Ein Wiedersehen - Teil II
Die Kleine hatte gemurrt, als sie ihr eigenes Zelt hatte beziehen müssen, doch sie hatte schon in genug andere Zelte gelugt, um zu ahnen, weshalb das nun nötig war, wenn ihr das auch bei ihrer Mutter gänzlich unbekannt vorkommen dürfte, hatte diese doch in den letzten Jahren keinen einzigen Mann mit ins Zelt genommen.
Eine Feuerschale spendete mattes Licht, das flackernde Schatten auf das Lager aus Fellen warf, in dem Saila unbekleidet, aber halb zugedeckt lag. Unnötig, sich die Kleider von ihm ruinieren zu lassen, außerdem sah er so gleich, was ihm über die Jahre entgangen war, der Bastard. Woher er es auch wusste - ob er jemanden gefragt oder es so heraus gefunden hatte - kurz nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, wurde die Zeltplane zur Seite geschlagen und eine große, breitschultrige Gestalt schob sich gebückt in das Zelt und ließ wortlos ihren Blick über alles schweifen - die Feuerschale, das Lager, die Frau in dem Lager und das, was die Frau nicht am Leibe trug. Wortlos fiel das Zelteingang hinter der Gestalt wieder zurück und sperrte Mond- und Sternenlicht aus.
"Du hast mich lange warten lassen, Andrej.", sprach sie, halb aufgestützt auf die Ellbogen, sodass die Felle ein wenig verrutschten und die Schultern frei gaben. Nichts weltbewegendes. Weniger weltbewegen zumindest als ihr langer, nackter Schenkel, der sich ebenfalls unter den Fellen hervor schob und auf dessen bronzener Haut das Feuer tanzte. Andrej brummte auf und warf dem nackten Schenkel einen kurzen Blick zu bevor dieser wieder zu Sailas Gesicht wanderte. Seit dem letzten mal war der Schenkel eindeutig länger, brauner und fraulicher geworden. "ch hat' nich vor zurück zu kommen." meinte er "s gab keinen Grund dazu…" er log schon sein ganzes Leben lang, eigentlich erinnerte er sich an keine Situation, in der er nicht gelogen, geschwindelt oder geflunkert hatte. Allerdings würde er aus dieser Sache hier sicher nicht mit Lügen heraus kommen - jedenfalls nicht mehr. Also probierte er es ausnahmsweise und vielleicht zum ersten Mal - mit der Wahrheit.
Sie maß ihn nachdenklich und nickte dann langsam. Kein Rumgeheule, kein Gejammer, keine Tränen. Sie nahm diese Neuigkeit schlicht hin und eigentlich war es auch nichts wirklich Neues. Nach ein paar Jahren begann man doch zu ahnen, so naiv man mal gewesen sein mochte. "Ich weiß. Ich habe dennoch gewartet. Ich wusste, dass du irgendwann wieder kommst." So einfach war das. Sie hat es gewusst. Fertig. Vielleicht hatte sie es in jenen Nächten auch einfach aus seiner Hand heraus gelesen. Es sollte ja solche Menschen geben. Und damit war eigentlich auch schon alles gesagt - Andrej schob sich den dicken und nun etwas löchrigen Ledermantel von den breiten Schultern und entblößte ein schon etwas mitgenommenes Schnürhemd. Auch wenn sie beide vielleicht im Moment unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, was danach passieren würde - wie es im Augenblick weiter gehen würde war ihnen beiden klar. Nachdem er sich das Hemd über den Kopf gezogen und die Stiefel von den Füßen gekickt hatte, beugte er sich ein Stück zur Seite und zog die Decke unter der Saila lag ein paar Zentimeter zu sich. Nur ein paar, so dass sie das meiste immer noch bedeckte.
Ihr Kinn ruckte einen Zentimeter nach oben, gleichzeitig stolze Geste als auch ein Richtungswink zu einer Truhe auf der ein Säckchen stand. Keines von seinen. "Für dich." Kein Mann hatte sie die vergangenen Jahre über anrühren dürfen. Nicht, seit es ihn gab. Nicht, seit er ihren Vater, der nur zu selten seine Finger bei sich behielt, getötet hatte. Andrejs Blick folgte ihrem Nicken und er griff zu dem Beutel auf der Truhe - er ahnte, dass er erst einen Blick hinein werfen musste, bevor es hier weiter ging - Münzen befanden sich offensichtlich nicht darin. Seine Finger schnürten den Beutel auf und zogen seinen Rand auseinander um im Feuerschein einen besseren Blick auf dessen Inhalt erhaschen zu können.
Es war ein Lederband mit sicherlich vierzig bis fünfzig vertrockneten...Dingern. Verschrumpelt, hart und irgendwie knotig sahen sie aus, doch er musste sich gar nicht lange mit einer eigenen Lösung herum schlagen, denn sie lieferte sie ihm. "Ohren." Nicht jeden der Kerle hatte sie getötet, sie wusste selbst nicht genau, wie viele nur verwundet überlebt hatte, nachdem sie sie hatten besitzen wollen. Aber es waren genügend. "Von jedem eins oder beide?" war die einzige Frage, die er zu dem makabren Inhalt des Beutels stellte - den er immer noch seltsam fasziniert betrachtete. "Von jedem eines.", gab sie nur schlicht zurück. "Heute wäre sicherlich noch eines dazu gekommen." Und tatsächlich...das letzte schien auch noch nicht besonders alt zu sein. Andrej wog den Beutel in der Hand. Eine Liebeserklärung der anderen Art und zugleich eine unmissverständliche Warnung. Sein Blick glitt von den Ohren in dem Beutel zu der nackten Frau auf dem Lager. Das Mädchen von eins war zu einer völlig wahnsinnigen, messerwerfenden Frau heran gewachsen. Er hatte sich bisher nie lange mit den Weibern, die seinen Weg gekreuzt hatten, aufgehalten aber der Inhalt des Beutels sagte ihm, dass er dieses nicht so schnell wieder loswerden würde. Also - er legte den Beutel zurück auf die Truhe und zog die Decke ein weiteres, diesmal deutlicheres Stück nach unten. Dann wollte er wenigstens sehen, ob es sich lohnte. Alles andere würde sich früher oder später schon noch geben.
Und wie es sich lohnte. Gewisse Entbehrungen des harten Lebens im fahrenden Volk waren zwar nicht ganz spurlos an dem dennoch weiblichen Körper vorüber gegangen und zeichneten ihre Rippen deutlicher unter der Haut ab, als es ihr lieb sein konnte, aber keine Narbe entstellte die makellose bronzene Haut, bis auf eine. Sein Zeichen, das er auf ihrem Hüftknochen hinterlassen hatte. Und so eisig ihr Blick durch die Farbe ihrer Augen immer erscheinen mochte, gerade glühte er für den Mann, dem sie entgegengrinste. Eine Frau, die wusste, was sie zu bieten hatte, eindeutig. Der erste Anblick versprach schonmal Entschädigung für die Messer in der Manege. Andrej grinste zufrieden. Wortlos griff er an seinen Gürtel und begann, seine Hose zu lösen. Im Gegensatz zu ihrem Körper war der seine mit unzähligen Narben unterschiedlichster Form und Art übersät. Nicht wenige waren seit ihrer letzten Begegnung dazu kommen. Der oberflächliche Schnitt, den sie ihm verpasst hatte, prangte an der Innenseite seiner kräftigen Oberschenkel und war nicht zu übersehen, als er ungeniert aus seinen Beinlingen stieg. Auch er musste sich nicht verstecken, wahrlich nicht. Die Decke wurde mit einem Ruck vollständig vom Lager gezogen bevor der bärtige Kerl sich schließlich über die Frau beugte.
Unverholen ließ sie den eisigen Blick über seinen Körper wandern und nickte langsam, als sei sie zufrieden mit dem, was er ihr bot und und dem war auch so. Viele Narben versprachen viele Geschichten und obendrein Stärke, hieß es doch, dass er siegreich aus seinen Kämpfen hervor gegangen war, aber sie hatte auch nichts anderes erwartet, seit sie gesehen hatte, wie er der hühnenhaften Gestalt ihres Vaters Herr wurde und ihn schließlich zu Grenth in die Nebel schickte. Ein wenig Nervosität brandete auf, hatte sie doch außer ihm noch keinen Mann freiwillig derartig nah an sich heran gelassen und das lag bekanntlich über ein Jahrzehnt zurück, doch sie kämpfte das Gefühl nieder und zog ihn an sich, um ihn mit einem Kuss zu empfangen. Auch der zweite Kuss von ihm an diesem Abend war bärtig und schmeckte nach Rauch und Rum, so wie er damals schon geschmeckt hatte. Langsam ließ er sich über ihr nieder und öffnete ihre Schenkel, ohne jedoch weiter zu gehen. Eine seiner schwieligen Pranken begann unter leisem Brummen ihren Körper abzutasten - hatte er sich seit dem letzten Mal doch nicht unwesentlich verändert. Andrej war kein Mann, der in zweites Mal zu einer Frau zurück kehrte oder lange bei der selben blieb - aber an diesem Weib fand er seltsamer Weise gefallen. An ihr, ihren Messern und ihrem Wahnsinn - das hatte ihm so noch keine geboten. Wenn der Rest nun auch noch stimmen würde, wer weiß - vielleicht würde er doch den ein oder anderen Tag länger bleiben...
