Nie erzählte Legenden - 7

Nur die Würdigen werden von ihm auserwählt, seine grenzenlose Macht zu erfahren und für sich zu nutzen. Die Stärksten und Größten unseres Volkes, die Mutigen und die, die ihr schandhaftes Leben hinter sich lassen werden. Niemals wieder werden sie scheitern. Der Macht des einzig wahren Geistes stellt man sich nicht in den Weg. Denn nur die, die sich als würdig erweisen und die Angst nicht scheuen, werden ihre wahre Stärke kennen lernen. Ehre dem Drachen!



Eis


Viele Monde lang war die Suche vergebens gewesen. Dieses eine Gör, das noch fehlte, um sein Meisterwerk zu vollenden und das Opfer dem Drachen dar zu bieten...jede Suche eine Enttäuschung. Jede Gruppe an auserwählten Kriegern und Spähern die er ausgesandt hatte, kam mit leeren Händen zurück. Jedes einzige Mal ein Schlag ins Gesicht. Jedes Mal brachte es ihn zum Toben. Wie konnte es sein, dass so ein dummes Flittchen sich so gut versteckte?! Feiges Pack, allesamt. Doch anderes konnte man von diesen Weibern schließlich nicht erwarten. Mit gutem Grund waren sie nicht würdig, den Segen des Drachen zu erhalten. Und mit noch besserem Grund waren sie nur zu Einem zu gebrauchen! Sie trugen die Samen aus, die sie ihnen einpflanzten. Seine Mannen hatten ihren Spaß und er - Nidhôggr - zog sich die besten Krieger heran, um die Saat der Verderbnis zu streuen. Niemals packte er ein Weib auf diese Art an. Das war unter seiner Würde. Und die Gefahr, erneut nur unnütze Mädchen in den See zu werfen...sie war zu groß. Kopfschüttelnd starrte er den Vorsprung hinab, während in seinem Rücken das gewaltige Totem des Drachen aufragte. Bald. Bald würde er der größte Champion Jormags sein. Größer und mächtiger noch als Svanir selbst. Svanir wäre nur ein halber Norn im Vergleich zu ihm. Grinsend stand er da und strich mit den Fingerkuppen über die vereiste Spitze seines Stabes. Knochen und Zähne baumelten daran herab, von Größe und Form sicher nicht einem Tier zu zuordnen.
Die kleine Gruppe an Kerlen erregte seine Aufmerksamkeit, sodass er brüllte, noch ehe sie die Hand zum Gruß erheben konnten. "WO! Wo ist diese feige Hure von einem Weib?!" Keine Antwort folgte. Knurrend wandte er sich auf der Stelle um, an der er einen wunderbaren Überblick über die gesamte Höhle hatte. Die Trophäen klimperten leise, als er rasch tiefer stürmte und sich vor den Burschen aufbaute. "WO?!"
Einer trat vor und neigte den Kopf aus tiefem Respekt vor dem Schamanen. "Noch immer kein genaues Zei-..." weiter kam er nicht. Denn Nidhôggr hatte seinen Stab so geschwind an den Hals des Svanir gedrückt, das dieser seine Worte in gurgelnden Lauten endete. Wutentbrannt starrte der Alte den Burschen vor sich an und neigte den Kopf langsam etwas zur Seite, während der Stab sich nach und nach mit drehte. Eisige Muster wuchsen ausgehend von den seinen Händen den Stab entlang, immer weiter auf den Svanir zu, der die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen hatte. Und als das Eis sich über die Stabspitze wandte, um schließlich auf den Hals des Norn über zu gehen, da schrie er schmerzverzerrt auf. Immer weiter wuchsen die eisigen Gebilde, wie eine zweite Haut über Brustkorb und Schultern, während die drei anderen Burschen regungslos zuschauten. "Ihr seid eine Schande und den Segen des einzig wahren Geistes nicht würdig!" brüllte der Alte, ließ jedoch mit dem Blick nicht von dem mittlerweile wimmernden Norn, dessen Knie bedrohlich zitterten.
Endlich, nach gefühlten Stunden, trat ein Zweiter nach vorn und sprach so rasch und hastig, dass es ein Wunder war, das sie ihn so gut verstanden. "Eine Jungnorn ist etwas nördlich immer auf der Jagd. Es heißt, sie kommt aus Hoelbrak und...man erzählt sich, dass sie es ist!" Er schluckte und trat den Schritt wieder zurück, den er gegangen war. Niemand sagte mehr etwas. Einzig das leise Brechen und Knacken des Eises war noch zu hören. Nidhôggr betrachtete die Burschen erneut der Reihe nach. Lange. Dann lachte er so plötzlich auf, dass die Umstehenden teilweise zusammen zuckten. Mit einer ausschweifenden Bewegung seines Stabes, zog sich die eisige Haut von dem Burschen zurück, der nun vollends zu Boden ging. Voller Abscheu schaute der Alte zu ihm hinunter und schüttelte kurz den Kopf, während der Stab zwei Mal auf den Boden tockte. Wieder lachte er kurz auf und deutete auf die drei Kerle. "Ihr da, geht und holt mir dieses Weib, damit ich vollenden kann, was begonnen wurde! Und du," er sah hinunter auf den Burschen, der noch immer kniete und sich den Hals hob. "Lerne, zu reden, oder stirb wenn du zurück kommst. Enttäuscht mich und ihr werdet das Schicksal der Weiber teilen!" Damit drehte er sich wieder dem gewaltigen Totem zu und schritt mit erhobenem Haupt darauf zu.


Und wie die vier Burschen die Höhle verließen, da drängten sich die zwei zu dem Sprecher und funkelten ihn von der Seite her an. Er wusste, dass er den Weg zu dem Lager der Geisterlecker nicht überleben würde. Und doch wusste er, dass der Tod wegen seiner Lüge ihn weniger treffen würde, als die drei Anderen, wenn sie mit leeren Händen zurück kommen würden.




Ein "Zwischenpart" befindet sich schon etwas länger -Hier-

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora