Der Flug zur Sonne - Eintrag 12

[Sonne-Playlist]


Eintrag 12, Tag 10


Als ich heute meine abendlichen Runden durchs Quagganbecken schwimmen wollte, ist mir aufgefallen, dass ein Boot direkt vor Manoomas Korallenhaus gesunken ist. Der findige Leser wird die Zusammenhänge schnell verstanden haben - Boolwi hat sich an den Resten von Inkes Boot bedient, um Manooma zu ärgern. Heute ist sie aber weniger weinerlich. Das mag daran liegen, dass ich ihr letztens eingebläut habe, dass sie keine Schwäche mehr zeigen soll, wenn Boolwi wieder Schabernack treibt.
Vielleicht bin ich da in meinen Bemühungen über das Ziel hinausgeschossen, fast schon zornig entfernte die Quaggan das Wrack vor ihrem Eingang, ich half ihr dabei. Dann griff sie sich eine abgebrochene Planke und wartete am Ende der Leiter auf Boolwi, der noch unterwegs war.
Sie war entschlossen, ihn für heute nicht in das Becken zu lassen. Ihretwegen sollte er sich zu den Hylek verziehen, die ihn dann vergiften!
Sehr drastisch, aber selbst einem Quaggan reichte es irgendwann. Das hatte man im Jahr der roten Küsten gesehen. Damals waren die Quaggandörfer Krytas gegen die Krait vorgegangen. Nie mehr hatte man seit dem davon gehört, dass Krait es wagten ein Korallendorf zu überfallen. Hier hatte der Völkerpakt eines seiner Vorteile gezeigt: Während die Krait absolut nichts dazu bewegen mochte, dem Pakt beizutreten, schlossen sich die Quaggan der Gemeinschaft an, die damals noch aus Asura, Charr, Sylvari und Hylek bestand. Mit ihrem Wissen, ihrer Technologie und Entschlossenheit fügten sie den Krait die verheerendeste Niederlage zu. Es gibt Berichte von Hunderten toten Krait, die an die Küste geschwemmt wurden.
Kaum zu glauben, dass diese vom Aussterben bedrohte Art einmal eine ernst zu nehmende Gefahr darstellte.


Ganz so schlimm ist das mit den beiden Quaggan natürlich nicht. Ich versuchte Manooma zwar zu überreden, die Sache bleiben zu lassen. Aber sie sprach davon, dass Quaggan nun entschlossen sei.
Da ich mich in gewisser Weise verantwortlich fühlte, blieb ich in ihrer Nähe, oder viel mehr im Becken.


Nach einer halben Stunde war Boolwi da und kletterte unbekümmert die Leiter hoch, nach dem er mich begrüßt hatte. Am Ende der Leiter angekommen beugte sich Manooma über ihn und blickte ihn finster an, die Holzplanke wedelnd.
„Entschuldige dich bei Quaggan!“, war ihre Forderung. Boolwi lachte nur auf, spöttisch, wie ich glaube, doch dafür bekam er einen Schlag auf den Kopf, der ihn beinahe hätte stürzen lassen. Empört stieg er die Leiter herunter und eilte davon. Manooma hob triumphierend die Planke, die an die Decke anstieß und suchte meinen Blick. Ich nickte schwach und ging wieder auf Tauchstation. Aber lange blieben wir nicht allein.


Ich weiss nicht was Boolwi den Wachsamen erzählt hat, die er daraufhin mitbrachte, aber sicher war die Geschichte ausgeschmückt worden. Das würde nämlich erklären, wieso gleich vier Wachsame antraten, mit gezückten Waffen! Vielleicht waren sie auch nur froh über jede Art Abwechslung.
Tukil, der Hylek, war dabei, so wie Ruus, ein braungelber Charr. Und natürlich mussten gleich alle zwei Menschenmänner der Wachsamen dabei sein, während ich hier badete. Ich griff mir ein Handtuch und setzte mich an den Beckenrand, abwartend wer wie reagieren würde.


