"Ich hasse dieses Ding." Rachel hält den alten Kerzenständer in Händen und blickt ihn kritisch an. Das Messing ist schon lange angelaufen und mit den verschiedensten Wachssorten verschmiert. Weiße, grüne, blaue, gelbe rote Wachsflecken tummeln sich auf dem alten Ding und so einige Verfärbungen haben sich über die Zeit eingeschlichen. "Hässlich." befindet sie dann nach kurzer Überlegung. Außerdem mag Arian keinen Schnickschnack.
Also weg damit. Der Stapel mit den Dingen die sie nicht mitnehmen will gestaltet sich immer größer während es nur einige wenige Möbel und Erinnerungsstücke gibt die sie tatsächlich behalten will. Von ihrer Teebox lässt sie sich zum Beispiel nicht abbringen. Die behält sie. Der Kasten ist aus feinem dunklem Holz gefertigt und ist mit Schnitzereien verziert die an die Verzierungen an Norn-Rüstungen erinnern. Die verschlungenen Knoten mit den Augen zu verfolgen ist eines der kleinen Rituale die sich um ihren Teegenuss ranken, genau wie der Wasserkocher mit dem kleinen Termomether an der Seite damit das Wasser auch wirklich die genau richtige Temperatur hat. Außerdem hat die Kiste diese hübsche Glasplatte in den Deckel eingelassen. Das ist kein Schnickschnack. Sicher nicht. Und sie kommt ja in die Küche. Da ist er ohnehin nur so selten.
Die letzten beiden Tage hat Rachel in ihrem alten Heim verbracht, viele persönliche Gegenstände gibt es tatsächlich nicht mehr. Vor allem Bücher hat sie aussortiert, ein paar Kleider. Hausrat und Möbel lässt sie zu großen Teilen hier. Immerhin hat Arian darauf bestanden das Haus neu einzurichten. Damit es für sie beide passt. Obwohl sie also mit Staub verschmiert ist der ihr in den Haaren hat sie ein kleines Kribbeln und Flattern im Bauch. Es ist nicht das erste Mal das sie mit einem Mann zusammen zieht, aber das erste mal so richtig offiziell.
Das er jetzt auf Reisen ist, kommt ihr gerade Recht. Er sieht sich die Falknerei an mit Ven und die beiden werden noch ein wenig unterwegs sein. Zufrieden schmunzelnd packt Rachel so die letzte Kiste und schaut sich um, die Hände in die Hüften gestemmt. Im Geiste geht sie ihre Liste noch einmal durch ehe sie sich mit einem leisen Summen auf den Weg zum neuen Haus macht.
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"Vorsichtig! Das ist GLAS!" herrscht sie die beiden Möbelpacker an die Helena ihr empfohlen hatte. Tüchtig sind sie ja, aber doof wie Brot. Wie angekündigt. Alles muss sie ihnen zweimal sagen und vorhin hätten sie fast die kleine Kommode für's Badezimmer in der Küche stehen lassen. Seufzend bindet Rachel sich die Haare neu die sich ständig aus ihrem Dutt lösen. Genau so ein Kampf wie mit den beiden Knechten. "Das kommt in die Küche. Und passt um Grenths Willen auf die Türramen auf, wenn ihr mir die Glastür an dem Schrank kaputt macht, ziehe ich euch das vom Lohn ab!" Diese Drohung ist die erste die wirklich fruchtet. Jedenfalls das Möbelstück landet sicher im Haus und an der richtigen Stelle. "Wieder was dazu gelernt. Keine Angst vor Ohrfeigen, aber Lohnabzug." murrend folgt Rachel den beiden Kerlen ins Haus hinein und wischt Schränke aus.
Auch das Hausmädchen Lotte ist heute da und hilft. Die junge Frau ist so tüchtig, Rachel ist noch immer unendlich dankbar sie damals eingestellt zu haben. Ohne sie hätte sie das jedenfalls nicht geschafft. Von oben hört sie immer wieder das leise Fußgetrappel der jungen Frau die gerade alle Bücherregale auswischt. "Lotte? Wenn du Hunger hast, stehen belegte Brote auf dem Küchentisch!" ruft sie die Treppe hinauf die das Mädchen schon spiegelblank geputzt hat. Auch die neue Küche glänzt. "Ist guuuhuuut!" tönt es von oben zurück. Ein kleines Lächeln huscht über Rachels Züge, so wie sie Lotte kennt muss sie ihr in einer Stunde vermutlich zwangsweise eines der Brote in die Hand drücken.
Lautes Krachen tönt aus dem Wohnzimmer und Rachel rennt fluchend hinüber. "ICH HAB DOCH GESAGT AUFPASSEN!" ...
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Abends sitzt Rachel in ihrem neuen Haus und grinst zufrieden vor sich hin. Geschafft. Nicht alleine und nicht ohne ein paar graue Haare, aber immerhin geschafft. Und das ist ja auch die Hauptsache. Das ganze Organisieren und Schleppen hat sich gelohnt. Das Haus ist fertig eingerichtet, sauber und ordentlich, ohne Schnickschnack. So wie Arian es wollte. Und schön ist es geworden. Richtig gemütlich. Muss sie sich selbst mal loben. Die Teetasse hin der Hand schaut sie sich noch einmal um und seufzt dann leise. "Ich hoffe er freut sich." Erzählt hat sie ihm nämlich nichts davon dass er umzieht. Also, zusammen gekauft haben sie das Haus schon. So ist es nicht. Nur weiß er noch nichts davon, dass der Umzug schon fertig ist. Die Überraschung wird ihm ja hoffentlich gefallen.
Barfuß wandert sie über die neuen und frisch gewachsten Fußböden ins Arbeitszimmer hinauf. Hohe Regale säumen eine Wand, die andere hat genug Platz für die Tür hinaus zum Balkon. Der Schreibtisch steht links im Raum, in der Nische die so gemütlich aussieht. Keine Pflanzen, kein Schnickschnack. Nur der ordentlich aufgeräumte Schreibtisch. Wie in seinem Haus. Ein kleines Lächeln geistert über ihre Züge als sie sich ein letztes Mal umsieht und nickt. Heute Nacht muss sie noch einmal alleine schlafen, ab morgen jedoch wohnt sie mit ihrem Liebsten offiziell zusammen. Ein warmes, wohliges Gewicht sammelt sich in Rachels Magengegend, als wäre sie endlich zu Hause angekommen. Bei ihm.
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