Spiegel
Sanft geschwungenen Hügeln gleich hob sich die Silhouette unter dem dünnen Seidenlaken gegen den sternenklaren Nachthimmel ab. Alles verschlingende Schwärze breitete sich auf den weichen Kopfkissen aus und umrahmte wild feingeschliffene Konturen. Zwei strahlend grüne Seen blickten in die Nacht hinaus während sich im flackernden Kerzenschein erdbeerrote Lippen zu einem Lächeln formten. Viel zu weiß schien die Hand, die sich den Erhebungen näherte, die langsam den dünnen Stoff von dem Begehrten zog um es in aller Vollständigkeit zu betrachten. Einer Schlange gleich wand sich eine kleinere, dunklere Hand zwischen den Kissen hervor und sprach mit einer eindeutigen Geste die Worte aus, die nicht über die leicht geöffneten Lippen kamen. Leise raschelnd glitt das Seidenlaken wie eine vollständig eingerissene Mauer zu Boden und gab den Weg frei. Ein Mund, der sich öffnet um gebannt von der Magie des Moments frevelhafterweise etwas kund zu tun. "Ssssscht...."
Wie das Rauschen der See in den Ohren, hinausgetragen durch die weit geöffneten Fenster in die warme Nachtluft. Eine Einladung, die wiederholt wird, unmöglich, sie noch länger hinauszuzögern. Arme und Beine die empfangen, die fest wie Felsen umschließen und halten. Wogende, alles davon fegende Hitze. Gnadenlos brennendes Feuer, das nur kalte Asche zurück lässt.
***
Niemand erkannte den Teufel, der hinter dem hübschen Anlitz steckte. Niemand außer ihr. Sie ließ sich nicht täuschen von den Masken der Menschen, von den einladenden Lächeln oder den freundlichen Worten. Sie sah hinter den Schleier, sah das Hässliche im Hübschen, das Traurige in der Freude und den Tod im Leben. Den Tod, der sie ihr ganzes Leben lang schon begleitet hatte. Die strahlend grünen Augen die ihr entgegen blicken konnten sie nicht täuschen, denn sie waren wie Gift. Das tiefschwarze, seidigglänzende Haar konnte sie nicht ablenken, denn es war pechgefangene Dunkelheit. Die roten, leicht geöffneten Lippen konnten sie nicht verführen, denn sie bedeuteten Blut. Der Tod war wie ein Mantel, der sich um sie hüllte, schrecklich und schön zugleich. Er umpfing sie mit seiner Kälte und hielt sie warm. Er stieß sie in die Einsamkeit und gab ihr so Geborgenheit. Er ließ ihr Herz ersterben, damit sie aufblühte und lebte. Schrecklich und schön zugleich. Also blieb ihr nur eines: sie sah was andere nicht sahen und lächelte wie jeden Morgen dem hübschen Teufel im Spiegel zu.