Ein Tag wie jeder andere
Elyzabet schlenderte an der Buden vorbei. Unter den weiten Ärmeln ihres noch viel zu großen Hemdes und in ihren Taschen hatte sie die Sachen versteckt, die sie dem schmierig aussehenden Obsthändler abgenommen hatte.
Noch war dem Kerl der Diebstahl nicht aufgefallen.
Ihr Herz raste. Aber sie versuchte ganz genau das zu befolgen, was Mirage ihr eingeschärft hatte: Niemals rennen! Denn Rennen würde nur die Aufmerksamkeit des Bestohlenen auf sich ziehen.
Der kleine Rotschopf wusste, dass die Freundin nicht weit entfernt ebenfalls durch das Getümmel schlich. So unsicher und ängstlich sie für gewöhnlich war, sobald sie Mirage in ihrer Nähe wusste, wurde sie nahezu furchtlos.
Die Sechsjährige hatte folgende Dinge erbeutet: eine handvoll Nüsse, zwei kleine Äpfel und etwa fünfzehn Kupferlinge, die der Kerl noch nicht eingestrichen hatte.
So weit so gut. Aber der Weg über den Wochenmarkt erschien ihr unerträglich lang. Die Masse aus Kaufwilligen bewegte sich nur zähflüssig. Fast schon hatte sie den großen Verkaufsstand, den sie für ihr Tagwerk ausgewählt hatte, hinter sich gelassen, um in der Menschenmenge zu verschwinden.
Elyzabet hasste den Wochenmarkt. Alles. Die Menschen, die lärmend und rücksichtslos durch die schmalen Gassen drängten, die Verkäufer und Marktschreier, die ihre Angebote in den Strom brüllten, die arroganten Seraphen, die anderen Mädchen, die sie abschätzig musterten.
Mirage hingegen liebte das bunte Durcheinander und das hektische Treiben. Die Leute waren unachtsamer, ihre Geldbeutel weniger gut verstaut und oft auch unverschlossen. Mehr als genug Gelegenheit, die Reichen um die eine oder andere Kupfer- und manchmal sogar Silbermünze zu erleichtern.
„Haltet die Diebin!“, ertönte es plötzlich hinter ihr. Ein kurzer Blick über ihre Schulter ließ jeden
Zweifel, dass tatsächlich sie damit gemeint war verpuffen.
Nun war es also wieder einmal an der Zeit zu rennen...
„Das war ja irgendwie zu erwarten...“, keuchte Mirage neben Elyzabet.
Der Seraph, den der bestohlene Händler auf den Rotschopf gehetzt hatte, war erstaunlich ausdauernd und hartnäckig an dem kleinen Langfinger dran geblieben. Es war wieder Mirages Verschlagenheit zu verdanken, dass der Wächter die beiden Mädchen nicht hatte schnappen können.
„Ich habe alles ganz genau so gemacht, wie du es mir gesagt hast!“, protestierte die Sechsjährige japsend, „Ich bin ganz ruhig geblieben und hab so getan, als hätte ich Geld...“
„Ja, genau das ist ja auch das Problem! Du weißt nämlich gar nicht, wie das so ist, wenn man Geld hat...“
Elyzabet reichte Mirage einen der beiden Äpfel. Ihre Freundin strich sich eine besonders widerspenstige dunkle Locke aus dem Gesicht und begutachtete die Beute.
„Und wie viel Kupfer hast du dem Drecksack abgenommen?“
Elyzabet kramte die Münzen hervor und legte sie in Mirages offene Hand.
Intro
Es gibt zwei Sorten von Ratten
Die gemeinsame Kindheit mit Mirage
Ein Tag wie jeder andere
Geburtstag
Seraphen und andere Probleme
Der neue Klingenmeister
Weil sie uns niemals kleinkriegen werden
Henry von Greifenstein
Das Ende der Freundschaft zu Mirage
Blut
Wir. Töten. Diese. Ratte.
Kein Feuer so heiß *Spoilerwarnung*
Das Feuer
Erinnerungen
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