Plattenrüstung - Gewicht und Beweglichkeit

  • Heyho,


    hier zwei super interessante Videos für Rollenspieler, die Kämpfer mit schwerer Rüstung spielen. Natürlich spielen wir in nem Fantasy-Setting, aber trotzdem erleichtern die es, sich in den Charakter zu versetzen. Sind beides auf englisch, aber falls man der Sprache nicht mächtig ist, ich (und andere im Forum) werden die Fragen basierend auf den Informationen hier im Video sicher beantworten.


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    Super nützlich! Vorallem der Youtuber "Knyght Errant" erklärt alles leicht verständlich. Viele persönliche Eindrücke mit seiner eigenen Rüstung (27 Kg, laut seiner Aussage eine der schwereren Rüstungen, die man historisch getragen hatte) und toller Backcatalogue an Videos auf seinem Channel, mindestens ein Video zu jeden einzelnen Rüstungsteil.


    Nette Infos:

    • Zwischen 20-30kg wiegen die Rüstungen von Fußsoldaten (zumindest im britischen Raum von 14. - 15. Jahrhundert.) EDIT: abweichende Aussagen im Thread weiter unten! 45 kg wurde erwähnt!
    • Das Kettenhemd (~ 7kg) kann schwerer sein als die Brustplatte (~ 3kg). Der Youtuber trägt eine Brustplatte ohne Rückenteil, weswegen er ein vollständiges Kettenhemd trägt. Kettenhemden sind schwerer, die Brustplatte leichter als ich gedacht habe!
    • Die Schultern werden stark entlastet, weil viel Gewicht nicht einfach herabhängt wie ein Hemd, sondern durch Riemen etc an der Hüfte "haftet". Die/Seine Brustplatte lastet ganz auf der Hüfte, und das Kettenhemd auch schon bis zu nem Drittel.
    • Gewicht an der Hüfte soll verhältnismäßig angenehm zu tragen sein. Ich persönlich denke mal, dass das auch wegen dem Luftholen wichtig ist.
    • Gewicht an Armen (~1,5 kg) und Beinen (~ 3kg) ist vernachlässigbar. Das Gewicht an den Beinen wird beispielsweise gleichmäßig auf Ober- und Unterschenkel verteilt. Ein Großteil trägt tatsächlich nicht das Bein, sondern hängt schlicht an der Hüfte!
    • Bei Knight Errant sind die schwersten Rüstungsteile das Kettenhemd (~ 7 kg) und der Helm (~ 5,5 kg)
    • EDITIERT: Das Gewicht einer modernen Ausrüstung eines Soldaten laut Studien in 2003 und 2007 ist schwerer als das Gewicht, den ein Ritter mit sich schleppen muss. Der Youtuber nimmt an, dass das Gewicht der Ausrüstung, anders als bei der Plattenrüstung, nicht auf den gesamten Körper verteilt ist, sondern alles an der Weste, also dem Oberkörper hängt. Wahrscheinlich ist es weniger anstrengend, eine Plattenrüstung zu tragen, als eine moderne Kampfausrüstung in der US Army. EDIT: Der Ritter kann durchaus leichter sein, als ein US-Soldat. Mehr Infos dazu im Video!


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    Knyght Errant erwähnt, dass er kein "geschulter" Rüstungsträger ist. Es wird erwartet, dass jemand, der darin ausgebildet wurde, sich wesentlich eleganter bewegt. Zum Großteil und zu meiner Überraschung erleidet Knyght Errant Einschränkungen in seiner Bewegungen nicht unbedingt wegen der Rüstung selbst, sondern wegen dem Kettenhemd, der sich anders als Stoff zum Beispiel an den Achseln nicht dehnt! (Es soll gute Kettenhemden geben, die "Taschen" besitzen, die diese EInschränkungen aufheben.)

  • Das kann ich so unterschreiben und ich bin froh darüber, dass mal jemand mit dem Gerücht aufräumt, dass Plattenpanzer den Träger unbeweglich wie einen Stein machen. Errant macht gute Videos, den kann ich jedem Interessierten nur ans Herz legen.


    Bezüglich Ringpanzer: Mit einem Gürtel, der das auf Hüfthöhe hält, lässt sich das Gewicht super verteilen. Das drückt dann auch kaum mehr auf die Schultern. Bei langärmligen Panzern wurden auch zusätzlich Lederriemen um die Oberarme gezogen, um es zu fixieren. Die Dehnung an den Achseln ist irrelevant, da ein Ringpanzer kaum vor Stichen schützt und die Achseln einer der verwundbarsten Punkte sind. Folglich sollte man die nie entblößen.


