Der Flug zur Sonne - Eintrag 9-11

[Sonne-Playlist]


Eintrag 9, Tag 4


Wieder hatte ich einen Traum, einen sehr kurzen Traum. Ich sah dieses Bild unserer Welt vor mir. Doch die Welt war nun die Sonne und wir entfernten uns nicht von ihr. Das Fenster war weg. Ich allein war wieder in dieser schwarzen Leere, fiel auf die Sonne zu. Mein Magen fühlte sich an wie beim Turmspringen in Löwenstein, ich erinnerte mich wie ich meinen Körper spannte, um unverletzt in das leuchtende Wasser zu fallen.
Der Aufprall war erfrischend, aber auf eine andere Art. Denn das Wasser war nicht kühl, es fühlte sich an wie ein heißes Bad. Doch ich fühlte mich dadurch gestärkt. Eine Strömung hatte mich in die Tiefe gezogen, doch ich blieb erstaunlich ruhig. Ich würde wohl nicht mehr rechtzeitig auftauchen können, ich fand mich damit ab.
Ich ruderte gelassen und durchstieß mit einem Mal unverhofft die Oberfläche. Irgendwas war dann über mir, aber ich kann nicht sagen was, ich erinnere mich nicht. Ich wachte auf, zwei Köpfe auf den Schultern.
Ja, ich hatte ja neben Zina und Yrlan gesessen, die ich dann möglichst sanft in die andere Richtung pendeln ließ, um freizukommen. Sie wachten nicht auf. Ich machte mich also daran, mich im Schiff umzuhören.


Inke ist zornig! Während fast alle während dem Abschied von unserer Welt aus dem Fenster geblickt hatten, sind Lebensmittel aus ihrer Kammer verschwunden, eine kleine Menge Dörrfleisch, Schinken und Käse. Ich vermute ja Manooma, die ihre Traurigkeit manchmal mit Essen bekämpft, aber diesen Verdacht werde ich nur in diesem Buch äußern.
Sie hat zwar unseren Abflug verfolgt und das Leuchten der Luftwesen wahrgenommen, aber reden wollte sie nicht.


Eintrag 10, Tag 7


So etwas wie Alltag hat sich langsam auf der Durmand eingestellt.
Es könnte sein, dass meine Einträge bis zum nächsten großen Ereignis kürzer und unregelmäßiger ausfallen, ich werde vor allem Notizen machen und mit der Kru sprechen.


Ein Tag beginnt nun meistens gleich:
Beim Frühstück sitzen wir gemeinsam zusammen, Magisterin Nizp begrüßt uns und Dr. Pynzos informiert uns auf einer Tafel über das Datum, die zurückgelegte Strecke und Eigenartigkeiten. Die einzige 'Eigenartigkeit' ist bisher nur ein verschwundenes Huhn gewesen, Skruu und Rollo haben versprochen, im Maschinenraum die Nasen nach unfreiwilligem Braten offen zu halten.


Es gibt weniger zu tun als man denkt. Den Hauptteil der Arbeit übernehmen die Steuerleute und die Besatzung des Maschinenraumes.
Die Wachsamen stehen auf ihren Posten, als wären wir in einer Festung. Ryla und Nelfain kümmern sich um ihre Gärten, Manooma wertet Aufzeichnungen aus, Inke und Zina sorgen dafür, dass wir satt und unterhalten sind. Und die Hylek beobachten die Sonne durch das Frontfenster.
Beobachten ist wirklich eine der besten Beschäftigungen, wenn man sonst keine wirkliche Aufgabe hat. Ich traf heute die beiden Tengu in Rylas Garten, sie standen vor dem großen Heckfenster. Zwei ehrwürdige Erscheinungen: Takuma Goldfeder und seine Gemahlin Hoshi. Die beiden Exploratoren blickten stolz auf unsere immer kleiner werdende Welt, der sie so viele Geheimnisse abgerungen hatten. Als ich noch klein war hatte ich fasziniert von der Kristallhöhle unter der Feuerring Inselkette gelesen. Diese beiden hatten sie entdeckt. Dann war da noch die verlorene Zwergenenklave unter Kolkorensburg. Dort hatte sie zwei alte Steinzwerge getroffen, nach der langwierigen Entschlüsselung eines alten Tormechanismus. Die Zwerge waren froh über ein wenig Gesellschaft, auch wenn sie Takuma zunächst ein Auge ausgeschlagen hatten. Da er nun eine mechanische Ersatzlinse trug, konnte er ihnen verzeihen:
„Wenn man über 400 Jahre mit seinem besten Freund im Esszimmer sitzt, ohne etwas zu essen, mit eingefrorenem Bier auf dem Tisch...und dann zwei Vogelwesen einbrechen, die man bis zu seiner Versteinerung als Feinde in Erinnerung hatte? Dann ist eine schockierte und gewalttätige Reaktion verständlich, ja zu erwarten.“
Heute wohnen die beiden Zwerge so weit ich weiss sogar in Cantha. Wo genau ist kaum jemandem bekannt, sie verstecken sich vor den Anhängern und Verehrern der beiden Tengu.




Explorator Takuma Goldfeder


Mich könnte man auch als einen ihrer Anhänger bezeichnen, auch wenn ich mich bemühe ihnen nicht auf die Nerven zu gehen. Das erste Mal war ich ihnen bei der Entdeckung des Goldfeder-Archipels begegnet. Ich muss jetzt nicht weiter ausführen, wie das Archipel zu seinem Namen gekommen ist. Es besteht aus vierzehn kleineren Inseln, die ein gutes Stück östlich von Elonas Küste beheimatet sind. Jedenfalls war ich an Bord des zweiten Schiffes, das das Archipel erkundete, die beiden Tengu trafen wir auf der größten der Inseln. Vor Ort und mit ihrer Hilfe schrieb ich übrigens eines meiner ersten Bücher. ('Die verrückte Welt des Goldfeder-Archipeles', erschienen im Xill&Thal-Verlag)
Auf dem Archipel gibt es einen schlafenden Vulkan, der einen alle Inseln überblicken lässt. Auch wenn die Tengu jetzt mehr von der Welt sahen, als es von jedem Berg möglich wäre, waren sie nicht ganz zufrieden mit den Aussichtsmöglichkeiten, die die Durmand bot. Ihr Vorschlag war eine Art gläsernes Krähennest mit Rundumblick, das oben aus der Hülle ragen sollte. Da Rollo sich bekanntlich langweilt, hat er bereits mit dem Bau begonnen.



Eintrag 11, Tag 9


Es ist wieder Essen aus Inkes Speisekammer verschwunden. Aus Zorn hat sie heute beim Mittagessen eines der alten Fischerboote von der Decke geschlagen, mit einer Panzerfischtrophäe. Das Boot ist nicht mehr zu retten, aber Zina will versuchen den Kopf des Fisches wieder festzuleimen. Allein ein Holzpaddel ist unversehrt geblieben. Inke plant etwas um den Dieb zu fangen, aber ich bin nicht eingeweiht worden - sie hat mich auf die Liste der Verdächtigen gesetzt!