Seit Stunden bereits ging er ihre letzte Unterhaltung durch, wiederholte sie laut vor sich sprechend und umkreiste seinen Gesprächspartner lauernd wie ein Geier, der nur auf den richtigen Moment wartete endlich das Aas zerpflücken zu können.
Der enge Raum lag in fast gängiger Dunkelheit, wies eine tiefe Decke auf und die Ecken waren vollkommen schwarz. Eine einzelne Teekerze stand mittig auf dem Boden und ließ mit einer zärtlichen Flamme zumindest etwas Licht in die Finsternis treten, diese ein Stück aufhellend. Doch nicht nur die Steinplatten wurden erhellt, sondern auch die Unterschenkel einer jener auf einem eckigen Holzstuhl sitzenden Person. Bequem weilte sie dort aus, die Unterarme auf den Armlehnen und die Haltung leger, der Rücken angelehnt. Ein amüsiertes Schmunzeln war vage zu erkennen, doch nicht mehr von ihrem Gesicht. Die Bekleidung war trotz der augenscheinlich entspannten Situation nicht mehr denn ein Hemd und eine schlichte Hose. Es handelte sich um einen Mann schlankerer Statur und eben dieser wurde soeben von Ritam umschlichen, der keine Sekunde den Blick auch nur angedeutet zu ihm anhob. Die Arme des Kultisten waren hinter dem Rücken verschränkt und die Schritte brachten ihn fast lautlos in immer wieder vollendeten Kreisen um den Sitzenden herum. „Du sagst es mir nicht..“ Leise wisperte die Stimme des Laufenden. Keine Antwort erklang von dem zweiten Mann, der reglos auf dem Stuhl saß und nur weiter amüsiert vor sich hinschmunzelte. „Du spielst mit mir, nicht wahr? Glaubst ich würde nicht offensiv werden.. würde mich nicht trauen..“ Das tiefe Durchatmen des blonden Mannes erklang zittrig und bebend, fast als wäre er jeden Moment von Schluchzen und Weinen gepackt worden. Stattdessen allerdings entkam ihm ein leises Kichern. Kurz nur erklang es und wurde dumpf von den Steinwänden zurück geworfen, ehe es wieder verstarb. „Viele Tage hast du diesen Vorteil für dich ausgenutzt, man hat es mir erzählt.. Du warst nicht dumm, wirklich nicht. Aber am Ende hatten doch wir die meisten Trümpfe.“ Er blieb zur rechten Seite des Sitzenden stehen und starrte nun doch mit erbostem Blick auf ihn herab. Der Stumme begann etwas mehr zu schmunzeln, doch kam noch immer keine Antwort zurück. „Du hast verloren.. alles, wofür die standest.. aber leider hast du es tatsächlich geschafft im Nachhinein zu gewinnen.“ Nun war es Ritam welcher schmunzelte und auch in seine Augen stahl sich jenes ehrliche Amüsement, bevor er sich vor dem Sitzenden tief verneigte, anbei er die Lider schloss. „Meinen Respekt dafür, mein werter Feind.“
Als das Holz der Tür plötzlich an die Steinwand knallte und die Illusion von Dunkelheit dadurch zerbrach, öffnete Ritam die Augen und sah auf das sitzende Skelett vor sich. Die Knochen reflektierten glänzend den aufkommenden Schein der Fackeln, die sich nach und nach zu entzünden begannen. Die Struktur war stark verwachsen, viele metallische Elemente waren dort stützend eingeschlagen und eingespannt worden und dennoch war alles beinahe restlos intakt. Zumindest soweit es vorhanden war. An den Füßen fehlten Zehen und auch die linke Hand hatte sowohl den Ell- als auch den Ringfinger einbüßen müssen. Den Brustkorb zierte eine gewaltige Kerbe, die sich über den linken Rippenbogen senkrecht bahnte und ihren Anfang eindeutig am Schädel selbst hatte, der ebenfalls linksseitig beinahe gespalten war. Die größte Auffälligkeit allerdings lag im Gesicht selbst, da dort canthanische Zeichen eingraviert waren die von Blut, Kriegern und einer Gottheit sprachen. Stumm grinste der Schädel mit teilweise ausgeschlagenen Knochenteilen und Zähnen zur geöffneten Tür hinüber in welcher Sennis stand. Diese, abermals in eher zivile Kleidung gehüllt, verengte ihre Augen verstärkt als sie das sah und starrte darauffolgend zum Kultisten. „Wie kannst du es wagen?