Ein leichtes Kribbeln bemächtigt sich ihrer Fingerspitzen als sie das alte Buch aufschlägt. Der Foliant ist groß und schwer, vermutlich würde der Rücken des Buches brechen wenn sie es nicht auf einem Tisch aufschlagen würde, so alt ist es inzwischen. Gefunden hat sie es im Keller der Kräuterhexe... Abwesend reibt sie sich die Stelle unterhalb ihres Bauches, dort wo Lende und Beckenknochen sitzen. Die kleine Narbe ziept kaum merklich. Aber wer hätte gedacht, dass so ein altes Weib, so gut schießen kann... Arians wütender Schrei hallt ihr durch den Kopf und danach das Knallen seiner Pistole. Das heiße Brennen in ihrem Körper bemerkt sie erst als sie nach hinten kippt und sie aufgefangen wird. Das Blut klebt rot an ihren Händen und ...
Rachel schüttelt den Kopf und beugt sich wieder über das alte Buch. Versteckt hatte die alte Hexe es, in einem kleinen Kabuff hinter ihrem Verkaufstresen. Eigentlich hatte sie mit Drogen und allerlei dubiosen Heilmittelchen gerechnet die das alte Weib unter der Hand und quasi unter dem Tresen regelmäßig verkaufte, aber der Foliant war ein wirklicher Fund. Das Wissen darin alleine war mehr wert als die ganze heruntergekommene Hütte am Rand der Beetletun Siedlung in der das Kräuterweib seinen Geschäften nachging. Die alten, trüben Augen und das graue Haar, samt dem Humpeln hatten viele Leute über den wachen Verstand und das diebische Gemüt der Alten hinweg getäuscht. Schrullig und schrill war sie gewesen, mit Kleidung die aus bunten Flicken zusammengewürfelt war und sackartig, ohne Form und Konturen am alten klapprigen Leib hing. Die Stimme kratzig und schrill, eine richtige alte Nebelkrähe. Dass man sie weithin für harmlos hielt, kam ihr gerade recht. Rachel schauderte noch immer wenn sie daran dachte was für Gifte und Drogen sie alles in dem kleinen windschiefen Hüttchen gefunden hatte. Genug Gift um ein halbes Dorf zu vergiften, mehr Drogen als man in einem Leben nehmen konnte und dann erst dieses Zeug das einen benommen und wehrlos machte. Sie kannte die Wirkung nur zu gut, war ihr selbst lange Monate ausgesetzt gewesen.
Die Übelkeit die bei diesen Gedanken in ihr hochstieg unterdrückt sie nur mühsam. Um sich abzulenken blättert sie auf die nächste Seite. Die Hände in feine Stoffhandschuhe gesteckt um die alten Seiten nicht zu beschädigen. Der Geruch des alten Buches ist einmalig. Mit jedem Atemzug kann sie das alte Wissen praktisch riechen dass sich auf diesen Seiten befindet. Die Schrift ist zu großen Teilen schon ein wenig verblasst, die Tinte mehr gräulich als schwarz und so dauert es seine liebe Zeit bis sie die Worte entziffern vermag. Doch das ist es wert. Denn was sie hier lernt, ist kein rudimentäres Wissen über Blutmagie und Heilungen, sondern wie sie ihre Fähigkeiten dazu nutzen kann negativen Einfluss auszuüben. Aus der Distanz. Ein schwieriges Stück Magie, aber mit dem richtigen Fokus und viel Übung.
Langsam dreht sie den gläsernen, blutroten Fokus in Fingern den sie neben dem Buch gefunden hat. Ob die Schriften von genau diesem Fokus sprechen? Der feine rötliche Neben lässt ihre Hand niemals nass zurück und leuchtet nur auf wenn sie selbst ihn in der Hand hält. Bei Arian bleibt der Fokus still. Aber vielleicht hat das auch einfach etwas mit Veranlagung zu tun. Wer weiß das schon so genau... Immerhin ist er magisch so begabt wie ein Stein...
Dafür hat er andere Qualitäten. Ihre Mundwinkel zucken leicht und sie räuspert sich als ihre Gedanken in allzu verführerische zugleich ablenkende Gefilde schweifen. Konzentration! mahnt sie sich selbst zur Ordnung und beugt sich wieder über das Buch, den Fokus in der Hand. Nachdenklich reibt sie mit dem Daumen über die gläserne Oberfläche, das Glas liegt warm in ihrer Hand und lässt sich so perfekt festhalten. Eine feine Maserung ist in dem Glas zu sehen, Symbole deren Sinn sie noch nicht zur Gänze erschließen konnte und deren Bedeutung sich noch verbirgt.
Bisher jedoch scheint der Fokus ihre Kraft generell zu verstärken und erleichtert ihr das Wirken von bereits bekannten Zaubern. Eine ganz andere Sache sind da die neuen Flüche derer sie sich angenommen hat. Immer neugierig und immer bereit sich neues Wissen anzueignen, ist sie sich nicht ganz sicher ob sie die Dinge lernen möchte die in dem Buch beschrieben werden. Nicht alles davon hat praktische Anwendung wie sie selbst findet. Einer der Flüche sorgt dafür das dem Ziel beständig kälter und kälter wurde, angeblich konnte man damit unbedachte Opfer sogar einfrieren. Welchen Nutzen das in einem Kampf haben soll muss mir dann aber noch mal jemand erklären.
Milde irritiert schüttelt sie den Kopf. Alles findet eine Anwendung, man muss nur manchmal ein wenig... kreativ werden. Um den Fokus auszuprobieren, ist das allerdings nicht wirklich das richtige. Ich brauche etwas, dessen Effekt direkt eintritt. Etwas... das ich vorher nicht so leicht bewerktstelligt habe. Nachdenklich blättert sie auf die nächste Seite, ein Ritual nimmt Formen an als sie die Schrift enziffert und auf halbem Wege feststellen muss das eine Seelenbeschwörung so gar nicht ihr Ding ist... Den Kopf einer Ratte abbeißen. Wer kommt denn auf sowas... Wenn ich diese alten Dinge lese wundert es mich nicht warum alle so skeptisch gegenüber Nekromanten waren...oder es immer noch sind? Bah... Ein leises fast reumütiges Seufzen entweicht ihr, aber keine andere Magie will sich ihr überhaupt Unterran machen und so blättert sie weiter. Fast ein wenig entmutigt durch das alte Buch dessen Inhalte mehr und mehr so wirken als wären sie nicht realisierbar für sie. Vielleicht wäre ein neues besser, mit neuen... sie stockt mitten im Gedanken als sie die Überschrift des Zaubers liest. Ein Lächeln spielt auf ihren Zügen und sie gluckst leise. Totenerweckung.
Na bitte, das sieht doch gut aus! Eifrig beugt sie sich über den Folianten und schreibt sich fein säuberlich noch einmal die Formeln auf, die beschriebene Magie scheint leichter zu nutzen zu sein und erschafft einen mächtigen, permanenteren Diener. Das Kribbeln kehrt in ihre Fingerspitzen zurück als sie weiterschreibt, ein Lächeln auf den Zügen. Ich liebe Bücher...