Ihre Hände wanderten über seinen vernarbten Rücken weiter nach unten, während die Lippen seine stoppelige Wange bis hin zum Ohr streiften, damit dort die scharfen Zähne gar nicht mal so sanft am Ohrläppchen zupfen konnten, vielleicht als kleine Erinnerung an das gruselige Geschenk. Wie viele Kerle sich auf diese Weise zuerst im Himmel geglaubt hatten und dann feststellen mussten, dass der Aufprall eines Falls von so weit oben doch ungemein schmerzhaft war...er würde es irgendwann nachzählen können. Als letztes - nach dem seine Hand mit der Erkundung ihres Körpers fertig war - schob sich seine Pranke schließlich zwischen ihre Schenkel um das letzte Stückchen Haut zu ertasten, das er bisher - zumindest an diesem Abend - noch nicht ertastet hatte. Das ziehen an seinem Ohrläppchen nahm er war und hin, Schmerzen waren ihm bekannt, ob er sie nun zufügte oder erhielt, in letzterem Fall umarmte er sie schlicht und gewann seine Kraft daraus. Wobei das Ziehen dieses Mal weniger Schmerz als viel mehr ein Kribbeln auslöste das ihn zum Grinsen brachte. DAS hatte sie schon damals gut gekonnt. Gieriger nun suchte sie erneut seine Lippen, für das entflammt, was nun folgen würde. Sie war unerfahren in diesem Bereich, doch kannte sie ihren Körper gut genug, um sich einfach fallen und von ihm leiten zu lassen. Von ihm und dem Mann, der nun endgültig zu ihr zurück gekehrt war. Die Finger gruben sich in das feste Fleisch seines Hinterns zwischen ihren Schenkeln und auch das irre Weib grinste auf.
Später, im doch deutlich matteren Licht der heruntergebrannten Feuerschale, betrachtete sie den Mann, an dessen Seite sie lag und versonnen über die vielen kleineren und größeren Narben strich. Die tanzenden Schatten verliehen ihm etwas dämonisches, als hätten die Nebel höchstselbst ihn ausgespuckt und wer wusste schon, ob es nicht wirklich so war. Sie verwischte mit dem Finger die einzelnen Schweißtröpfchen auf seiner Stirn und grub in der gleichen Bewegung die Hand in seinen Schopf, wo sie fest zupackte. "Du wirst uns mitnehmen, wenn du wieder gehst." Es war keine Bitte.
Drej öffnete die Augen, die er bisher geschlossen hatte, als sich eine Hand in sein Haar grub. Ein Arm ruhte unter der Frau neben ihm, deren nackte Leib genauso verschwitzt war wie der seine. "Hrm?" brummte er fragend während der Blick seiner dunklen Augen ihre hellen suchte.
"Deine Tochter und mich, du wirst uns mitnehmen, wohin auch immer du gehst." Denn dass er nicht bleiben würde, stand völlig außer Frage. Das wusste sie. Er war kein Mann, den es lange an einem Ort hielt und sie war ebenso. Fahredes Volk waren sie beide auf ganz unterschiedliche Arten. "Das Gör, dass mich in die Manege geschleift hat, eh?" kurz flackerte das Bild des Mädchens vor seinem inneren Auge auf "ch hab nich viel für Kinder übrig…" meinte er dann nur.
"Ich weiß. Soll mir recht sein, solange du sie nicht anfasst. In dem Fall müsste ich dich töten." Sie sprach das so dermaßen beiläufig aus, dass es einfach nur ernst gemeint sein konnte. Sie hatte selbst zu viele Erfahrungen in diese Richtung gemacht, sie hatten sie geformt, als dass sie nun hätte zulassen können, dass Cait das gleiche geschah.
