Areshtan von Brunnmark stand mit einem großen Kelch Wein in der Hand vor dem Fenster seines Gemachs das durch die günstige Lage des Grünbachanwesens einen hervorragenden Blick über das Stadtviertel bot. Noch war das Treiben in der Stadt nicht erloschen. Wo in der Heimat längst nur noch der Nachtwächter und der Laternenanzünder umhergingen um nach Ungemach Ausschau zu halten war hier noch allerlei Volk auf den Straßen. Auch die Geräusche waren lediglich etwas gedämpfter und ruhiger als über Tag, aber noch lange nicht verstummt.
Verstummt war auch noch lange nicht das Gebrüll jener unsäglichen Bestie namens Streithahn welcher seine häßliche Visage am heutigen Tage in Areshtas Leben erhoben hatte wie lange nicht mehr. Das ganze ging schon am morgen los beim Frühstück. Als sein Cousin Hardvaard das angeblich unschickliche Verhalten auf dem Bankett von Fürst Morrowe thematisieren mußte.
Was war so schlimm daran einer charmanten Sylvari im Austausch für einen schönen Abend denselben zu bereiten? Um etwaige dynastische Politik zu betreiben blieb doch noch genug Zeit. Selbst wenn einige Adelige in seinem Alter schon längst auf den Hafen der Ehe zusteuerten.
Zornentbrannt hatte er das Haus seines werten Cousins verlassen, sich erst planlos in der Stadt herumgetrieben, dann auf dem Zeughausschießstand fast eine ganze Kiste Patronen in diverse Übungsziele gejagt, von denen nicht wenige in seiner bildhaften Vorstellung vom Conterfeit seines Cousins und dessen Mutter geziert wurden. Es sah Tante Yvette tatsächlich ähnlich, entweder Areshtans Vater zu so einem Komplott zu bezirzen, oder den alten Herrn nichtmal in alle Details einzuweihen und die Sache mit ihrem Erstgeborenen allein durchzuziehen. Er fühlte sich verraten und verkauft.
Erst als der Schießwart ihn darauf aufmerksam machte das die Anzahl Hülsen die bereits den Boden bedeckten aufgrund der Rutschgefahr zu einem Sicherheitsrisiko wurden, und darüberhinaus Areshtans Flinte wohl längst einer Reinigung bedurfte brach der Baronet seine wütende Ballerei ab, die ohnehin eher auf möglichst hohen Munitionsverbrauch denn genaues Schießen ausgelegt war. So recht war sein Zorn aber noch nicht im wahrsten Sinne des Wortes verraucht und so trieb er sich weitere Stunden ziellos in der Stadt umher. Schließlich landete er wie auch schon so manchen Abend zuvor im gut gefüllten Schankraum des gewürgten Flaschenhalses. Einer Schänke in der er zwar deplatziert wirkte, aber dennoch bisher kein Ungemach erfahren hatte und die Gesellschaft der wesentlich ungehobelteren Clientel gerade weit besser vertrug als irgendwelche hochgestochenen Herrschaften in einem Herrensalon.
Doch dem Monstrum des vielköpfingen Streithahnes sollte er auch hier nicht entgehen. Es war bereits kurz nach dem Eintreffen als sich ausgerechnet in der Gruppe mit der er in dieser Schenke plauderte Zwistigkeiten entbrannten. Das man mal unterschiedlicher Meinung über ein Thema war mochte ja sein. Aber je später der Abend wurde desto hitziger wurden eben jene Diskussionen geführt. Immer wieder befeuert von der Tatsache das keine der beteiligten Parteien gewillt war den Standpunkt des jeweils anderen zu betrachten. Ob es nun die vermeintliche Untätigkeit der Sechs und die damit einhergehende "Dreistigkeit" des Klerus war Taten von Menschen als Segen der Götter einzufordern. Oder der tiefe Graben zwischen den Menschen und den Charr, jenen katzenhaften Hühnen die man besser weit entfernt von sich wußte da sie selbst ohne Waffen von unberechenbarer Gefährlichkeit waren.
Die anwesende Norn, eine gewisse Jali, machte es durch ihr impertinentes Beharren auf der "Kriegsalleinschuld" der Menschen, sehr schwer noch die Fassung zu bewahren.
Die Fassung bewahren, eigentlich unter allen Umständen eine Kardinalsdisziplin jedes Mannes von Stand und selbst er hatte dabei jämmerlich versagt. Im Nachhinein kam er zu dem Schluß das er sich, in der erhitzten Atmosphäre, weitaus zu leicht Luft über seinen Cretin von Cousin gemacht hatte. Der ihm beim Frühstück eben mal so eröffnet hatte, dass man ihn von seiner ehrenvollen Aufgabe des Karawanenschutzes, im Namen der Baronie Brunnmark abgezogen und zum Verehelichungsdienst abkommandiert hatte. Solche Familieninterna trug man in höheren Kreisen nicht nach außen und schon garnicht vor niederem Volk. Aber geschehen war geschehen und wie er seinen Cousin kannte würde er sich das spätestens übermorgen aufs Frühstücksbrot schmieren lassen müssen, da nicht auszuschließen war das Hardvaard auch dort im schmutzigeren Teil der Stadt seine Spitzel hatten die prüfen sollten ob sich sein Blutsverwandter nicht irgendwelchen unschicklichen Liasonen mit Schankweibern oder sogar Sylvaridamen hingab.
