Ein Auftrag

Ein Auftrag


(heute)


"eh verfluchte Grawlscheiße...!"

Alex schlug heftig den Deckel der Truhe zu, in der sie gerade herum gewühlt hatte, legte ihr Stirn darauf und atmete ein paar Mal tief ein und aus während sie das dunkle Holz anstarrte. Sie versuchte nun schon seid Tagen ihre Gedanken und Gefühle vergeblich irgendwie wieder unter Kontrolle zu bringen und das machte sie fast rasend! Sie war aus der Nummer in der sie sich hinein manövriert hatte natürlich nicht mehr hinaus gekommen also hatte sie versucht sich wohl oder übel mit ihrerSituation abzufinden und - wie immer - das beste daraus zu machen.Sie war mehr oder weniger regelmäßig zu diesem Hof gekommen, hatte sich an die Leute gehangen und bemüht, sie kennen zu lernen. Tatsächlich schien diese Nomja wirklich ganz nett zu sein und auchdie anderen waren oder schienen zumindest in Ordnung. Naja, alle bis auf diesen Kerl.


Alex seufzte noch einmal, richtet sich wieder auf und betrachtete die Kleider, die sie aus der Truhe befördert hatte. Sie hatte schon ewig nicht mehr solche Sachen getragen, Blusen, Röcke - kurz und lang - richtig feiner Stoff eben. Sie liebte ihren Ledermantel, ihre Hosen und ihre schweren Stiefel aber darauf würde sie fürs erste wohl erstmal verzichten müssen. Missmutig klaubte sie die Kleidungsstücke zusammen um sie zum Bett zu tragen und dort einzeln zu betrachten, ob es gesäubert oder irgendwo etwas genäht beziehungsweise geflickt werden musste. "Hast dich noch nicht wirklich entschieden Schätzchen..." hallte es in ihrem Kopf und knurrend boxte sie mit ihrer rechten Faust in ihr Kopfkissen, als die Erinnerung an den Abend, an dem die Worte gefallen waren, wieder in ihr hochkam. Dieser hinterlistige Kerl hatte sie doch tatsächlich noch einmal in die Mangel genommen und es geschafft, zielsicher seinen dreckigen, schmutzigen, verlausten Finger in ihre Wunde zu legen. Sie konnte es sich ja selbst nicht erklären warum es so war. Es war absurd. Total dämlich. Lächerlich. Unmöglich und völlig verrückt. Und trotzdem hatte er es geschafft, dass sie es ihm erzählt hatte...natürlich unter Tränen, was denn sonst...


Alexandra seufzte und sortierte die brauchbaren Klamotten auf einen Stapel, der Rest flog ans Fußende des Bettes, damit sie sich später darum kümmern konnte. Irgendwie hatte sie diesen unendlich peinlichen und erniedrigenden Abend überstanden...sie wusste nicht was in sie gefahren war, danach hatte sie doch tatsächlich gedachte, da würde vielleicht doch etwas nicht ganz so fieses in ihm stecken aber natürlich...hatte sie sich mal wieder getäuscht. Zwar hatte er zu seinem Wort gestanden, aber tagsdrauf hatte sie umgehend mitbekommen, warum das so gewesen war...Da die ganze Sache aber sowieso von vorne bis hinten bescheuert war hatte sie einfach versucht, sie abzuhaken. Sie hatte sich noch nie von jemandem abhängig gemacht und würde es auch nie tun!


Alexandra stand auf, legte den ordentlichen Stapel beiseite und musterte dann die Kleidungstück auf dem anderen noch einmal prüfend und genauer. Dann war allerdings diese Aufgabe gekommen, die ja auch so wichtig war wie es schien. Weil sie sich wirklich Mühe geben wollte - und weil dieser Kerl, verflucht sollte er sein, auch noch Recht gehabt hatte - hatte sie sich dazu entschlossen, mitzumachen. So schwer hatte die ganze Angelegenheit ja nicht geklungen, sie sollte einfach die Kontaktperson zu diesem reichen Schnösel sein. Und was war passiert bei dem Treffen, wo sie als eben jene vorgestellt werden sollte? Sie schnaubte und riss unsanft an einem nicht mehr ganz so festgenähten Knopf, so dass der Faden endgültig riss. Er hatte sie abgeschoben! Zuerst quetschte er sie aus, tat dann nett und so als verstehe er sie - aber in Wirklichkeit hatte er doch nur wie sie vermutet hatte die ganze Zeit mit ihr gespielt und sich über sie lustig gemacht! Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen durfte sie jetzt auch noch die Zofe für irgendsoeine reiche Schnepfe spielen und ihr wurde dies auch noch als wichtige Aufgabe verkauft.


Ohne Alexandras Zutun erschienen Bilder der Erinnerung in ihrem Kopf, wie es damals bei ihr zu Hause gewesen war, bevor sie sich aus dem Staub gemacht hatte. Die erste Zeit hatte sie als Dienstmagd gearbeitet und sich nicht erklären können, warum die Hausherrin es anscheined auf sie abgesehen hatte. Dann, als ihr Großvater sie unter seine Fittiche genommen hatte, war die Sitaution noch schlimmer geworden. Sie hatte nicht mehr zur Dienerschaft gehört, zu den feinen Herrschaften gehörte sie aber auch nicht richtig. Sie hatte sich bemüht, sie hatte ihre notwendige Entscheidung getroffen und beschlossen, sich einzubringen, auch wenn das für sie bedeutete, nicht so sauber bleiben zu können wie sie es eigentlich gewollt hatte. Und genau kurz nach dieser Entscheidung wurde sie als Zofe in diesen verschissenen Adelshaushalt geschleppt und gezwungen, dass zu tun was sie schon damals so gehasst hatte. Das war die Hölle für sie. Aber das Schlimmste daran war, war dass neben all der Wut und dem Zorn und der Verzweiflung dieses verschissen andere Gefühl einfach nicht verschwinden wollte...


Alex zögerte und kniff die Augen zusammen, gab sich dann jedoch einen Ruck und marschierte wieder auf den Hof, den sie gestern etwas fluchtartig verlassen hatte und sah sich suchend um. Ihr gefiel die ganze Sache immer noch nicht, aber jetzt gab es wohl kein Zurück mehr und auf lange Sicht gesehen würde sie sich sowieso nicht entziehen können...also brachte sie es am besten gleich hinter sich. Außerdem würde es ihr absolut nichts bringen, wenn sie sich verkroch - das würde nur dazu führen, dass sie irgendwann doch etwas tun musste, was sie eigentlich nicht sollte. Also tat sie, was sie in der Regel immer tat und versuchte es mit der Flucht nach vorn. Vielleicht hatte sie ja Glück und würde doch noch irgendwie einigermaßen glimpflicht aus der Sache herauskommen können wenn sie sich etwas engagierte...und das, was sie gestern kurz aufgeschnappt hatte, klang gar nicht soooo übel.