Es war bereits weit nach mittag als Graf von Grünbach hinunter stieg in den Keller des Stadthauses. Jene Kellerstiege die er seinen werten Cousin hatte heut morgen gleich nach dem Frühstück hinabsteigen sehen. Er hatte keinen Schimmer was sein umtriebiger Cousin mit dem leeren Gewölbe am Ende des Weinkellers wollte, doch da der Raum seit Jahren ungenutzt war, hatte der Graf seinem Verwandten gesagt das er den Raum gern haben könne solange er nicht plane das Palazzo in die Luft zu jagen. Dieser war sofort ans Werk gegangen die Öllampen in dem staubigen Korridor zu entzünden und nun waren auch die Türen mit Keilen befestigt damit sie sich nicht von selbst schlossen. Cousin Aresthan war im Laufe des Vormittags mehrfach gesehen worden wie er schwere Kisten hatte in den Keller hinabschleppen lassen, oder es gar selbst tat bei einigen davon und das Scheppern und Schaben von Metall und Holz auf Stein deutete darauf hin das der Baronet bereits reichlich geschäftig in dem Kellerraum zugange war.
Mit einem deutlich vernehmbaren Klopfen trat der Graf in den niedrigen Kellerraum ein der von Öllichtern, mit speziell gefertigten Reflektoren und Glaslinsen in eine nahezu blendende Helligkeit getaucht wurde. Eine die in diesem staubigen Gewölbe wohl Jahre nicht geherrscht hatte, da es nichtmal einen Lichtschacht gab der hinaus auf die Straße führte.
Um Areshtan herum verteilt standen diverse der großen Kisten, an einer Wand hatte bereits ein offenbar neues Regal und eine aus massiven Holzbohlen gefertigte Werkbank ihren Platz gefunden. Ein weiteres Regal befand sich gerade im Aufbau, ebenso wie ein seltsames Gerüst das irgendwie wohl an einen Waffenständer in einem Zeughaus erinnerte.
"Darf ich erfahren was das werden soll Cousin?"
Areshtan zog den Kopf aus einer der großen Kisten und blickte zu dem Sprecher, in der Hand Metallrohre und Stäbe unterschiedlichen Durchmessers. "Recht einfach Cousin. Da ich in absehbarer Zeit nicht nach Brunntal zurückkehren werde habe ich beschlossen mir hier eine Werkstatt einzurichten. Das Ingenieurwesen ist eine Wissenschaft die sich schnell weiterentwickelt und man muß aktiv bleiben um nicht sprichwörtlich einzurosten."
Damit richtet er sich auf und begann die Röhren in einem Fach des Regals einzusortieren. "Desweiteren war ich ja auch nicht untätig was mein Engagement in die hiesigen Adelsaffären angeht und diesbezüglich werde ich eine Werkstatt in schon absehbarer Zeit wohl brauchen."
Ja das sein Cousin nicht wirklich untätig war, war dem Grafen auch aufgefallen, nur hatte das nichts mit Adelsangelegenheiten zu tun gehabt. Erst gestern hatte Graf von Grünbach seine beiden Leibwächter ausgeschickt um den Baronet zu suchen, da dieser auch spät nach Einbruch der Dunkelheit nicht nach Hause gekommen war. Schlußendlich hatten sie ihn aus dem Marktviertel geklaubt wo er in unangemessener Weise mit irgendeinem rothaarigen Gossenweib auf dem Rasen herumlungerte, wie ein abgerissener Landstreicher.
"Ah Du meinst aber nicht zufälligerweise Deine Art und Weise den hiesigen Gaunerbräuten Deine Aufwartung zu machen?"
Areshtan seufzte kaum merklich und hielt kurz im Sortieren seiner Teilesammlung inne, setzte dann aber wieder fort und schüttelte den Kopf. "Cousin, Du bist sonst stets so hervorragend über meine Tätigkeiten informiert, weißt genau welche Gaunerbraut ich wann wo treffe, es entgeht Dir dann aber dass ich in aller Form der werten Lady von Flammenfels die Aufwartung mache um mit ihr über karitative Vorhaben der hohen Gesellschaft dieser Stadt zu sprechen, und darüber wie ich darin einen Teil erfüllen kann, wie es einer Person unseres Standes geziehmt?"
Von Grünbachs Kinnlade klappte beinahe herunter, in der Tat hatte er davon nichts mitbekommen.
"Und ja ich habe mich an alle Formen der Etikette gehalten. Ich habe Bruchsteben eine formelle Vorstellung verfassen und meine Karte übergeben lassen, und dann in aller Höflichkeit auf eine Antwort der Lady gewartet, die von ihr ausgesprochene Einladung wahrgenommen, ihr ein angemessenes Gastgeschenk überreicht und so weiter..."
Er hatte die letzte Bronzeröhre in ein passendes Fach gelegt und drehte sich nun zu seinem Cousin um um ihn anzusehen. "Und werter Cousin ich habe sogar die Ausgehgarderobe angelegt um in angemessener Erscheinung bei der Lady vorstellg zu werden. Sie ist übrigens eine sehr sympathische Dame und ich bin von ihrer Bereitschaft für die Ärmsten und Schwächsten in die Bresche zu springen entzückt."
Bruchsteben hatte sogar offiziell um Einladung ersucht und ihm nichts davon gesagt. Es war vielleicht ein Fehler gewesen Areshtan zum Engagement eines Sekretärs zu nötigen, diesen aber nicht selbst mit auszusuchen. Der in Würde ergraute, wenn auch etwas sehr konservative, Herr hatte beeindruckende Referenzen vorgelegt und war aufgrund dieser vom Baronet in Dienst genommen worden. Offenbar übertrieben diese Referenzen nicht, wenn sie die Diskretion des Mannes würdigten.
"Und darüber bist Du darauf gekommen Dir hier eine Werkstatt einzurichten Areshtan? Ich begreife den Zusammenhang nicht? Meine Person wird sicher einiges Geld zur Verwendung für das Waisenhaus aufbringen um meiner Verpflichtung gegenüber dieser Stadt und ihren Bürgern genüge zu tun und ich hätte erwartet das Du das selbe tust."
Eigentlich war das gelogen. Zuerst hatte er erwartet das sein Cousin so mit sich selbst beschäftigt war das er einen Aufruf aus Adelskreisen für irgendwas außer einer Vergnügung garnicht registrieren würde. Das er nun wie es allgemein üblich war eine großzügige Spende zu Gunsten jener von der Dame ins Leben gerufenen Aktion begeben würde war ja nahezu Ehrensache, aber das emsige Treiben in diesem Kellerraum ließ den Verdacht aufkommen das die Lady, was immer sie besprochen hatten, ihn zu anderem animiert hatte. Ob ihm das gefallen wollte... eher nicht, auch wenn er schon zufrieden war das der ungestüme Baronet die Höflichkeitsvorschriften adeliger Etikette offenbar nicht nur gelernt hatte, sondern soweit verinnerlichte das er sie auch befolgte.
"Und Du hast nun vor was zu tun?"
Areshtan bückte sich und förderte aus einer weiteren Kiste weitere Metallteile zu Tage, starke Drählte zum Biegen von Federn, Metallplatten aus denen sich Führschienen, Kulissen und Rahmen fertigen ließen.
"Nun das was ich am besten kann Cousin. Geld ist immer eine schöne Sache, vor allem ist es die bequemste Art seiner geburtsbedingten Verantwortung für die Schwachen gerecht zu werden. Und sicher würden es mir die Zuwendungen meines Vaters mehr als erlauben es mir auch so einfach zu machen. Werde ich aber nicht tun. Ich werde für das Waisenhaus einige Spielzeuge konstruieren, sowie für die Älteren ein paar Bausätze zusammenstellen mit denen diese ihre ersten Gehversuche in der Ingenieurskunst machen können. Das Geld hilft den Kindern während sie dort in der Obhut der Waisenbetreuer sind. Nur sollten wir daran denken das sie irgendwann zu alt dafür werden und in die Freiheit entlassen werden, was für die meisten von ihnen sicherlich eine grausame, kalte Freihheit ist. Ihnen bei der Erlangung von Kenntnissen zu helfen die einigen von ihnen vielleicht zur Ergreifung eines Berufs gereichen der sie auch ernähren kann, kann so falsch nicht sein, oder Cousin? Noch dazu wo Du Ihnen wohl nicht den Verlust ihrer Eltern als eigenes Verschulden anlasten möchtest."
Der Graf war überrascht und auch nicht überrascht. Sein Cousin hatte immer ein Herz für die einfachen Leute gehabt und sah in eigenem Tun mehr wert als im freigiebigen Verteilen von Almosen aus dem stattlichen Familienvermögen. Aber daß er sich gleich so würde ins Zeug legen wollen war dann doch ein wenig überraschend. Natürlich wurmte es den Grafen das sein provinzieller Cousin nun wieder tagelang eher das Bild eines fleißigen dennoch schmutzigen Handwerksmeisters abgeben würde, aber das hoffentlich nur innerhalb des Hauses wo es niemand sonst sah.
Auf der anderen Seite war soziales Engagement natürlich etwas das in Adelskreisen zu gutem Ton gehörte und wer durch Eifrigkeit und originelle Arten, diesen guten Ton anzuschlagen auffiel wurde zumindest bekannt. Eine erste Vorraussetzung für die Aktzeptanz des Baronets in der hiesigen festgefügten feinen Gesellschaft.
Das er darüberhinaus mit bereits etablierten Adeligen zusammenarbeitete, würde die Sache noch verbessern. Die Lady von Flammenfels war sicherlich begeistert von Areshtans Idee Spielzeuge herzustellen. Junge Frauen flogen auf dererlei Dinge,
In der Tat hatte sie den ihr gezeigten Aufziehettin der über ihren Wohnzimmertisch stakste und sein Lederkeulchen schwang so entzückend gefunden das sie fast aufgesprungen war. Areshtan mußte bei der Erinnerung daran schmunzeln, und die Tatsache das sein Cousin nicht wieder gänzlich erbost war über sein Vorhaben, und dessen bisherige Umsetzung, zeigte ihm das er wenigstens einmal etwas richtig gemacht hatte.
Auch wenn ihm die Frage ob sein Cousin etwas als richtig oder falsch befand eher weniger tangierte, und er es meist Leid war sich ständig Zurechtweisungen anhören zu müssen, hatte er beschlossen sich wenigstens soweit mit dem Grafen zu arrangieren, dass dieser nicht womöglich noch seine Frau Mutter als Verstärkung aus der Provinz herholte. Eine schlimmere Horrorvision konnte, abgesehen von einem Großdrachenangriff auf Götterfels, kaum ersonnen werden. Areshtan hatte sich damit abgefunden womöglich über das nächste Frühjahr hinaus hier festzusitzen, also galt es aus der Not eine Tugend zu machen und es sich entsprechend einzurichten. Die Werkstatt war dazu ein erster Schritt. Denn abgesehen davon das sie notwendig für das Waisenhausprojekt war, war sie auch ein Weg seinem Cousin einen Teil alter Lebensgewohnheiten abzutrotzen, wogegen er angesichts des dahinterstehenden Engagements für die Stadt weitgehend machtlos war.
"Na denn Cousin, da Du sonst eher Schelte von mir erhälst möchte ich doch zum Ausdruck bringen das mich Dein teilweiser Sinneswandel erfreut. Übrigens wäre da doch noch etwas worin wir übereinkommen sollten."
Na großartig, daß konnte ja nur wieder irgendwelches Ungemach bedeuten. Wenn von Grünbach schon mit solchen Formulierungen begann wäre das aufgebaute Wohlbefinden angesichts des diplomatisch präsentierten Lobs gleich wieder zuschanden.
"Du solltest ein wenig auf Deinen Umgang achten. In dieser Stadt gibt es viele Elemente denen die Nähe zu einem höher Gestellten durchaus recht sind für ihre eigenen Zwecke. Ich hoffe Du siehst das ein. Daher wäre es ratsam, daß wenn Du schon auf Damen in Deinem Umfeld nicht verzichten kannst Du auch im Augenmerk behälst das diese den Anforderungen an adelige Gesellschaft entsprechen. Humphries berichtete mir das das Weib in dessen Gesellschaft sie Dich gestern auflasen wohl kaum dem entspricht. Ich verlange ja nicht von Dir das Du Dich auf jedem erdenklichen Bankett herumdrückst und nach mindestens einer Contessa oder Baroness Ausschau hälst. Aber eine standesgemäße Damenbegleitung wäre alles in allem weitaus förderlicher. Dein Sekretär wird Dir da sicher..."
Areshtan hob die Hand und unterbrach damit die anrollende Welle gut gemeinter Ratschläge. "Cousin... zu spät, viel zu spät. Ist bereits passiert, denn Bruchsteben ist genauso ein Eindrucksbesessener wie Du.Er hat bereits vor einigen Tagen ein Treffen zwischen mir und einer sehr eleganten Dame arrangiert und ich ziehe durchaus in Betracht sie die nächste Zeit des Öfteren zu meiner Zerstreuung und öffentlichkeitswirksamen Begleitung zu engagieren."
Eines mußte Hardvaard seinem Cousin lassen. Mit dem Sekretär hatte er offensichtlich einen wahren Glücksgriff getätigt, denn er war nicht nur diskret sondern in hohem Maße umsichtig. "Hat die Dame einen Namen?"
"Nun sie nennt sich Wildrose was wohl soetwas wie ein Künstlername ist. In der Tat hat sie den Charme einer solchen und sie war so zuvorkommend mir ihre Kunstform en detail zu erläutern. Ich wußte zwar nicht das es tatsächlich soetwas gibt, aber ich denke ich kann mich daran gewöhnen eine angemessene Damenbegleitung um mich zu haben, auch wenn dies eher Teil eines Arrangements, denn persönliches Vergnügen ist."
Hardvaard meinte einen nicht gänzlich unbekannten Namen zu vernehmen, aber das würde er noch genauer eruieren lassen. Wenn sich sein Cousin freiwillig auf die Suche nach einer Gesellschaftsbegleitung begab war nicht auszuschließen das sein Geschmack ihn genauso in die Irre führte wie bei seinem sonstigen Frauenumgang. In jedem Fall würde er noch ein oder zwei weitere Damen auftun und Areshtan zumindest nahelegen sie zu treffen und in Erwägung zu ziehen. Es war sicherlich keine Schande ein wenig Abwechslung zu haben, insbesondere wenn man soviele Flausen im Kopf hatte wie der Baronet.
"Nun denn Cousin, ich denke dieses Gespräch verlief weit angenehmer als ich erhofft hatte. Es freut mich das Du langsam zur Einsicht gelangst dich wie ein Mann Deines Ranges zu benehmen. Ich werde dann mit Josephina zu Mittag essen, ich gehe davon aus Du ißt später?"
Areshtan nickte und sammelte derweil einige Spiralfedern aus einer kleinen Schachtel.
"Ach nochwas Hardvaard..."
Der Graf war bereits im gehen begriffen wandte sich jedoch nochmals halb um.
"Wenn Humphries nochmal mit der Hand an der Waffe auf eine Frau zugeht um sie von mir fortzutreiben, nur weil ich mich mit ihr unterhalte vergesse ich meine guten Manieren, und es ist mir egal ob es die erste Hofdame der Königin oder eine Ossaer Bordsteinschwalbe ist. Der Mann soll gefälligst seine eigenen Wurzeln nicht vergessen."
Hardvaard hob die Braue. Dieses Detail hatte der Leibwächter in seinem doch sehr ausführlichen Bericht des Auffindens des Baronets dezent verschwiegen, aber die Wut die in den Worten Areshtans mitschwang war viel zu echt als das dies eine Erfindung oder auch nur Übertreibung des Baronets war. Auch wenn ihm das Marktweib herzlich egal war und er Humphries Urteilsvermögen bisher vertraut hatte, war es schon wegen der Impulsivität Areshtans geboten dem übereifrigen Leibwächter ein paar gesonderte Verhaltensregeln auf den Weg zu geben. Es war offensichtlich das man mit Gewalt bei Areshtan nirgendwo hinkam und den wohl nun endlich zaghaft begonnen Weg der angemessenen Sozialisierung zu kompromittieren, weil das Sicherheitspersonal etwas übereifrig war, schien dann doch keine gute Aussicht.
"Du hast Recht Cousin, soetwas ist unangemessen. Ich werde es ihm einschärfen, wenn Du mich dann entschuldigst."
Areshtan nickte "Sicher Cousin, Meine Verehrung an die Frau Gemahlin."