Ein Schluck des Weines fand den Weg die Kehle hinunter doch so recht schmecken wollte er dem Baronet heute nicht. Dreck, er haßte diese Stadt jetzt schon mit all ihren Widrigkeiten, Fallgruben und Stolperdrähten. ein zentaurisches Minenfeld war ein Kinderhindernispacours dagegen.
Und dann war da noch Nell, jene energetische rothaarige Lokalgröße. Nicht ganz unschuldig daran das der Baronet nach seinem ersten "Hängenbleiben" in diesem drittklassigen Etablissment sich immer wieder dahin verirrte, offenbarte sie in all dem Sud aus Zwist, Streit und hitzigen Argumenten, eine Seite die erneut sein Vermögen die Fassung zu bewahren arg auf die Probe stellte.
Nicht nur das sie sich, angesichts jeder in die Schänke lugenden gehörnten Katzenvisage, in eine wild kreischende Harpyie verwandelte, und auch bei den ausgetragenen Streitereien stets an vorderster Front stand.
Nein zu guterletzt mußte sie sich wohl auch noch mit einem ihr wohl eigentlich sehr wohlgesonnenen Herrn namens Athes in die Haare bekommen. Es wurden verbale Schläge ausgetauscht die bar jeden Geschmacks waren und wie man sie so wohl tatsächlich nur in einer Taverne für jenes Volk fand das von der Hand in den Mund existierte und somit nur für den Augenblick lebte und kämpfte, statt an das Morgen zu denken.
Schlußendlich nach Schlägen tief unter die Gürtellinie auf beiden Seiten ging es doch nur noch um die Frage wer mit diesem Unfug angefangen hatte. Es erinnerte ihn an zwei Halbwüchsige die sich über irgendetwas, dass für sie beide von Wichtigkeit war, in die Haare bekamen und schließlich einer versuchte mithilfe eines "Immer zweimal mehr wie Du!" das ultimative Argument aufzufahren, daß der andere ganz allein Schuld war.
War die Frage wer angefangen hatte von Belang, nachdem beide Kontrahenten blutenden Herzens am Boden lagen und Wunden lecken mußten? Wohl kaum, aber das war ihr selbst mit betont ruhigen Worten nicht zu vermitteln. Vielmehr noch wurde selbst Areshtan noch Opfer ihrer Fauchereien womit sie einer etwaigen Charrrivalin so effektiv die Zähne hätte zeigen können, dass diese Schwanz über Hörner geflüchtet wäre.
Auch wenn Areshtan diesmal bravourös die Fassung bewahrte. Er hatte nicht übel Lust die Frau über die Schulter zu werfen und Kopf vorran in der nächsten Pferdetränke zu versenken damit sie endlich abkühlte. Das größte Hindernis war darin wohl die Abwesenheit einer Pferdetränke in der näheren Umgebung und so beschloß der junge Baronet schlichtweg zu gehen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf der Bildfläche zu erscheinen wenn Nell wieder etwas klarer sah darin wen sie wofür eigentlich zur Schnecke machte.
So galt es diesen unsäglichen Tag als einen jener zu beschließen die man am besten in billigem Wein ertränkte, da man einen teuren eh nicht mehr hätte genießen können, sich irgendeinen schmalzigen Kupfergroschenroman aus dem Regal zog in dem einem die schöne heile rosa Variante von dem vermittelt wurde was in Wirklichkeit zwischen dem Pechschwarz der Mißgunst, dem Feuerrot des Zorns... und natürlich dem Blau und Lila im Gesicht erblühender Veilchen schwankte.
Rosa... am Rande erschien doch noch etwas das diesen Tag nicht zur Gänze zu einem Fiasko machte. Der Baronet hatte heute eine weitere, eher flüchtige Bekanntschaft geschlossen und der Duft von wilder Rose war mit dieser verknüpft. Ein Duft der an einem Ort wie dem Flaschenhals ebenso deplatziert wirkte wie ein junger Mann in einer Brokatweste. Die junge Dame erschien auch ansonsten zu ganz anderen Gefilden geschaffen als der Schänke und war in all dem Gestreite schließlich ein Fluchtpunkt an dem man sich in dieser Stromschnelle aus "ICH HAB RECHT UND DU HAST UNRECHTER!" festhalten konnte. Man tat schließlich das weswegen Areshtan überhaupt abseits des gräflichen Palazzos war. Man plauderte über angenehme Dinge. Wildrosenparfum zum Beispiel, oder der Möglichkeit unter Führung der wohl sehr ortskundigen Frau diese Stadt vielleicht etwas facettenreicher erleben zu können.
Kurz bevor die Dame, die einzige die sich dort an diesem Abend als solche auch gebärdete, mit dem männlichen Part des, im Duktus eines alten verknöcherten Ehepaares streitenden, Gespanns die Taverne verließ, flüsterte sie ihm noch ein Angebot zu das er angesichts seiner Unkenntnis über diesen Moloch namens Götterfels wohl in naher Zukunft annehmen würde.
Mit einigen kurzen Luftstößen löschte Areshtan die Kerzen seines Gemachs und begab sich alsdann zu Bett in der Hoffnung das ihm die Fratze des Streits nicht auch noch in den Nachtschlaf folgen würde.