Prüfungen


Prüfungen


Der Tag nach der Nachtschicht begann viel zu schnell...ich hatte kaum geschlafen, zu sehr war ich mit den Gedanken bei dem verletzten Mitglied der Gruppe. Ich kauerte in einer Ecke des großen Raumes, das wohl einmal ein Schlafsaal war und jetzt als Lazarett gebraucht wurde. Immer wieder strichen meine Finger über die Maske, die wohl eher zu einem Ball gepasst hätte, als zu einer Reise in eine Gefahrenzone und meine Gedanken wanderten immer wieder zu dem Besitzer. Die Augen, die mich von Anfang an in den Bann zogen und an die Erinnerungen die ich damit verbannt. Aus diesen schöpfte ich Kraft und als der Morgen dämmerte, war meine Schicht vorbei. Ich tapste in den Gemeinschaftssaal und fand ihn gut gefüllt vor, denn eine erneute Erkundungstour stand an. Schnell versteckte ich mein Mitbringsel unter meinem dicken Pullover und stellte mich zu der Feuerstelle, um den Berichten vom Vortag schweigend zuzuhören. Ich war müde und es kostete mich Kraft, zuzuhören, aber ich jammerte nicht und machte mich auch sonst kaum bemerkbar. Die Maske der Gleichgültigkeit sah's gut und ich wurde kaum angesprochen, bis ich vor allen für die gute Arbeit an dem Verwundeten gelobt wurde. Doch es blieb nicht viel Zeit, groß darauf zu reagieren, denn es herrschte Aufbruchstimmung und so beeilte ich mich, meinen Mantel über zu ziehen und die sonstige Ausrüstung anzulegen. Kurz überprüfte ich die Pfeile in dem Köcher und meinen Bogen, bevor ich den Köcher an meinen Gürtel band und den Bogen, seitlich an meinem Rucksack, befestigte, der wie immer für Notfälle gepackt war. Ein Wasserschlauch, ein wenig Trockenfleisch, Verbandssachen und was man sonst noch so brauchte, sollte etwas schief gehen. In wenigen Minuten war ich bereit und kehrte zu den Anderen zurück und so brachen wir auf.


Der Fußmarsch von vier Stunden zog sich, war dafür aber erstaunlich ruhig und ich konzentrierte mich auf meine Aufgabe: Die linke Flanke der Gruppe zu sichern, immerhin hatten wir kostbares Gepäck in Form einer Baroness bei uns. Noch immer schnaufte ich bei dem Gedanken, wie sie sich der Gruppe vorgestellt hat, aber bisher bin ich um ein Gespräch mit ihr herum gekommen.


Unser Ziel war das Rabensanktum und schließlich erreichten wir es und kamen ohne Verluste hinein, wenn auch nicht ohne Kampf, da sich ein Eiskonstrukt sich uns in den Weg stellte. Innen angekommen, nutzen wir die Gelegenheit und ruhten uns aus und stärkten uns mit etwas Essen. Ich hatte keinen Hunger, nutzte aber die Zeit, mich auszuruhen. Mein Platz war eine geschützte Ecke, ein wenig abseits der Gruppe und so wurde der Rucksack geöffnet und die Maske erneut hervor gezogen. Ich vermied Gespräche und versuchte die Norn der Gruppe zu ignorieren, was mir auch gut gelang und immer wieder döste ich ein, holte so ein wenig Schlaf nach. Dennoch schien die Pause viel zu kurz zu sein, denn der Befehl zum Weitergehen kam für mich viel zu schnell. Diesmal sollte ich die Rückseite der Gruppe decken und wortlos kam ich dieser Aufgabe nach, während wir weiter zogen.


Weit kamen wir allerdings nicht, denn die Gruppe wurde von einer Statue aufgehalten, die uns Rätsel stellte. Es war ein scheußliches Rätsel und die Entscheidung fiel mir schwer, aber ich war bereit weiter zu gehen. Nur die Norn unserer Gruppe weigerte sich voran zu schreiten und sich dem angekündigtem nächsten Rätsel zu stellen. In diesem Moment bröckelte meine Maske, denn unüberlegte Worte kamen über meine Lippen. „Du reißt die ganze Gruppe auseinander, mit deiner Weigerung weiter zu gehen.“ Mein kalt ausgesprochener Satz ging zum Glück unter in den ganzen Beschwichtigungen und so schwieg ich und schrie sie in Gedanken an. 'Wie kann man nur so egoistisch sein und nur an sich selbst denken? Siehst du nicht die Gefahr, in die du uns alle bringst, wenn du die Gruppe spaltest? Sicher werden einige nur deinetwegen zurück bleiben und die die weiter gehen, um an dem Ziel zu arbeiten, währen geschwächt.' Es tat gut, sie in Gedanken zu beschimpfen, war aber gleichzeitig froh, meine Worte nicht laut ausgesprochen zu haben, denn ich sah, wie ihr alle Mut machten...