Drej schnaubte laut und grinste dann auf, zog Saila mit einem Ruck zu sich herunter und verschloss ihre Lippen erneut mit einem Kuss bevor er antwortete "solangse mir nich aufn Sack geht, soll das Gör mitkommn" keine Diskussion darüber, dass er sie gar nicht mitnehmen wollte oder konnte - das konnten sie sich beide sparen. Um gerade im Augenblick, nach den letzten Stunden, wollte er sie tatsächlich auch mitnehmen - oder war dem Ganzen nicht abgeneigt. Er wollte mehr von diesem Wahnsinn sehen, sehen, was man damit anstellen konnte. Und er wusste das sie wusste, was er tun würde, wenn sie eine ihrer Abmachungen brechen würde.
Natürlich wusste sie es. Und sie nahm es hin dafür, mit ihm fort gehen zu können. DA gab es nur ein winziges Problem..."Salim wird mich kaum einfach gehen lassen." Ein gewisses vorfreudiges Grinsen zeigte sich auf ihren Lippen, als sie vom Bruder ihres Vaters, ihrem Onkel sprach. Er hatte sie nicht angerührt, als sie ein Kind war, doch seine Blicke in der letzten Zeit wurden eindeutiger, auch wenn es es noch nicht gewagt hatte, ihr zu nahe zu treten. Andrejs Grinsen wurde breiter, offenbar verstanden sie sich, als er die Veränderung in ihrem Blick bemerkte. "ch schätze der Alte wird kein Problem werden…" er fuhr sich einmal durch seinen Bart "is nur die Frage ob du seine Ohren habn willst eh?" "Er hat mich nicht angefasst." Was wohl eine Art Nein darstellen sollte. Möglicherweise ließ Salim sich auch so überzeugen, dass sie gehen konnte...doch wo blieb dann der Spaß? Aber wenn man vom Teufel sprach...in dem Moment wurde ihre Zeltplane beiseite gerissen und der bullige, aber recht kleine Typ von Ansager, ihr Onkel, trat ein, die blitzenden Augen auf Drej gerichtet. "Was bei Grenth haarigen Eiern denkst du, machst du da, du Bastard?"
Andrej blinzelte nichtmal als der Typ die Plane des Zelteinganges beiseite riss und grinste ihn statt dessen selbstgefällig an "ch hab mir meine Belohnung für die Show heute Abend geholt" meinte er knapp und sein Blick hätte vor Hohn nicht mehr triefen können. Sich versichernd, dass die Messer der Frau in weiter Ferne lagen, blickte sich der Kerl kurz um, um dann nach Sailas Haaren zu greifen, um sie daran von dem schmierigen Kerl unter sich zu ziehen. "Und du, du Hure? Na warte nur!" Andrej hatte schon viel Dummes und Dreistes gesehen und erlebt aber bei dem was der Kerl hier gerade tat, musste er doch überrascht aufbrummen. Das hinderte ihn aber nicht an einer blitzschnellen Reaktion. Sobald die Aufmerksamkeit des Ansagers auf Saila gerichtet war, richtete er sich auf und machte Anstalten, dem Kerl von hinten einen Arm um den Hals zu legen, den anderen von der anderen Seite aus dagegen stützend.
Das Weib war keine leichte Beute, selbst nackt und waffenlos nicht, konnte sie sich doch immer noch winden und austeilen. So lag die ungeteilte Aufmerksamkeit des Onkels bei Saila, als er sich unversehens in Drejs Schwitzkasten wiederfand, die Finger aber nicht von Sailas Haaren löste, sondern der Frau im Gegenteil noch einen Tritt mitgab. Drej brummte nur auf und ließ seinen Blick zu Saila wandern, suchte ihre Augen während er den Griff um den Hals des anderen Mannes ein wenig fester packte. Ein eisiges Brennen schlug ihm entgegen und es war kein Nicken ihrerseits nötig, das von der Hand ihres Onkels ohnehin verhindert wurde, um ihm zu bedeuten, was er zu tun hatte. Das Grinsen auf seinem bärtigen Gesicht wurde raubtierhaft als er seinen Griff immer mehr und mehr um die Kehle des Mannes verstärkte bis dieser schließlich röcheln musste. Immer noch hielt er dabei jedoch Sailas Blick gefangen und ließ sich Zeit…viel Zeit dabei...
