wie soll eine Frau einen Mann vergewaltigen?“ Ritam bedachte den Attentäter mit einem Blick aus dämmrig verengten Augen. „Lass dir die Arme und Beine brechen, dann will ich sehen wie DU dich dagegen wehrst.“ Dogrem lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als ihm daraufhin schlagartig bewusst wurde was für ein Monstrum gerade neben ihm stand und was dafür sorgte, dass er tatsächlich vermehrt zu Ritam aufschloss, nur um einen Augenblick später den Blick mit Sennis zu kreuzen, die ihre Augen stark verengt hatte. „Mit Verlaub, Sennis. Aber das wird mich jetzt nicht dazu bringen wieder näher zu dir zu gehen.“, murmelte er etwas atemlos, räusperte sich dann und atmete doch nochmal auf. „Was mich aber, auch wenn es gerade rein gar nichts mit der Sache zu tun hat, vor die Frage stellt..“ Etwas legerer deutete er zwischen den beiden her. „Was für eine Ausgeburt der Unterwelt ist euch beiden entsprungen?“ Ein Moment der Stille herrschte vor, in welchem sich die beiden Kultisten mit mörderischen Blicken taxierten, bevor die Aufmerksamkeit aller drei gefordert wurde, die daraufhin den Gang entlang sahen. Unter leise patschenden Geräuschen trat einige Meter weiter ein Lindwurm halb ins Sichtfeld und leckte sich über die Lefzen, nur um ganz einzutreten und wieder stehen zu bleiben. Auf seinem Rücken saß Kassis, der sich so platziert hatte, um die gesamte Zeit nicht den Hinterkopf des Tieres sondern dessen Schweif betrachten zu können. Das riesige Reptil stapfte dann doch unbeirrt und recht gemütlich weiter, zog den Kultisten mit, der offenbar die Blicke der anderen realisierte und aufsah. Schritt um Schritt des Tieres wurde er mehr hinter die nächste Ecke gezogen, lehnte sich allerdings doch nochmal vor, um den Blick länger auf sie gerichtet zu halten und winkte noch einmal rüber, bevor er dann doch in den nächsten Nebengang hinein verschwand. Einen Augenblick passierte überhaupt nichts, ehe Dogrem zu realisieren begann und er äußerst tief ausatmete. „Das erklärt einiges.“
„Noch einmal von vorne.“ Ritam sah stirnrunzelnd zu Dogrem und auch Sennis hatte ihren Fokus die darauffolgenden Minuten auf den Attentäter gerichtet, der es schaffte mit einem neuen Thema die gesamte Situation zu lockern. „Wir waren in der Hauptstadt.“, begann er dann und deutete beiden mit einer beschwichtigenden Geste seiner rechten Hand an ihm nicht ins Wort zu fallen. „Jacob konnte den Mesmer ausmachen, ich konnte meinen Dolch zurück holen.. wir folgten ihm dann hinaus und versuchten uns an einem Hinterhalt, der allerdings in die Hose ging, als wir plötzlich vor diesem verkrüppelten Zaishen standen, der uns seine Geisterwaffen auf den Hals hetzte.. wir vermuten stark, dass sie sich in der Nähe des Herzwaldes aufhalten, da dort auch eines unserer ehemaligen Lager noch einmal nachträglich vernichtet wurde.“ Etwas unsicher sah er dann zwischen den beiden her, als würde er anzweifeln, dass die Kurzfassung bei den beiden nun Anklang finden würde. Doch die beiden nickten bestätigend. „Gut und was war das nun mit der temporären Trennung?“, hinterfragte Sennis, woraufhin der Aufseher einmal aufatmete. „Der Krüppel und dieser Neuzugang sind nun auf dem Weg in die Hauptstadt zurück, es gibt ein gänzlich neues Gesicht laut Jacob, aber wir gehen nicht davon aus, dass er für sie Hilfe oder für uns eine Gefahr darstellen wird.. ein Novize von diesem Priester.“ Ritam war es nun, welcher blinzelte. „War Kassis nicht darauf dem Kerl das Leben schwer zu machen?“ Dogrem winkte mehrmals ab. „Eins nach dem anderen.. wir müssen aufpassen, dass diese Idioten unserem Unterschlupf nicht zu nahe kommt, dann sind einige von uns noch darauf an einen neuen Hinterhalt zu stellen. Da könnt ihr beiden euch doch um den Rest kümmern, der gerade irgendwo lagert, oder nicht?“ Sennis und Ritam warfen einander mehrere Momente Seitenblicke zu, bevor von beiden ein bestätigendes Brummen erklang und sie zum Aufseher zurück sahen. „Keine schlechte Idee.“, schnaubte das rote Ungetüm, woraufhin vom vermeintlichen Illusionisten ein Nicken kam. „Machen wir das.“