Nie erzählte Legenden - 5

Es sind die Taten, die unsere Legenden schreiben und unseren Lebensweg unvergessen machen. Taten, die auf ewig in aller Munde bleiben sollen, damit wir nicht vergessen werden. Denn nur dann ist unser Gang in die Nebel ein leichter. Nur dann, können wir Seit an Seit mit unseren Ahnen den ewigen Bierrat genießen und selbst die Geschichten unseres Lebens erzählen. Doch was geschieht, wenn nach unserem Tod das Schweigen überhand nimmt? Und was ist, wenn wir zu unseren Lebzeiten mehr geschwiegen haben, um unsere Liebsten zu schützen? Legende oder Feigheit?



Worte


Schallend klang die Ohrfeige durch die Höhle, die im seichten Dämmerlicht lag. Hier und da von einer Fackel erhellt, hier und da von einem prasselnden Feuer erwärmt, auch wenn die Wärme längst nicht mehr in ihre Glieder drang. Sie konnte kaum noch etwas sehen, durch ihre geschwollenen Augen. Die Tränen machten es nicht besser. Sie brannten heiß auf ihren Wangen, für den Moment, in dem sie zu schwer für ihre Augenwinkel wurden und die Wangen hinab rannten. Doch nur kurz darauf hatten sie die Kälte ihres Körpers aufgenommen. Es wäre kein Wunder, wenn die Tränen auf ihren Wangen gefrieren würden. So verschwammen sie ihr nur die Sicht auf das, was vor ihr lag. Skjalda wusste nicht mehr wie lange sie schon hier war. Jedes Zeitgefühl war verloren gegangen und doch verweigerten Geist und Körper ihr jeden Wunsch, das Leben hinter sich zu lassen. Sie hasste sich dafür, sterben zu wollen. Sie hasste sich dafür, dass sie so egoistisch dachte und nicht zuschauen wollte, wie ihr ehemaliger Gefährte ihre Tochter tötete. Und sie hasste sich dafür, dass sie ihn einst geliebt und nie die Hoffnung aufgegeben hatte er würde sich ändern und somit zu ihr zurück finden.
Die Kraft wich ihr kaum noch aus dem Körper. Denn sie hatte schon lange keine mehr. Getobt und geschrien hatte sie, als Nídhôggr und diese Bastarde ihre Henna brachten. Mit Flüchen und wüsten Beschimpfungen hatte sie die Gruppe belegt. Drohungen und Herausforderungen wurden ausgesprochen, doch von den Kerlen mit Lachen und wüsten Gesten abgetan. Es war ihr egal gewesen, dass das Eis in ihre Handgelenke schnitt. Er durfte Henna und ihrer Familie das nicht antun. Und doch tat er es. Skjalda hatte ihr Rudel, ihre Liebsten verraten und an diesen verdammten Svanirssohn verkauft. Sie hätte handeln können! Sie hätte ihm die Hände abschlagen sollen, als er seine Sachen packte und 'seinem Geist' folgen wollte! Sie hätte...hätte handeln sollen.
Ein Schluchzen durchdrang die Stille und ihr wurde bewusst, das es aus ihrer Kehle kam. Schwäche. Ja, sie war schwach. Schwach und verdammt dazu zu sehen, wie die Drachenlecker ihre Töchter und Enkelinnen töteten.


Ihr Kopf kippte nach vorn und keinen Moment später spürte sie die Finger des Svanir um ihr Kinn. Ein fester Griff, dem sie sich zu entziehen versuchte. Ohne Erfolg. Er zwang sie, den Blick zu heben und zu verfolgen, wie ihr einstiger Geliebter sich seiner Magie bediente. Es überraschte sie wenig, dass er sich über die vielen Winter verbessert hatte. Auch überraschte es sie nicht, dass seine Begabung das Eis nach seinen Wünschen zu formen grandios geworden war. Hatte er früher seine Kraft dazu genutzt, mit Hilfe von Wasser kleine Verletzungen zu heilen, so tat er nun das Gegenteil. Er verdarb und zerstörte.
Sie wollte nicht wissen, welche Kräfte er über die vergangenen Jahre entwickelt und perfektioniert hatte. Sie wollte nicht sehen, wie er sein verdorbenes Eis über die Körper ihrer geliebten Mädchen zog. Und sie wollte sich nicht einmal vorstellen, zu was er noch fähig war. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das was sie sich ansehen musste, nur ein Bruchteil seiner Macht war.
Der Griff um ihr Kinn wurde einen raschen Herzschlag so fest, dass sie glaubte, der Bastard würde ihr den Kiefer brechen wollen. Doch wie sich der Griff lockerte und der Norn nach vorn auf seine Knie stürzte, nur um dann eine Begegnung mit dem Boden zu machen, da waren all die Gedanken wie weggefegt. Skjalda blinzelte sich die Tränen aus den Augen und versuchte durch das Dämmerlicht mehr zu erkennen, als die grässliche Szene, die sich vor ihr abspielte. Jedoch war sie nicht die Einzige, die den Zusammenbruch des Svanir bemerkt hatte, denn Schwerter wurden aus ihren Scheiden gerissen und Äxte aus den Halterungen gelöst. Ein weiterer Norn ging zu Boden, als ein Pfeil auch in dessen Kopf stecken blieb und ihm einen viel zu schnellen Tod bescherte. Nídhôggr lachte keifend auf und sah von seinem Werk auf. Begrüßend streckte er die Arme zu den Seiten aus, in einer den Stab haltend, der behangen von widerwärtigen Trophäen war.
"Búa! Wir haben dich schon erwartet!"

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora