Der Dampf stieg in kleinen kräuselnden Wölkchen aus der ausladenden kupfernen Wanne stieg auf von einem weißen Gebirge aus Schaum. Der Baronet döste entspannt vor sich hin und genoß den Duft von Wildblumen und Kräutern der die Luft erfüllte. Es gab nach einem wunderbaren Abend wenig besseres als ein ausgiebiges Bad. Ein Luxus den sich in der Regel auch nur besser gestellte leisten konnten.
Die Tür öffnete sich und eines der Hausmädchen trippelte herein mit einem weiteren Holzbottich gewärmten Wassers in der Hand. "So Wohlgeboren das ist das Letzte. Dann ist die Wanne voll." Ihre helle Stimme schreckte ihn aus den Gedanken und er zog wohlweißlich die Beine ein als die junge Frau den Bottich am Fußende in die Wanne goß.
"Na voll wäre sie wenn ich nicht allein hier drin läge."
Das Hausmädchen gluckste leise. "Oh sicher Wohlgeboren, eine Wanne allein ist ja eigentlich Verschwendung. Ich sag Fräulein Drachensberg bescheid. Sie wird sicher gern ein wenig Zeit erübrigen um Euch Gesellschaft zu leisten."
Ja wenn man frech war mußte man sich nicht wundern wenn andere frech waren. Auch wenn Areshtan kaum erwartet hatte das das schlüpfrige Angebot auch nur ansatzweise in Betracht gezogen worden wäre. Die angebotene Alternative ließ ein Bad allein jedoch auf einmal wieder schlagartig attraktiv werden.
"Oh, habt dank für die Mühe die ihr auf euch nehmen wolllt. Aber weit zu viel der Ehre wertes Fräulein. Das ehrenwerte Fräulein Drachensberg würde niemals ihre wertvolle Zeit mit dererlei Zerstreuung verschwenden. " Areshtan hob abwehrend eine schaumumwölkte Hand aus dem Wasser.
Die junge Frau hob keck eine Braue. "Nun ich könnte es doch mal versuchen, meint ihr nicht? Aber ich nehme an ihr gebt euch sicher auch mit der weit weniger wertvollen Zeit eines einfachen Hausmädchens zufrieden. Ihr seid ja bescheiden."
Areshtan lächelte und nickte in gekonnt großmütiger Manier. "Ihr habt es erfaßt Fräulein." Erneut machte er eine einladende Geste in Richtung der Wanne. Er wußte genau, ein Lappen in der Hand der energischen Frau wäre spätestens nun ein Wurfgeschoß geworden.
Mit einem amüsierten Kopfschütteln schwang sie den leeren Bottich über ihre Schulter und machte sich dann in Richtung Badtür auf den Weg. Mochte eine wohlerzogene Dienstmagd auch auf solche Ansinnen standesgemäß mit höflicher und bestimmter Ablehnung reagieren, ein wohlerzogener feiner Herr ein solches auch nicht im Scherz vorbringen. Doch im Fall des Baronets war wohl Hopfen und Malz verloren und es gab ein paar im Personal des Grafen die erkannt hatten das man ihm in eigener Münze bestens vergelten konnte was er tagtäglich so anzettelte. Am ehesten hätte man ihn vermutlich aus der Fassung gebracht indem man solch ein Angebot angenommen hätte, aber das stand selbstredend nicht zur Diskussion.
Vergnügt lehnte Areshtan sich wieder in der Wanne zurück und schloß die Augen. Ein heißes entspannendes Bad war die rechte Umgebung die Gedanken zu den Geschehnissen der letzten Tage schweifen zu lassen.
"Ihr bevorzugt die Farbe Rot, vor allem bei Haaren nicht wahr?"
Dieser wohl recht forsche Frage der werten Lady Flammenfels hatte den Baronet ein wenig ungewappnet erwischt. Aber es war in der Tat überraschend festzustellen das diese Farbe sich verdächtig oft in seinem Umfeld fand. Areshtan mußte eingestehen das es da wohl ein Muster gab. Eines das ihm aber durchaus gefiel. Vielleicht war es ja doch so das die Farbe des Haars etwas über den Charakter seines Trägers verriet. Im Falle der Lady in jedem Fall. Sie hatte Feuer und ihre Schlagfertigkeit war erfrischend. Das Rot ihrer Haare definitiv eine Warnung das einem mit ihr immer wieder eine Überraschung ins Haus stand.
Der Abend hatte einige überraschende Wendungen genommen die Areshtan ein sanftes Lächeln entlockten. Insbesondere weil er alle möglichen Reaktionen erwartet hätte. Nicht aber diese. Auch der Lady dürfte sein Tun Rätsel aufgegeben haben. Aber diese belebten eine Freundschaft ja bekanntlich, denn nichts wurde schneller fad als wenn es am Anderen nichts mehr zu entdecken gab. Ohnehin war es bereits nahezu magisch wie instinktiv sie einander verstehen konnten. Magisch... ja. Das war der einzige Punkt der ihm ein wenig Kopfschmerz machte. Arkan begabte waren ihm ein wenig suspekt, auch wenn die angenehmen Seiten der Lady dieses Detail heftig überstrahlten. Außerdem versteckte sie ihre Begabung recht erfolgreich. Aber Rosen hatten bekanntlich auch Dornen.
So langsam gewöhnte er sich an das Leben in Götterfels, auch wenn sein Cousin wetterte das dies hauptsächlich wieder der Damenwelt geschuldet war... oh korrigiere... der rothaarigen Damenwelt.
Nell... die machte sich leider in letzter Zeit reichlich rar, aber es gab sicherlich hundert und einen Grund dafür. Erst letztens hatte er sie wieder im Flaschenhals angetroffen, in Begleitung der üblichen Verdächtigen. Leute niederster Kreise, die ihm aber - was sehr entspannend war - den Unterschied nicht ständig unter die Nase rieben durch ihr Verhalten oder ihre Kommentare.
Das der Mann namens Athes reichlich entrüstet war darüber das Nell sich von ihm ihr Bier zahlen ließ obwohl Areshtan vor einigen Wochen mit ein paar Silbermünzen dafür gesorgt hatte das die forsche Rothaarige sich noch bis Jahresende würde kostenlos besaufen können war amüsant.
Auch amüsant war die Dreistigkeit mit der sie das als selbstverständlich ansah, daß er trotzdem für sie zahlte. Fürwahr sie war die "Erste Dame des Marktes" wie Aresh sie gern scherzhaft nannte. Zumindest das wohlgefällige Annehmen der Dienste von ihr aus gesehen niederer Personen beherrschte sie wie jede Lady aufs Hervorragenste und man konnte ihr es nicht mal übel nehmen, selbst nachdem sie Areshtans Reiseration an Blaubeerkeksen geplündert hatte.
Areshtan grinste. Nicht nur weil er den Abend sehr vergnüglich fand, sondern auch weil dieser Abend mal wieder eine zerschmetternde Niederlage für seine allzu standesbewußte Tante gewesen war, die ständig versuchte ihn von niederen Kreisen fern zu halten. Nicht weil es einen guten Grund gab, sondern weil es sich einfach so "gehörte". Noch ein bemerkenswertes Detail das an dem Abend wohl auch eine Bedienstete der Lady Flammenfels teilgenommen hatte. Schlußendlich hatte sie es nicht versäumt den Baronet mit seiner offensichtlichen haarfarblichen Präferenz bei Damen zu konfrontieren und das bedeutete sie verfügte über Quellen aus erster Hand. Aber was konnte er dafür, dass ausgerechnet jene, deren Gesellschaft er mochte, rothaarig waren. Er wars ja selbst auch. Gleich gesellte sich nunmal gern zu gleich. Und ohnehin war er grundsätzlich unschuldig an solchen Dingen jawohl!
Er war sich noch nicht schlüssig wer der Informant, oder mehr die Informatin, war. Aber der Kreis der Verdächtigen war überschaubar.
Der Baronet hörte wie die Badtür sich erneut öffnete. "Baronet, ist es gestattet?" Die herbe etwas rauchige Stimme der Fräulein Drachensberg erklang und für einen kurzen Moment erfror jede Regung in Areshtan. Sie hatte doch wohl nicht wirklich... und viel schlimmer noch SIE würde doch nicht wirklich...
Langsam drehte der Baronet seinen Kopf gen Tür und öffnete vorsichtig eines seiner Augen zu einem schmalen Spalt, um gleich im selben Moment auszuatmen als würde er gerade von einem halbstündigen Tauchgang kommen. Nein sie war nicht nur mit einem Handtuch um ihren Körper hier eingetreten. Die spontan entstandende Horrorvision einer brutalstmöglichst nach hinten losgegangenen Scherzerei löste sich in Luft auf.
"Eh..ja ... eh sicher... doch..." Er hustete kurz bei dem Versuch seine gerade ein wenig aus dem Tritt geratene Gelassenheit wiederzuerlangen.
Fräulein Drachensberg, ihres Zeichens die Wirtschafterin des Palazzos trat in das Bad ein, dabei jedoch möglichst einen direkten Blick in die Wanne meidend. Nein sie würde niemals...
"Ich hoffe ich komme nicht zu einem mißliebigem Zeitpunkt Wohlgeboren, aber da ich gleich noch mit Teilen der Dienerschaft auf den Wochenmarkt muß würde ich das gern klären ehe ihr wieder bis spät des nächtens verschwunden seid."
"Nein Fräulein Drachensberg, der Moment ist nicht mißliebig. Kommt ruhig her und setzt euch."
Er klopfte kurz gegen den Wannenrand und wartete auf das mißgestimmte Gesicht, nebst wohlformulierter Mißbilligung derartiger Vertraulichkeiten.
Ihr Blick nahm jenen Ausdruck einer Katze an, Sekunden bevor sie einem ihrer Welpen die Tatzen links und rechts um die Backen pfefferte. Mit der Frau war definitiv nicht zu spaßen und der bereits die Zunge kitzelnde Nachschlag unterblieb wohlweislich. Die Kunst der Unverfrorenheit bestand darin zu wissen wann man es besser ließ.
"Habt dank Baronet, aber so lang wird es nicht dauern. Ich wollte Euch nur darüber in Kenntnis setzen das Euer Cousin samt Gemahlin heute morgen in Richtung Grünbach aufgebrochen ist. Eine Familienangelegenheit und er wird nicht vor übernächster Woche zurück sein. Der ehrenwerte Herr Graf ließ mich wissen das er Euch vollumfänglich die Verantwortung für die Residenz überträgt und daher würde ich gern am heutigen oder morgigen Abend mit Euch die Erfordernisse der nächsten Tage besprechen. Ich hoffe doch dies läßt sich einrichten, ob eurer zahlreichen außerhäusigen Verpflichtungen."
Das Bad war gut geheizt aber trotzdem wehte frostiger Nordwind durch den Raum. Diese Frau war reines Dienstbewußtsein. Kein Humor, kein Sinn für Sinnlichkeit. Wohl der Hauptgrund warum sie trotz ihres Alters noch ein Fräulein war, abgesehen von ihrem strengen Haarknoten, dem sieben Tage Regenwetter Gesicht und der unsäglichen grauschwarzen Garderobe in der sie stets anzutreffen war.
Danke Cousin, zurückgelassen in einer Drachenhöhle und das auch noch ohne zu rettende Prinzessin. Wer solche Verwandte hatte brauchte keine Feinde. Ganz großartig, denn Fräulein Drachensberg würde hunderte Dinge finden um ihn mit der schwerwiegenden Verantwortung für das gräfliche Anwesen zu beladen - und das sicher nicht aus eigenem Antrieb. Mögest Du Dir auf dem Weg nach Grünbach die Rüsselseuche einfangen Cousin!
"Ich würde Euch normalerweise nicht derart bedrängen aber da die jährliche Abgabenprüfung vor der Türe steht wäre es doch recht dringlich."
Areshtan seufzte. Das konnte heiter werden. Er hatte derartiges ein paar mal mit seinem Vater gemacht. Nächte voller Zahlen und Papiere und hier gab es nicht mal die zauberhafte Madelaine die einem zu später Stunde noch kleine Appetitlichkeiten vorbei brachte.
"Morgen nach dem Abendessen wäre doch ein trefflicher Zeitpunkt, Fräulein Drachensberg." Je schneller sie fort wahr desto eher konnte er sich wieder den angenehmen Gedanken hingeben die um seidiges Rot kreisten. Gnädigerweise verneigte sich die Drachensberg lediglich kurz und entschwand mit einem "Sehr wohl Baronet, wie es Euch beliebt." aus dem Bad.
Die schlimmsten Feinde waren jene die einem noch in ihrer Abwesenheit eine auswischen konnten, aber vielleicht schimmerte ja wieder ein rotfarbenes Licht am Ende dieses Tunnels. Du kriegst mich nicht klein Cousin. DU nicht!