    Ich habe irgendwo noch ein Video bezüglich Rollen in einem Plattenpanzer. Das suche ich daheim mal raus.


    Geister mit euch
    Trüm


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  • öhm.. 7kg für ein Kettenhemd? Das ist aber sehr nett gerechnet. Also meins liegt irgendwie bei 15 kg :huh:


    Ansonsten ja, kann ich dem zustimmen. Platte find ich viel angenehmer zu tragen und unbeweglich fand ich mich damit noch nie. Außerdem sehr angenehme Gewichtsverteilung.

    Tebbet Velun Cedrik Stonner Atherion Coriones Sturm Cornelis von Löwenstolz


  • Ich bin nicht Feodrit, aber ich besaß auch mal ein 15kg Kettenhemd und ich habe noch ein Bild von mir (2009) in eben jenem, falls das weiter hilft.



    Don't flame me. Da hatte ich noch nicht meine komplette Plattenrüstung.


    Und ja, das trug ich später auch mit gesamter Rüstung und hatte damit ein Gewichtszuwachs von ~45kg


    @Trüm
    Wenn du das Video meinst, welches ich kenne dann sollte es dies hier sein:


  • uff. 45 kg ist aber dann doch n großer Unterschied zu den 30, die Knight Errant erwähnt hat.


    Ist da n Unterschied zwischen den historischen Rüstungen und vllt neuere Nachbauten (für Reenactment) oder sowas? Ich meine mich zu erinnern, dass scholargladiatoria erwähnt hat, dass der Schild in Reenactment schwerer ist, als solche, die man damals tatsächlich in den Kampf trug. (Für Reenactment sei es doof, ständig Schilde nachzubestellen, deswegen will man nichts, was kaputt geht. Während in einer echten Kampfsituation man fest davon ausgeht, dass der Schild kaputt geht, und deswegen lieber Gewicht spart. Man nimmt also einen Schild, der gerade so viel einstecken kann, wie er muss und schmeißt den Schild danach schlicht weg.)


    Oder gibt es n Unterschied zwischen britischer Rüstung und solchen auf dem Festland?

  • uff. 45 kg ist aber dann doch n großer Unterschied zu den 30, die Knight Errant erwähnt hat.


    Es kommt auf das Material an. Ist der Stahl des Plattenpanzers gehärtet oder nicht? Wie dick ist er? 1,5 oder doch 3 Millimeter? Die Nasale mancher Helme waren sogar bis zu 4mm dick. Auch beim Ringpanzer ist das wichtig. Runde oder flache Ringe? Vernietet oder unvernietet?

    Ist da n Unterschied zwischen den historischen Rüstungen und vllt neuere Nachbauten (für Reenactment) oder sowas? Ich meine mich zu erinnern, dass scholargladiatoria erwähnt hat, dass der Schild in Reenactment schwerer ist, als solche, die man damals tatsächlich in den Kampf trug. (Für Reenactment sei es doof, ständig Schilde nachzubestellen, deswegen will man nichts, was kaputt geht. Während in einer echten Kampfsituation man erwartet, dass der Schild kaputt geht, und deswegen lieber Gewicht spart, und den Schild danach schlicht wegschmeißt.)


    Reenactment beruht auf dem Grundsatz der historischen Korrektheit. Das heißt auch, dass Rüstungen so historisch korrekt wie möglich hergestellt werden. Insofern spart man hier kaum etwas an Gewicht ein, da dies den Grundsatz verletzen würde. Also trägt man mitunter auch 3mm dicke Plattenpanzer, einfach weil es so korrekt ist. Im Vollkontaktsport braucht man die Materialstärke auch, um sich nicht die Knochen zu brechen. Ich weiß nicht, wie es im CB oder Larp aussieht. Wie dick ist dort das Material?
    Viele Darsteller betreiben eine Kriegerdarstellung ohne ativen Kampf. Soll heißen, sie stellen beispielsweise einen Ritterbruder des Deutschen Ordens dar - mitsamt Rüstung und Bewaffnung - setzen diese allerdings nie im sportlichen Kampf ein. Einfach, weil historisch korrekte Replikate ziemlich teuer sind. Und wie du gemeint hast - so ein Schild geht schnell kaputt. Und wenn ich mir die bemalte Pavese eines Bekannten ansehe, dann verstehe ich, warum er nicht mit dieser kämpft.
    Im Vollkontaktsport ist der Verschleiß höher und es wird geflickt, wo es geht. Schau mal zu Battle of the Nations. Da ist keine Rüstung top in Schuss.

