Ruhig war es in der unterirdischen Höhle, die von den Gezeiten in den Fels gefressen wurde und nun von einer Menschenhand gepflegt. Die Decke war so hoch, dass das Licht der Fackeln nicht mehr das Gestein zwischen den Stalaktitenspitzen erfasste und von der Finsternis dort förmlich aufgesogen wurde. Dann und wann plätscherte es leise, wann immer ein Tropfen Wasser sich vom Fels löste und ein Teil des kleinen Teiches wurde, den sie erst vor kurzem mühevoll angelegt hatte. Er war nicht größer als ein Faßdeckel, doch sie war stolz darauf. Sie hatte den Rinnsal alleine entdeckt und eingefangen. Aus der Zerstörung des Felsens etwas neues, schönes für ihr Auge geschaffen, umrahnt vom geglätteten Fels, in den sie über Stunden hinweg die Lilien und Narzissen gemeisselt hatte. Er war so klein und unscheinbar, ohne Licht kaum zu erkennen- doch es war ihrer und das Wissen alleine reichte, um das Gemüt der Künstlerin mit Zufriedenheit zu füllen.
Weit mehr Zeit hatte sie in die Bearbeitung der Wände investiert. Wochen der Arbeit waren hinein geflossen und noch immer war sie nicht fertig, obgleich die Gallerie schon als solche zu erkennen war. Gleb war der erste den man sah, sobald man den schmalen Gang verlies und die Höhle betrat. Er war jünger als am Tage seines Todes und in ihrer künstlerischen Freiheit, hatte Vera seinem steinernen Abbild einen flacheren Bauch verpasst. Wie ein stummer Wächter stand er da, den stolzen Blick voller Hochmut und Herrschaft auf jeden Gast gerichtet, als wolle er stumm sagen 'benimm dich, sonst wars der letzte Besuch für dich'. Über all dem hatte sie es irgendwie geschafft dem Bilde soviel Dynamik in seine Haltung zu geben, dass man dem Glauben erlag, das Bildnis könne jederzeit zum Leben erwachen und den letzten Schritt von der Felswand weg wagen, mit der Glebs Rücken verschmolzen war. Und so ging es mit ihrer Familie weiter. Victors Steinbild hatte die ihr angemessene Portion Überheblichkeit geerbt und hielt locker vor sich sein Gewehr mit einer Hand, dessen Lauf über seine Schulter reichte und sich im Fels verlor. Feist grinste er, kurz vor einem spottenden Lachen, doch sein Blick wies ähnlich dem von Gleb, den stummen Schutz fürs eigene Blut, wie auch die kalte Schneide für den Feind auf. Razvan stand neben ihm, die Hand auf Zoltans Kopf. Deutlich weniger imposant als sein liebster Vetter, strahlte er die gewohnte, ruhige Strenge aus in seiner lang erprobten, militärischen Haltung. Nevia folgte auf dem Fuße und hatte ihre Hand über seiner, ebenfalls auf dem stämmigen Hundskopf Zoltans. Sie trug ihr heiteres Lächeln zur Schau unter einem stolz gereckten Haupt, dass dem Veras so ähnlich war und sofort zeigte, wer eines ihrer Vorbilder in der Familie war.
Sneshana und Alexej waren die nächsten, nachdem ein breiter Efeustrang im satten, dunklen Grün die Vertrautheit der ersten Gruppe beendete und gut einen Schritt den Fels dahinter zierte. Das Bildnis der Ärztin hatte noch lange Haare, sowie Snezha sie zu Studienzeiten trug, doch ansonsten glichen die schmalen Züge dem heuten Vorbild der Cousine.sie wirkte wie ihr Bruder auch gelassen und entspannt, gelöst von dem Ernst der älteren und trug zum Spott dieses Ausdrucks einen Totenschädel in beiden Händen vor dem Bauch. Fast andächtig wirkte die Haltung, wurde aber von Aleshas Arm um ihre Schultern zerstört. In der anderen Hand hielt er eine Likörfalsche, die er prostend und preisend höher reckte. Ihre Eltern folgten gleich daneben, gehörten aber zu den Abbildern die noch nicht fertig waren.
Und so ging es weiter in der Familiengallerie. Helena in im teuren Kleid und stolz gereckten Kinn, wie man es von Prinzessinnen erwartet. Leon mit seinem ruhigen, nachsichtigen Lächeln. Einladend und warm, aber auch vorsichtig.
Florim, dem der Schalk förmlich aus dem Gesicht sprang, während er sich auf ein Gemälde stützte. Pavel, der sein lächeln in unendlicher Gelassenheit präsentierte. Opa Benjin, feist lachend, während er seine Pistole in die Höhe reckte zum Schuss in die Luft und in der anderen Hand gar gönnerhaft sein Schnapsglas hob.
