"Du bist eine Charr und du wirst dich hüten, aufzugeben! Solltest du das jemals in Betracht ziehen, dann werde ich dir das Fell über die Ohren ziehen."
Das Fell über die Ohren ziehen...als ob du das jetzt noch könntest. Immerhin bist du schon eine ganze Weile nur noch Asche auf einem Flecken verbrannter Erde. Sie schlug die Augen nieder und atmete schwer aus. Auch, wenn sein Tod eine ganze Weile schon vergangen war, so vermisste sie diesen alten, grauen Charr, der ihr alles beigebracht hatte, was sie heute wusste. Doch viel hatte sie seit seinem Tod nicht damit anfangen können. Mein Leben lang war ich ein Gladium. Doch so bewusst wie heute, war es mir nie. Natürlich gebe ich nicht auf! Das weißt du. Langsam öffnete sie die Augen wieder und schaute mit himmelblauem, stechenden Blick umher. Sie hatte nichts mehr, mit dem sie sich hätte beweisen können. Andere zeigten im Fluch, was sie wert waren. Und manche von ihnen hatten sogar das Glück, in einen Trupp aufgenommen zu werden, um dem tristen und schandhaften Leben als Gladium zu entgehen. Aber was hatte sie für Möglichkeiten? Ich habe keine Erfahrung im Kampf, kann mit Waffen nicht umgehen, meine Zähne sind zu klein, um irgendetwas auch nur annähernd zu zerreißen... Im Fahrar...ja. Wenn da dieser 'Makel' nicht gewesen wäre. Anrak...du hast es immer so genannt. Und trotzdem bleibt es eine offensichtliche Schwäche. Das wolltest du nie einsehen. Ich meine, wer will schon eine Charr in seinem Trupp, die keinen einzigen Laut von sich gibt? Gut... Leise und sehr tief drang ein brummender Laut hervor, der über ein leises Knurren zu einem Fauchen wechselte. Dann verstummte sie wieder und schüttelte halb den Kopf, dessen verfilzte Mähne sie zu einigen Zöpfen zusammen gefasst hatte. Das war bei der Arbeit nützlich, wenn man nicht auch noch diese Haare verlieren wollte.
Ein einziges Mal hat mich einer im Fluch angesprochen. Du wirst es nicht glauben. Als ich wieder in einer der dunklen Ecken stand, wo sich mein Fell kaum abhebt. Weißt du eigentlich, dass es langsam nachwächst, an den versengten Stellen? Danke, übrigens. Ich glaube, es war einer von Asche, der mich etwas gefragt hat. Aber du weißt ja, wie das ist. Ich habe angefangen, auf meine kleine Tafel zu schreiben - noch halb die Kreide abgebrochen vor Aufregung - und als ich wieder geschaut habe...da war er weg. Ich sollte wohl froh sein, dass er mir nicht noch die Pfoten abgeschnitten hat. Aber seit dem, war ich nicht mehr im Fluch. Mit den Krallen kratzte sie über die Holzplanke, auf der sie eingerollt lag und linste mit halboffenen Augen nach unten. Dort standen zwei Charr, die sich angeregt unterhielten. Doch die Worte nahm sie nur unterbewusst wahr, denn ihre Gedanken waren gerade wichtiger. Sie wusste auch, dass sie in diesem Zustand aussah, als würde sie mit offenen Augen schlafen. Nur Anrak hatte bisher auf bittere Art und Weise feststellen müssen, dass dies nicht der Fall war. Weißt du...vielleicht sollte ich die Sache mit den Sprengstoffen und dem Schießen einfach lassen. Was...? Nein, natürlich gebe ich nicht auf! Wer behauptet so etwas! Ich habe mir überlegt, dass ich vielleicht die schwarze Zitadelle hinter mir lasse und...Vieh züchte und schlachte. Oder Pflanzen anbaue. Kartoffeln vielleicht. Der Gedanke allein ließ einen Laut aus ihrer Kehle dringen, tief und mehr einem kratzenden Fauchen gleich. Doch so klang es immer, wenn sie etwas lustig fand. Es kam nicht oft vor, dass sie lachte. Aber wenn, dann fand sie den Klang dessen herrlich.
Langsam hob sie den Kopf an und blinzelte träge von ihrem kleinen Brettervorsprung herunter. Es dämmerte bereits, was hieß, dass sie wieder den gesamten Tag verschlafen und mit ihren Gedanken verbracht hatte. Noch ein wenig würde sie liegen bleiben, hier oben, zu einem verfilzten und schmutzigen Knäuel zusammen gerollt. Dann erst würde sie sich aus der Zitadelle schleichen, um im Schutz der Nacht von Krallen und Geschwindigkeit gebrauch machen, um Kleinvieh zu erlegen. Denn dazu brauchte sie weder ein Gewehr, noch Sprengstoffe oder Minen.
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