    Oder gibt es n Unterschied zwischen britischer Rüstung und solchen auf dem Festland?


    Qualitativ sollten sich die Rüstungen nur minimal unterschieden haben, die größte Differenz waren wohl die Optik der Rüstungsteile oder Bekleidung. Hochmittelalter ist aber nicht mein Fachgebiet.


    Tante Edith sagt: Ich hab was vergessen.


    Geister mit euch
    Trüm

  • Ein kleiner Einwurf zum Thema Kettenhemden und Gewicht: Man bedenke hier den Kontext. Das Gewicht kann stark variieren, je nachdem über welche Form von Kettenhemd wir sprechen und auch wie es verarbeitet wurde (wie feinmaschig der Ringpanzer ist, usw.). Frühe Kettenhemden waren logischerweise bedeutend schwerer als späterere, da der technologische Stand voran schritt. Auch muss man bedenken, dass manche Kettenhemden als autonome Primärpanzerung gedacht sind, andere hingegen nur Sekundärpanzerung unter einer Plattenrüstung.


    Davon ab sind Nachbauten, auch im Reenactment, überraschenderweise häufig (natürlich nicht immer) weniger qualitativ hochwertig als historische Originale.


    Allgemein kann ich nur raten, immer den Kontext und potenzielle Variablen zu bedenken. Ich habe gelernt, mich nicht mehr auf absolute Aussagen zu verlassen, was historische Korrektheit anbelangt. Viele Leute im Bereich Reenactment und historische Kampfkunst sind unglaublich eingebildet und denken, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Häufig werden Zahlen oder sonstige Angaben als 'richtig' deklariert, nur weil man es so gelernt hat, während tatsächliche historische Quellen schwammig sind. Auch geschieht es nicht selten, dass Aussagen pauschal getroffen werden und wichtige Faktoren nicht mit dazu gesagt werden.
    Thryms Aussage (sorry dass ich dich da jetzt in diesem Sinne aufgreife) mit 3mm Plattenpanzer aufgrund von 'historischer Korrektheit' empfinde ich da als Paradebeispiel. Der Satz ist grundlegend nicht falsch, allerdings bedeutet das nur, dass die Platten an ihrer stärksten Stelle 3mm dick ist, sich zu den Rändern hin jedoch verjüngt. Eine durchgängig 3mm dicke Plattenpanzerung wäre abnorm schwer und kaum tragbar.


    Ich kann speziell aus dem traditionellen Bogensport die eine oder andere Anekdote erzählen. Häufig verwenden 'traditionelle' Schützen lediglich traditionelle Bögen mit moderner Schießtechnik und wissen es nichtmal. Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Verein, dem ich mal beitreten wollte, wo der Coach mir erstmal meine Technik und Haltung aberziehen wollte, weil er offensichlich noch nie wirklich mit einem englischen Kriegsbogen zu tun hatte. Ihm zu erklären, dass die Technik mit der Waffe zusammenhängt, war ein vergebliches Unterfangen, einfach aufgrund seiner Vorprägung. Manchmal glauben mir die Leute so ohne praktischen Beweis auch nicht, dass ich 120 Pfund spannen und schießen kann, weil es auf ihrer Zuglänge und mit ihrer Technik kaum machbar wäre, oder machen im Gegenteil völlig absurde Pseudowissens-Angaben darüber, wie stark so ein Bogen zu sein hat.


    So ist das überall. Bogenschießen, Schwertkampf, Rüstung, in allen Bereichen gibt es Experten, viele davon selbsternannt, und jeder hat andere Erfahrungen gemacht. Diese Erfahrungen sind häufig wertvoll, ebenso häufig aber auch horrend lückenhaft. Es gibt vollständige Plattenrüstungen, die wiegen nur 20kg. Es gibt solche, die 40-50kg auf die Waage bringen. Alles eine Frage von Kontext.


    "Wer weder zögert noch zurückweicht, wird belohnt werden."


    [color=#000000]- Schriften des Balthasar, 48 V.E.

  • Zitat

    Ein kleiner Einwurf zum Thema Kettenhemden und Gewicht: Man bedenke hier den Kontext. Das Gewicht kann stark variieren, je nachdem über welche Form von Kettenhemd wir sprechen und auch wie es verarbeitet wurde (wie feinmaschig der Ringpanzer ist, usw.). Frühe Kettenhemden waren logischerweise bedeutend schwerer als späterere, da der technologische Stand voran schritt. Auch muss man bedenken, dass manche Kettenhemden als autonome Primärpanzerung gedacht sind, andere hingegen nur Sekundärpanzerung unter einer Plattenrüstung.