Die dicken Griffel des Mannes lösten sich aus ihren Haaren und Saila richtete sich auf, ohne die Augen von Drejs zu lösen. Das Glitzern darin offenbarte tiefere Abgründe, als die meisten sie zu Gesicht bekamen oder nur verkraften würden, aber darin waren sie sich ähnlich. Für die junge Frau war das Röcheln des Onkels wie ein bizarrer Abgesang, dem sie verzückt lauschen konnte, während mehr und mehr das Leben aus ihm wich. Die Gliedmaßen des Ansagers begannen zu zucken, als sich der Sauerstoffmangel langsam bemerkbar machte. Drejs Griff wurde eine weitere Nuance kräftiger aber nicht so kräftig, dass es ein schnelles Ende bedeutete - er mochte es, wenn es eine Weile dauerte bis beim anderen das Licht ausging. Und tatsächlich gefiel es ihm, was er in den Augen der Frau ihm gegenüber sah, dessen nackter Körper vom Schein der Glut leicht beschienen wurde.
Noch immer den Blick in den dunklen Augen des großen Mannes gefangen, trat die rassige Frau ein wenig näher und legte eine Hand an die Wange des Onkels. So sanft und so zart, als wolle sie alle seine Sorgen einfach weg streicheln. Als gäbe es keine Bedrohung und als würde er nicht um sein Leben kämpfen. Und noch immer lag da dieses unheimliche Lächeln auf ihren Lippen. Als Sailas Gesicht sich nahe dem ihres Onkels befand, wurde Drejs Griff nun merklich fester - lange würde der Kerl nicht mehr in seinen Armen zappeln. Er hätte es auch mit einem Ruck beenden können aber das wollte er nicht - noch nicht.
Auch für sie konnte dieser Moment sich gerne noch bis in alle Ewigkeiten ziehen. Hätte sie nicht schon längt beschlossen gehabt, ihm zu folgen, jetzt wäre die Entscheidung gefallen. Nach weiteren langen Sekunden löste sie endlich ihre Augen von denen des Mörders, nur um ihrem sterbenden Onkel ins Gesicht zu blicken. Wieder strich sie ihm über die Wange und es hätte beruhigend und mitleidig wirken können, wäre da nicht dieser Blick gewesen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und berührte zärtlich die Lippen des sterbenden Mannes, dessen Glieder unkontrolliert zuckten. Sein letzter Lebensatem sollte an sie gehen.
Und sie bekam ihn auch. Das Zucken der Glieder erstarb und der Körper in Drejs Armen erschlaffte schließlich. Andrej löste seinen Griff und schob den toten Ansager fast achtlos beiseite - nur um danach sofort den Arm gen Saila auszustrecken und sie mit einem Ruck an sich zu ziehen.
Marginal weiteten sich die Augen der Messerwerferin, als sie tatsächlich bekam, was sie wollte. Was für ein berauschendes Gefühl. Dass der Hüne sie danach gleich zu sich zerrte, bemerkte sie im ersten Moment gar nicht wirklich, bis ihre Augen die seinen wieder fanden, ein seltsames Hochgefühl darin. "Danke..."
Für den Bruchteil einer Sekunde ließ er ihr den Augenblick, gab ihr zwei, drei Herzschlage das Gefühl auszukosten und die Erinnerung zu festigen bevor sich seine Zunge und seine Hand in eindeutiger Absicht zwischen ihre Lippen schoben und er sie erneut auf das Lager drückte. Fast sofort setzte dieser Kerl ihren Körper in Flammen, mehr noch, als es der bloße Mord getan hatte und in absoluter Hochstimmung gab sie ihm erneut, was er wollte und sie liebten sich neben der langsam erkaltenden Leiche ihres Onkels.
***
Als die Glut der Feuerschale schließlich ganz erkaltet war richtete sich Andrej schließlich von dem Lager auf und warf der Frau neben ihm einen Blick zu. "Wir sollten uns auf die Sockn machn" stellte er schlicht fest und griff nach seinen Beinlingen. Das Verschwinden des Ansagers würde früher oder später auffallen und mit dem ganzen Lager würden sie es nicht so einfach haben wie mit einem einzelnen Mann...
Träge befreite sich die Frau aus den Laken. Eine seltsame Schwere blieb zurück, als das Hochgefühl verschwunden war und sie wollte mehr davon. Mehr kosten. Wortlos packte sie ihre Habseligkeiten in einen Beutel und fledderte auch noch die Leiche nach Geld, das sie tatsächlich auch fand. Dann blickte sie zu Drej auf, wieder dieses seltsame Lächeln auf den Lippen. "Lassen wir ihnen ein Freudenfeuer da?"
Andrej hatte sich mittlerweile wieder in seine Klamotten geschält und seine Habseligkeiten unter dem Mantel und am Gürtel befestigt. "s würde sie zumindest ne Weile beschäftigen und ablenkn " grinste er auf und nickte - wenn sie das wollte, würden sie das tun.