All denen folgte wieder einen Efeugeflecht, ehe die vorerst letzten Iorgas folgten und auch gleichzeitig die Personen, die der Künstlerin wohl am nahesten waren. Da stand Adrian, adrett wie immer im Anzug und mit Halstuch. Die Haltung wirkte einland und hieß jeden zum Gespräch willkommen, während sein Blick in vollster Aufmerksamkeit und eindringlich den Betrachter im Fokus behielt. Ileana stand daneben, deutlich jünger als sie es heute war. Trotz und Verletztheit dominierten ihre Züge, doch darunter ruhte spürbar ein unerschütterlicher Kampfgeist. Xenia und Nicolae standen daneben. Während die Mutter stolz und ruhig alles betrachtete, war es Nicolae der mit jeder Herzlichkeit voran gegangener Familienmitglieder brach. Hier hatte der Teufel persönlich seine Ehrung gefunden, mit Liebe zum Detail ins Gestein gehauen. Die scharfen, kantigen Züge warfen mehr Schatten als alle anderen und der Blick war vom kalten Kalkül überfüllt und nicht der Liebe für andere. Sie war da, ohne Frage, doch anderes überwog deutlich. Erst ganz zum Schluss, folgte die Künstlerin selbst, bisher nur grob angedeutet neben der breiten Kriegergestalt des Söldners, der längst fertig war und mit den klassischen Merkmalen der Familie noch mehr brach als Razvan. Veras Abbild lag halb in seinem Schatten, behütet von der weit größeren Gestalt, im Arm ihren Sohn. Auch der Kindsvater stand dabei, war aber wie Veruca selbst bisher nur grob angedeutet mit den harten Zügen und der militärischen Haltung ihres liebsten Onkels.
So standen sie da und wirkten, als wollten sie aus dem Fels heraus brechen, um der Künstlerin in der Raummitte unter die Arme zu greifen, obgleich Vera selbst im Moment nur die Wand und die Familie dort anstarrte. "Weisst du..." brach sie mit der langen Ruhe in der Höhle und drehte sich langsam wieder zu ihrem Gast um. Der schlacksige Kerl war längst nicht mehr so imposant wie beim ersten Treffen, woran sein zerschnittenes Hemd und die Fesseln die ihn an den Stuhl banden, wohl nicht ganz unschuldig waren. Hinter ihm stand Ainfean, fern ihres sonstigen Lächelns der Heiterkeit. Auch die Sylvari hatte den Ernst der Lage begriffen und auch wenn die jetzige Situation ihr wiederstrebte, wusste sie zu schweigen und zu wachen.
"Es gibt Dinge, die tut man nicht in unserem Geschäft. Ich weiss, du bist nur der Bote, aber auch die sollten wissen was sich gehört." Veras Stimme hatte an einladender Wärme nicht verloren, trug jetzt aber den Tadel einer Mutter mit sich, die ihr Kind schalt. Der Wille zur Vergebung fehlte allerdings, wussten doch alle wie das Szenario enden würde. Dem Boten hatte sie vorsorglich die Möglichkeit zur Rechtfertigung mit einem Knebel im Mund genommen, wäre er noch mal zum betteln gelockt worden. Eine Maßnahme, die vor allem sie selbst vor unnötigen Mitleid schützen sollte, war sie doch manches mal zu empfänglich dafür. Auch in den letzten Stunden überkam sie der Gedanke einige male, doch das hätte die falschen Signale gesandt und sie wollte ein für allemale die Fronten geklärt haben.
Müde sank sie also vor Martens Cavini - seines Zeichens Bote und Spitzel von Amerak Steinhuber- in die Hocke und suchte seinen leeren Blick. Er hatte sich zurück gezogen in jeder Form, wollte das bisschen das man ihm gelassen hatte, im natürlichen Urinstinkt bewahren. Sein gutes Recht und wenigstens das wollte sie ihm lassen. "Du wirst Am sagen, dass er sich künftig aus meinen Geschäften raus halten soll, wenn er sich auf normalen Wege nicht durchsetzen kann. Vergreift er sich noch einmal an meinen Baustellen, oder klaut was davon, stampfe ich seinen Laden ein." Natürlich erhielt sie keine Antwort, zumindestens nicht verbal. Nur die Gesichtszüge spannten sich an, während die glasigen Augen sich wieder mit Tränen füllten. Und da keimte wieder das Quäntchen Mitgefühl auf, dass sie hier und jetzt einfach nicht gebrauchen konnte. Nicht in diesem Fall, wo kein Mann im Haus war und es um ihre Existenz und Domäne ging. Sich selbst eine Idiotin schimpfend, stemmte Veruca sich wieder höher und griff nach einem der ausgelegten Messer auf dem kleinen Tischlein. Nicht eine Klinge war dem Gast unbekannt, hatte Vera ihm doch eine jede vorgeführt und kosten lassen."schaff ihn weg wenn ich fertig bin. Ich will das er morgen früh auf Steinhubers Schreibtisch liegt, wenn er ins Büro kommt. Drück dieser Metze- wie heisst sie noch? Agneta, Agnes...Drück der ein paar Münzen in die Hand, damit sie Am und seine Jungs heute Nacht länger beschäftigt. Und verkaufs als kleines Geschenk für diesen Trottel, damit sie sich Mühe gibt." Drei Herzschläge lang zögerte die Sylvari und dachte über die Anweisung nach, nickte dann aber. "Soll ich Adrian informieren?" War die einzige Frage von den dunklen Lippen des Baumkindes und drang tief genug, um Veras Blick zu ihr zu locken. Nur kurz flackerte Ärger auf, doch zuletzt nickte sie, weil sie sich der einfachen Logik dahinter nicht entziehen konnte. "Ja, geb ihm bescheid. Aber sag ihm auch das ich alles im Griff habe und das es _nichts_ mit Papas Geschäften zu tun hat. Das ist wichtig. Jetzt geh."
Und das tat Fio, lies die Iorga mit ihrem menschlichen Päckchen alleine zurück, während sich darum bemüht wurde, den Boten formschön her zu richten. Die einzige Gnade war lediglich der Umstand, dass er all das schon nach wenigen Minuten nicht mehr lebendig tat, hatte das kleine Stimmchen Mitleid doch wenigstens mit einem sauberen Schnitt am Hals, gehör gefunden.
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