    Davon ab sind Nachbauten, auch im Reenactment, überraschenderweise häufig (natürlich nicht immer) weniger qualitativ hochwertig als historische Originale.


    Allgemein kann ich nur raten, immer den Kontext und potenzielle Variablen zu bedenken. Ich habe gelernt, mich nicht mehr auf absolute Aussagen zu verlassen, was historische Korrektheit anbelangt. Viele Leute im Bereich Reenactment und historische Kampfkunst sind unglaublich eingebildet und denken, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Häufig werden Zahlen oder sonstige Angaben als 'richtig' deklariert, nur weil man es so gelernt hat, während tatsächliche historische Quellen schwammig sind. Auch geschieht es nicht selten, dass Aussagen pauschal getroffen werden und wichtige Faktoren nicht mit dazu gesagt werden.
    Thryms Aussage (sorry dass ich dich da jetzt in diesem Sinne aufgreife) mit 3mm Plattenpanzer aufgrund von 'historischer Korrektheit' empfinde ich da als Paradebeispiel. Der Satz ist grundlegend nicht falsch, allerdings bedeutet das nur, dass die Platten an ihrer stärksten Stelle 3mm dick ist, sich zu den Rändern hin jedoch verjüngt. Eine durchgängig 3mm dicke Plattenpanzerung wäre abnorm schwer und kaum tragbar.


    Krieg hat Recht, in allen Punkten. In diesem Sinne: Mea culpa.


    Wer sich im Reenactment auf Aussagen und Hörensagen verlässt, entbehrt sich jedweder Glaubwürdigkeit. Es zählen hier nur harte Fakten und historisch sowie logisch nachvollziehbare Rekonstruierung.


    Bezüglich Qualität: Ein historisch korrekter Ringpanzer mit Ringen aus handgezogenem Draht kostet ein kleines Vermögen. Insofern ist es verständlich, dass die Qualität bei manchen günstigeren Stücken etwas leidet.


    Geister mit euch
    Trüm


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  • Und nun platzt ein Historiker herein. Bin aber auf den Sprung, daher kurze Antwort (und die Videos hab ich jetzt auch nicht direkt geguckt).

    uff. 45 kg ist aber dann doch n großer Unterschied zu den 30, die Knight Errant erwähnt hat.


    Ist da n Unterschied zwischen den historischen Rüstungen und vllt neuere Nachbauten (für Reenactment) oder sowas? Ich meine mich zu erinnern, dass scholargladiatoria erwähnt hat, dass der Schild in Reenactment schwerer ist, als solche, die man damals tatsächlich in den Kampf trug. (Für Reenactment sei es doof, ständig Schilde nachzubestellen, deswegen will man nichts, was kaputt geht. Während in einer echten Kampfsituation man fest davon ausgeht, dass der Schild kaputt geht, und deswegen lieber Gewicht spart. Man nimmt also einen Schild, der gerade so viel einstecken kann, wie er muss und schmeißt den Schild danach schlicht weg.)


    Oder gibt es n Unterschied zwischen britischer Rüstung und solchen auf dem Festland?

    Im Mittelalter verbreiten sich Trends und Techniken über die Handelswege und über die Städte. Wissen konnte so schon relativ gut bzw. "exakt" weiter gegeben werden, dementsprechend auch Techniken zur Herstellung einer Rüstung. Variationen, auch in der Fertigung, gab es natürlich immer, ist klar. Teilweise hing das auch von den Ansprüchen, Wünschen und dem Geldbeutel der Auftraggeber, aber auch von den Fähigkeiten der Schmiede ab. Denn nicht vergessen, wir sind noch weit entfernt von einer industrieller Herstellung nach DIN-Form oder ähnlichem und nicht jeder (Hoch)Adlige hatte Geld ohne Ende.


    Reenactment beruht auf dem Grundsatz der historischen Korrektheit. Das heißt auch, dass Rüstungen so historisch korrekt wie möglich hergestellt werden. [...]