Schließlich gingen wir weiter und ich war auf alles vorbereitet, nur nicht auf die Dunkelheit, die sich fast wie ein Gewicht um mich legte. Plötzlich war die Gruppe verschwunden und ich alleine. Zuerst versuchte ich mir selbst Mut zu machen. „Diese Dunkelheit ist wie die Dämmerung. Ich mag die Dämmerung. Die Zeit zwischen der dunklen Nacht und dem hellen Tag. Wenn die Konturen der Welt verschwimmen und ich auf Wesen treffen könnte, die aus einem Märchen entspringen.“ Aber das Märchen vor meinen Augen verwandelte sich in eine grausame Geschichte und ich verwarf den Gedanken wieder und versuchte der Dunkelheit mit Trotz zu begegnen. „Und genau deswegen habe ich Angst vor Nähe! Weil jeder, der sagte, er wäre immer für mich da, mich irgendwann verlassen hat. Ich brauche niemanden, nur mich selbst, denn ich werde mich nie verlassen“ Maulte ich in die erdrückende Schwärze. Doch der Trotz schwand schnell, als das Gefühl des Verlustes und der völligen Einsamkeit mich zu erdrücken drohte. Ich rannte...ich rannte blind durch die Dunkelheit und alleine mit meinen wirren Gedanken. Der Weg fühlte sich endlos an und als ich schon aufgeben wollte, strauchelte ich in einen Raum und sank auf alle Viere. Mit weit aufgerissenen Augen hörte ich dem nächsten Rätsel zu, während meine Tränen auf den Boden tropften. Die Anderen bemerkte ich kaum, als sie plötzlich wieder auftauchten und die Gespräche und besorgten Fragen, die sie sich gegenseitig stellten, drangen nur als Gemurmel an mein Ohr. Aber auch diese Prüfung brachten wir hinter uns...
'Wie viele kommen noch? Wie viele halte ich noch durch? Warum müssen wir das machen? Ich habe Angst...' Meine Gedanken hielten mich schon wieder gefangen, aber es brachte nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn wir liefen weiter. Die nächste Prüfung kam und ich fragte mich, wie lange wir noch so gefoltert werden würden. Endlich ertönte die Stimme und sagte, die Prüfungen wären beendet und ich atmete erleichtert auf. Die Anderen aus der Gruppe wollten noch diskutieren, ich wollte so schnell wie möglich von diesem Ort flüchten, aber ich fragte nicht. Kein Wort kam über meine Lippen und so tapste ich nur zu dem einzigen Weg, der vor uns lag, bis die restlichen Mitglieder entschieden, dass es Zeit war zu gehen.

'Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen? Hätte ich andere Entscheidungen getroffen, wären die Tage vorher anders verlaufen? Waren meine Entscheidungen kaltherzig? Waren es überhaupt meine Entscheidungen?'

Auf all die Fragen hatte ich keine Antworten, auch wenn ich mir den ganzen Rückweg den Kopf zerbrach. Ich wusste nur, dass es ein anstrengender Tag war...ich wusste nicht, wie schwer es war, seine Gefühle zu verbergen und immer nur Gleichgültigkeit vorzutäuschen...es kostete mich enorme Kraft...Kraft, die an diesem Ort kostbar war...

Kommentare 2

  • Bei all der Komplexität fragt man sich ... Warum hat man eine Maske nicht als Grundausstattung dabei?! Super Gesichtsschutz wie ich finde :D
    Spaß beiseite: Die Gedankengänge und die umschreibungen sind schön zu lesen. Ich persönlich finde Geschichten in der "Ich" Form schwierig, aber das hat mir gefallen!

    • Ja warum nicht zur Grundausstattung machen?!
      Dankeschön. Ich hab es vorher in beiden Versionen geschrieben und mir gefiel immer die "Ich" Version besser.^^