“, toste sie ihm bellend entgegen. Ritam schnaubte leise aus und wandte sich ihr langsam zu, die Arme immer noch hinter dem Rücken verschränkt und sich, da sämtliche Illusionen zerfallen waren, nun ersichtlich in seinen Gemächern auffand. „Wie kann ich was wagen, meine Liebe?“ „Er war MEIN Gefangener!“ „Ja, ja.. er WAR dein Gefangener, Sennis. Im Nachhinein war es auch DEINE Idee mit ihm gewisse Dinge anzustellen und es war auch DEIN Vorhaben die nächsten Tage seiner Existenz zu einem Aufenthalt hinter Dhuums Türen zu machen, aber.. es war weder deine noch meine Idee ihn erst einzupferchen.“ Langsam zog er die rechte Braue hoch, während die beiden von Sennis nach unten wanderten. Dann schloss er seine Aussage ab. „Es war die Idee von Kassis.“
Kaum war der Name genannt worden, huschte bereits eine sich unnatürlich fortbewegende Gestalt knapp an Sennis vorbei in den Raum hinein, jedoch reagierte diese bereits. Die rechte Hand schnellte vor und packte ordentlich zu, ließ sogar ein lautes Reißen erklingen, als ob des Rucks einige Leinen zerfetzt wurden, die sie nun fest im Griff hielt. Ob dieses enormen Zuges beförderte es den Kultisten vornüber auf den Boden, bevor er aufgrund der Spannung noch etwas mehr in ihre Richtung geschliffen wurde. „Ich wollte doch nur mal schauen..“, nuschelte er leise, woraufhin Sennis ihre Brauen vermehrt runter zog und Ritam amüsiert schmunzelte, nur um blinzelnd aufzusehen, als Dogrem und Jacob just in diesem Moment an der Tür vorbei gingen, die zu Kassis herunter sahen. „Das muss ich mir merken..“, murmelte der Attentäter und blieb schlagartig stehen, als er den Abaddon-Kultisten bemerkte, der auf ihn zuging, allerdings vor dem liegenden Kultisten stehen blieb. „Ich möchte gleich mit dir sprechen, sobald ich die beiden hier eingeweiht habe.“ „Sehr wohl, Herr. Ruft mich, sobald..“ Er stockte und sah etwas starr an Ritam vorbei zum Skelett, nur um dem Kultisten wieder entgegen zu blicken, als dieser weiter sprach. „Es wird um deinen Bekannten und Freund gehen.. also halte dich bereit.“ Daraufhin wandte sich der blonde Mann um und ging gemächlich zum sitzenden Knochengebilde zurück, weswegen er nicht sehen konnte wie Dogrem kurz die Kiefermuskulatur anspannte. „Wie Ihr wünscht.“, entgegnete er dem schließlich, verneigte sich vor dem sich bereits abgewandten Mann und folgte dem Gang weiter, zu Jacob aufschließend. Kassis indes konnte sich derweil aus dem Griff des Ungetüms lösen und begann seine Leinen wieder in ihre alten Positionen zu schlichten, während Sennis ihre breiten Arme vor der noch breiteren Brust verschränkte. „Was hast du also herausgefunden, Ritam? Du wirst ihn nicht getötet haben, wenn du nicht zumindest eine Information aus ihm heraus bekommen hättest, die uns nützt und nicht nur.. nutzen kann. Was ist es?“ Kassis hielt sogleich inne und hob den verdeckten Blick abwartend zu dem Besitzer der Gemächer an, der neben dem Skelett stehen blieb und ihm mit einem leisen Knirschen den Schädel von den Halswirbeln hebelte. „Er wusste wirklich nicht wo das Relikt ist..“ Er begann dem knöchernen Gesicht entgegen zu grinsen, wie es das schon die gesamte Zeit tat. „Aber er wusste wer davon weiß.“
Vermeintliches Tagebuch
Heute haben wir uns aufgeteilt. Für mich geht es in die Stadt, für Sennis geht es in den Schnee und wohin Ritam geht weiß keiner von uns. Aber Dogrem darf auch wieder hinaus gehen und sich um seinen Freund kümmern - zumindest bezeichnete Ritam ihn so. Endlich geht es wieder los und ich werde dich NICHT MITNEHMEN!
Nicht Nina