    Reenactemnt erhebt sehr gerne diesen Anspruch, ist es aber nur zum Teil, da die meisten dort immer noch Laien sind und gerne die Dinge falsch interpretieren bzw. falsche Schlüsse ziehen etc. Damit will ich Reenactment nicht verteufeln, aber man sollte diese Gruppen wirklich mit Vorsicht genießen, selbst wenn mal dort der ein oder andere Archäologe oder Historiker zugegen ist. Ich habe da schon "katastrophale" Dinge gesehen, allerdings in anderem Zusammenhang. Und ja, ich weiß, das höre vor allem jene nicht gerne, die in solchen Gruppen sind oder Verbindungen zu ihnen haben.


    Das war aber offtopic, nun kurz zum Thread-Thema:
    Ja, die experimentelle Archäologie hat schon lange festgestellt, das solche Plattenpanzer mehr Bewegungsfreiheit boten als gedacht. Allerdings - und da sind wir bei falschen Schlüssen - muss man im Hinterkopf behalten, dass nicht jeder sich eine auf seinen Körper maßangefertigte Rüstung leisten konnte. Manche erbten einfach nur die Rüstung des Vaters/Bruders/Onkels/whatever oder setzten sich ihre Rüstung aus Teilen anderer Rüstungen zusammen. Dadurch konnte (!) die Bewegungsfreiheit schließlich wieder deutlich leiden.


    Edit: Dronon war schneller, aber dann gebe ich ihm hochoffiziell das Zertifikat "Gut" für seinen Post. :P

    "In omnibus requiem quaesivi et nusquam inveni nisi in angulo cum libro" - Thomas von Kempen

  • Streng genommen leiden sowohl die Historiker als auch die Vertreter des Reenactments häufig unter Fehlauffassungen, sollte man vielleicht noch hinzufügen. Ich habe auch mal eine Zeit lang Geschichte studiert (nicht lange wohlgemerkt, bevor ich gewechselt habe) und besonders in der typischen, altbekannten Frage "Langbogen gegen Plattenrüstung - wer gewinnt?" erzählen renommierte Historiker oft genauso großen Unsinn wie mancher Reenactor. Erstere Fraktion kann oftmals den praktisch angewandten Kontext nicht richtig einschätzen (auch manche 'wissenschaftlichen' Testkonditionen sind teilweise ziemlicher Müll), während der Reenactor manchmal nicht differenziert genug mit den Quellen umgeht.


    Allgemein wissen meistens die tatsächlichen Kampfsportler bzw. Waffenkenner am Meisten über die jeweilige Ausrüstung, weil sie sich am intensivsten mit der Praxis beschäftigen und nicht wie im Reenactment auf einen Kompromiss zwischen historisch überzeugender Aufmachung und Veranstaltungsrichtlinien bedacht sind. Aber auch in diesen Kreisen gibt es wie gesagt häufig verbreiteten Irrglauben.


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  • Zum Thema "Langbogen vs. Plattenrüstung" gabs auf scholargladiatorias Channel ein (eigentlich mehrere) super Interview mit Tobias Capwell! Ich habe mir rein zufällig die Videos nochmal angesehen, weil ich von ihm das Minimal- und Maximalgewicht hören wollte. Mir sind die genauen Zahlen egal, aber eine gewisse grobe Richtlinie wollte ich schon recht gerne.


  • Argh, ich wollte das Thema jetzt eigentlich nur examplarisch anführen. Ich könnte mich stundenlang darüber auslassen, aber ja - die Informationen auf scholagladiatoria sind gut, wie eigentlich zu fast jeder dort behandelten Thematik. Rundum ist es eigentlich immer falsch, aus einem Abgleich auf Augenhöhe irgendeinen ultimativen Rückschluss darauf zu ziehen, ob die Plattenrüstung nun der 'Sieger' ist oder nicht. Durch die Platte selbst kommt kaum eine Waffe wirklich effektiv, und es ist im Endeffekt selten das Ziel, diese zu durchstoßen.


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  • Zu den Kettenhemden:
    ich bin da ja nu mal Noob, hatte aber aufgrund von Larpis und Bekannten in Reenactmentkreisen zumindest schon mal so was in Händen - Und da fiel mir beim Lesen hier gerade etwas auf, wo ich vorher gar nicht dran gedacht hab:


    Das Gewicht des Kettenhemdes hängt doch auch damit zusammen, wie lang das ist, ob es langärmlig oder kurzärmlig ist, oder - gab es solche Variationen damals gar nicht und das ist so ein Schau-Ding?
    Ich hatte mal eins übergestreift, das hatte nur kurze Ärmel und ging auch Längenmäßig gerad eben über den Hintern, das wog 6 oder 7 Kilo.
    Ein anderes war so schwer, das ichs nicht mal richtig heben konnte - Das hatte lange Ärmel und ging mir dann auch (fast) bis zu den Knien (Ja, ich bin nicht sooo groß). Also wäre es, wenn ich es übergezogen hätte. Ich habs lieber gelassen :D Ich meine knapp oder etwas über 14 Kilo wog das.