"Zelte brennen gut.", gab sie zurück und wartete mit schräg gelegtem Gesicht seine Reaktion ab, denn was sie hier forderte, war nichts anderes als ein glatter Serienmord. Die Auslöschung eines ganzen Trosses fahrender Künstler. Drej musterte Saila kurz und zuckte dann mit den Schultern "Unglücke passiern immer wieder" meinte er gleichgültig und kippte die erkaltete Feuerschale in ihrem Zelt um. Es würde nicht viel brauchen, um die Kohlen mit ein paar neuen wieder anzufachen und das Zelt würde sehr schnell brennen. Eigentlich war es nicht sein Stil aber diese Leute bedeuteten ihm gar nichts - aber aus irgendeinem Grund schien es ihr wichtig zu sein. Und es würde sicher nicht schaden - da dachte er ganz pragmatisch - wenn sie sah, wozu er in der Lage war.
"Cait. Ich weiß, dass du lauschst.", rief sie mit einem Mal einfach in den Raum hinein und wartete geduldig, bis das Gör von Tochter sich dazu entschlossen hatte, den Beobachtungsposten aufzugeben und zu ihnen herein zu treten. Was tatsächlich auch prompt geschah - das Mädchen kroch in das Zelt hinein, strafte Drej jedoch mit Missachtung und fixierte ihre Mutter mit ihrem Blick. Wortlos. "Was hast du alles gehört?", fragte die Frau ruhig. Dass da eine Leiche am Boden lag, kümmerte sie nicht weiter. Das Mädchen würde früh genug lernen, dass dies keine nette Welt war.
Wenn es das nicht schon gelernt hatte. "Alles" brummte Caitlyn knapp, ein Laut, der sehr stark nach ihrem Vater klang. Ihr Blick verreit, dass sie mit alles auch wirklich alles meinte...
"Gut. Dann hol ein Ölfass und pack deine Sachen. Wir werden mit ihm gehen." Saila spürte den Widerwillen ihrer Tochter, doch das Mädchen konnte noch nicht begreifen, wie viel sicherer sie waren, ohne diese Menschen hier. Sie hatte lange Jahre auf ihn gewartet und jetzt war er da. Und er brachte Sicherheit. Caitlyns Mund klappte auf und wieder zu. Sie schnitt eine stumme Grimasse und huschte dann jedoch ohne Widerspruch wieder aus dem Zelt. Wenn sie auch sonst öfters mal zeterte und meckerte, sie kannte diesen einen Blick ihrer Mutter, der nichts Gutes verhieß. Nichts gutes verhieß und jeden Widerspruch im Keim erstickte. Ob sie wollte oder nicht, sie würden mit diesem seltsamen Kerl gehen. Also tat sie wie geheißen und kam kurze Zeit später mit einem Bündel und sogar zwei kleinen Ölfässchen zurück in das Zelt. Die Leiche dort drinnen beachtete sie nicht.
"Tränke alle Zeltränder mit Öl und verbinde die Wege dorthin.", wies sie ihre Tochter an, die ihren Vater keineswegs leugnen konnte. Und umgekehrt ebenso wenig. Dann streckte sie die Hand nach einer der draußen stehenden Fackeln aus und die andere nach der seinen. Schweigend wartete sie, bis Cait mit ihrem Auftrag fertig war, dann ließ sie die Fackel an ihrem Zelt fallen, das sofort lichterloh in Flammen aufging und bald die anderen ansteckte. Es dauerte nicht lang, da ertönten die ersten Schreie, die schnell schriller und schriller wurden, während sich auf Sailas Lippen langsam ein Lächeln ausbreitete und sie die Hand des Mannes fester drückte. "Gehen wir."
Andrej nickte und zog Saila mit sich aus dem Zelt - und da er kein Risiko eingehen wollte - und wohl auch nicht drum herum kommen würde - packte er sich das Mädchen, dass draußen vor ihrem Zelt hockte und den Flammen hinterher starrte, grob und warf es sich über die Schulter. Protestierend schrie Caitlyn auf und zappelte herum, hatte gegen Andrejs Griff aber keine Chance. Im Schein des sich ausbreitenden Feuers huschten sie zwischen den brennenden Zelten umher, Richtung 'Ausgang'. Auch das bärtige Gesicht des Mannes zeigte ein seltsames Grinsen während die dunklen Augen funkelten.