Dakin von Nebeltal, der bei der Montage vom 'Nest' dabei gewesen war, nahm die Sache sehr ernst. „Die Waffe runter!“, rief er zur Quaggan hinauf, die immer noch ihr Holzstück in der Hand hielt. Er zielte mit der Pistole auf ihren Kopf. Wäre Dakin vor der Großen Vigilsierung* geboren, er wäre wohl ein Mitglied der Ministerialwache geworden.
Ich besah mir die Reaktionen der anderen – nahmen sich alle Wachsamen so ernst? Von Tukil konnte ich keine Regung feststellen, aber das konnte man auch sonst nie. Der Charr schien gelangweilt, und der Mann, der sie anführte, seufzte leise. Das war Taktiker Silear Orondos, aus Kourna. Nach Kriegsmeisterin Nillia Rubinflamm war er somit der ranghöchste der Wachsamen auf diesem Schiff. Er war eine imposante Erscheinung - schwarze Haut, ein eckiger Bart, eine glänzende Panzerung. Und natürlich die elonischen Locken, die er sich zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Längst hatte er seine Pistole geholstert, ehe er in seiner tiefen, beruhigenden Stimme sprach: „Dakin, das ist eine zerbrochene Holzplanke.“
Noch einen Moment blickte Dakin in Manoomas entschlossenes Gesicht, ehe er seine Waffe senkte.
„Ihr Gelehrten, mit Euren lächerlichen Streits...“, knurrte er. Boolwi wagte sich schließlich hinter seinem Charr hervor und tönte mit noch tieferer Stimme: „Quaggan glaubt, die Plankenhexe ist verrückt. Und gefährlich!“
Man musste Dakin nicht mögen, aber irgendwie hatte er ja Recht. Das war leicht albern.
„Quaggan lässt dich erst hoch wenn du dich entschuldigst Foolwi!!“
Was hatte ich da geschaffen? Ein wenig stolz war ich ja schon auf Manooma. Die Wachsamen lächelten nur mitleidig und hörten den beiden noch bei ihrem Streitgespräch zu, bis der Taktiker sprach:
„Boolwi, wir haben nicht den ganzen Abend Zeit. Entschuldigt Euch einfach.“ Alle vier Wachsamen sahen den frechen Quaggan an. Er blickte durch ihre Gesichter, dann zu Manooma herauf. Das wäre ein Sieg für sie, aber was erwartete er, dass man Manooma einsperrt? Das hatte er ja schon selber getan, mit dem Boot. Also gab Boolwi das erste mal gegnüber Manooma nach: „Quaggan entschuldigt sich...“ Das war weniger aufregend als man es sich vorgestellt hätte. Der Rest verlief wortlos, er kletterte hoch und jeder verschwand in seiner Hütte.


De Wachsamen wollten weitergehen, doch Silear blieb stehen und sah zu mir auf.
„Du bist doch diese Bücherschreiberin?“, fragte er mit dünnem Lächeln. So dünn das ging, bei seinen vollen Lippen.
„Aye, ich bin diese Bücherschreiberin. Was ihr jetzt sagt kommt vielleicht ins Buch.“
„Siehst nicht so aus wie jemand, der Bücher schreibt.“
Den Satz hatte ich schon öfters gehört. Ich war gespannt warum der Taktiker an mir zweifelte.
„Nicht?“
„Nicht so klug.“, sagte er mit einem Grinsen, als wäre er ein gewitzter Skalde der Norn. Sie lachten, also alle Wachsamen außer dem Hylek.
Ich mochte den Hylek.
„Und euch sieht man gar nicht an, dass ihr so witzig seid.“, murmelte ich. Ich war müde und nicht in meiner schlagfertigen Phase. Die besten Antworten fielen mir ohnehin meistens eine Stunde später ein.
„Das sind unsere schicken Uniformen.“ Silear schmunzelte und Dakin verschränkte die Arme vor der Brust. Na, da hatte ich gleich zwei Angeber erwischt.
Ruus, der Charr, blickte gelangweilt zur Seite. Etwa in Richtung Küche.


„Das muss wohl eine anstrengende Arbeit sein, so ein Buch zu schreiben.“, meinte der Taktiker zwinkernd.
„Sicher nicht so anstrengend wie vor Türen rum zu stehen und Quagganfrauen zu entwaffnen.“, entgegnete ich.
Er lächelte etwas gequält und nickte dann seinem Trupp zu. „Weitermachen.“
Sie verschwanden Richtung Küche.
Ob der Taktiker eine Falle für den gewieften Hühnerdieb legte?


Nicht alles hier oben war geheimnisvoll und aufregend.