  • Die Länge des Panzers ist von der Zeit abhängig. Sowohl die römische Lorica Hamata als auch die frühmittelalterlichen Ringpanzer waren kurzärmlig und reichten wohl nur knapp über die Hüfte. Wie häufig die Verwendung in der römischen Armee war, kann ich nicht sagen, dazu aber bei Interesse Inaee fragen, die müsste das wissen. In der Eisenzeit war ein Ringpanzer Luxus und sehr teuer und so auch sehr selten. Ab etwa 1000 zum Beginn des Hochmittelalters hin wurden die Panzerhemden wohl langärmlig. Zeitgenössische Abbildungen zeigen zumindest hauptsächlich langärmlige Panzer.
    Im Hochmittelalter trugen die sogenannten Kreuzritter auch langärmlig. Ob und wie im Spätmittelalter Ringpanzer verbreitet waren, entzieht sich meiner Kenntnis.


    Geister mit euch
    Trüm


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  • Noch einmal kurz offtopic.

    Streng genommen leiden sowohl die Historiker als auch die Vertreter des Reenactments häufig unter Fehlauffassungen, sollte man vielleicht noch hinzufügen. Ich habe auch mal eine Zeit lang Geschichte studiert (nicht lange wohlgemerkt, bevor ich gewechselt habe) [...]

    Das liegt in der Natur der Sache. Uns fehlen letztendlich die Quellen, bzw. wir haben nicht genug, um wirklich verlässliche Aussagen zu treffen, sonst würden wir ja auch nicht drüber diskutieren müssen. Da reichen auch keine super duper Tests, wenn die grundlegende Annahmen und Ausgangspunkte möglicherweise schon falsch sind.


    Die modernen Mediävisten - egal aus welchem Bereich - stellen ihre Forschung quasi unter der Devise "Mut zur Wissenslücke", denn anders kann man kaum verfahren. Das gefällt natürlich so manch einem, der gerne etwas praktisches (RP, Reenactment etc. pp.) machen möchte, nicht, lässt sich aber von "der Wissenschaft" nicht ändern, wenn diese weiterhin seriös bleiben möchte. Und ja, unseriöse Aussagen werden im wiss. Diskurs knallhart verrissen, das erreicht nur häufig nicht die Öffentlichkeit - und in deinem Falle hast du dann, pardon, wirklich nicht weit genug studiert.



    @Kettenpanzer:


    Kleine Ergänzung zu Trüm: Jedwede Ausrüstung ist zu jeder Zeit teuer - nicht nur in der "Eisenzeit" - und immer nur wenigen Leuten verfügbar gewesen, egal ob Rüstungen oder Waffen. Man darf sich Krieg in der Zeit eh nicht so vorstellen, dass eine Schlacht auf die andere folgten. Die meiste Zeit rusht der eine über das Bauernland des anderen, bis letzterer entweder den Kampf sucht oder vorher schon klein bei gibt. Auch Burgenbelagerungen gab es nur selten. Daraus resultiert, dass das Defizit, dass nur wenige gut ausgerüstet sind, gar nicht einmal so schwer ins Gewicht fiel.
    Entsprechend sind Waffen und Rüstungen auch zu Statussymbolen geworden, mit denen sich der adlige Kämpfer vom Rest abheben konnte. Um so unerhörter für viele damals, als speziell in Mitteleuropa die Ministerialen - also Unfreie! - einen solchen sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg hinlegten, dass sie sich ebenfalls zum Ritter ausrüsten konnte.


    Kettenpanzer sind bis hin zum Dreißigjährigen Krieg noch häufig im Gebrauch. Zahlreiche Funde in Museen bspw. stammen tatsächlich noch aus der Frühen Neuzeit, durchaus auch wieder kurzärmlig, oder immer noch, da sie nie aus dem Gebrauch gekommen sind. Denn wie ich schon im ersten Post angedeutet habe: Nicht jeder kann sich alle neuen Entwicklungen leisten und muss auf ältere, wenn nicht sogar auf ererbte, Rüstungen zurückgreifen.

    "In omnibus requiem quaesivi et nusquam inveni nisi in angulo cum libro" - Thomas von Kempen

    Einmal editiert, zuletzt von Meavy ()

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