Aus der Provinz - Zerstreuung

Areshtan war bereits seit über zwei Stunden dabei durch die Marktgassen zu schlendern. Hier und da blieb er an Ständen stehen und sondierte die feilgebotenen Waren.
Es war durchaus eine zeitaufwendige Aufgabe Gegenstände zu erstehen die sich als Aufmerksamkeit für jemanden eigneten. Insbesondere noch wenn es Aufmerksamkeiten sein sollten die zwar Wertschätzung bekundeten, nicht aber falsche Signale aussenden oder Verbindlichkeiten schaffen sollten.
War es für den Gemeinen oft hauptsächlich eine Frage des Preises eröffente sich für einen Adeligen meist ein ganz eigenes Spektrum an Schwierigkeiten bei der Auswahl, wo das Geld dann kaum noch eine Rolle spielte.


Die letzten Tage waren voller Ereignisse gewesen und wer das gemächliche Landleben gewohnt war, hatte seine Schwierigkeiten all die auf einen einströmenden Ereignisse zu verarbeiten. Fast schien es als würde die Zeit schneller laufen je mehr Menschen auf einem Haufen waren. Und angesichts der Tatsache das Götterfels eine riesige Metropole war verlor man angesichts der rabiaten Beschleunigung der Zeit schnell mal die Orientierung ob es der erste oder schon der vierte Tag der Woche war.


Aber wie es mit den meisten abrupten Klimawechseln so war, man konnte sich akklimatisieren und es gelang dem Baronet recht schnell. Dies allein auf seine Anpassungsfähigkeit zu schieben wäre natürlich vermessen gewesen. Natürlich war es auch jenen zuzuschreiben die, ob nun gewollt oder nicht, es schafften einem bei diesem Klimawechsel behilflich zu sein.


Die Lady Flammenfels war durch ihre freundschaftliche gutherzige Art jemand der ihm die Gewöhnung hier einfach machte. Die Stunden die er dann und wann mit ihr verbrachte verflogen meist viel zu schnell angesichts der Leichtigkeit mit der sie verflossen wenn man sich in ihrer Gesellschaft befand. Sie war herrlich unkompliziert und ihre Art war fern der von ihm generell erlebten verstockten Arroganz der meisten anderen Stadtadeligen die sich allein durch ihre Geburt und finanziellen Möglichkeiten veranlaßt sahen auf andere hinabzuschauen.
Ein Verhalten das dem Baronet nicht nur selbst fremd war, sondern das er auch immer befremdlich fand da er keinerlei Rechtfertigung dafür finden konnte sich so zu verhalten nur weil Dwayna dafür gesorgt hatte das man in einem Schloß statt der Gosse seinen ersten Schrei tat.
Lady von Flammenfels nahm ihn indes, trotz seines etwas geringeren Standes stets als ebenbürtig auf und auch wenn das Verhältnis zu ihr diverse komplizierte Wendungen nahm, war es alles andere als unerfreulich.


Schmunzelnd schlich Areshtan um einen Obststand herum und wählte einige der Früchte aus, die trotz des hereinbrechenden Winters noch recht saftig aussahen. Vermutlich Importe aus dem noch immer warmen Süden. Mochte man über Asura auch denken was man wollte, die Tatsache auch im nahen Winter Pflaumen und Bananen genießen zu können rechtfertigte ihre Existenz schonmal, auch wenn die Preise dieser süßen Kostbarkeiten mittlerweile exorbitant waren. Einem Asura sollte man derartiges natürlich nicht an den Schädel werfen, die Vergeltung wäre sicherlich so ungemütlich wie sie technisch hochwertig war.


Er fragte sich was sein Bruder wohl während seiner Aufenthalte in Götterfels gemacht hatte. Ob er sich sicherer auf dem glatten politischen Parkett bewegt hätte, und ob er sich ebenso leichtfertig in solch ein Abenteuer wie diesen Kriegszug gestürzt hätte. Vermutlich nicht, und wenn dann auch eher um eine Dame zu beschützen statt Zentauren zu jagen. Gut durchaus ein edles Motiv, von dem auch Areshtan nicht frei war.


Der Obstmarkt lag bereits weit hinter Areshtan und die Gedanken schweiften weiter. Vielleicht war der Winter eine gute Gelegenheit jene Expedition in den Caledonwald zu machen. Mochte auch so mancher ,der es sich leisten konnte, die Asuraportale benutzen um die halbe Welt in zwei Tagen zu sehen. Für ihn war das Reisen zu Fuß und Reittier immer noch die bevorzugte Fortbewegung. Die Sylvari Elauee hatte ihn durch ihre Erzählungen nur noch neugieriger gemacht und auch wenn sein werter Cousin wieder tausend Gründe anführen konnte warum derartiges unpassend war, er würde sich von seinem Plan kaum abbringen lassen. Wenn man ihn schon von daheim fort trieb dann mußte man auch damit rechnen das er die Fremde auf eigene Faust erkundete.


Areshtan mußte sich ohnehin über die Vorbehalte bezüglich fremder Völker wundern. Klar den Charr traute auch er nicht wirklich weiter als man so einen pelzigen Hornträger werfen konnte. Dazu lag die Brunnmark einfach zu nah an der ascalonischen Grenze. Aber gerade gegenüber den Sylvari vermochte er aus eigener Erfahrung keine Ressentiments zu rechtfertigen. Gut mit ihrer reichlich direkten und oftmals unverklausulierten Art mußte man umgehen können. Und das fiel gerade einem Adeligen vermutlich nicht immer leicht, dem doch der Anschein meist so viel mehr wert war als die Tatsachen. Aber seine neuerlichen Erfahrungen mit der Heilerin waren durchweg positiv, insbesondere da diese in ihrem Erforschungsdrang mindestens ebenso umtriebig war wie der Baronet selbst und man es sehr entspannt vermocht hatte sich beispielsweise kulturellen Differenzen zu nähern so das beide etwas davon hatten.


Der Verkäufer einer der renommierteren Lederwarenmanufakturen legte dem Baronet einige Stücke vor. Das schöne an Einkäufen bei hochpreisigeren Händlern war, daß man selbst nicht zwingend genau wissen mußte was einem vorschwebte, sondern sich diese Leute für die etlichen Münzen mehr auch ausreichend Zeit nahmen und mit Sachverstand und Kreativität aufwarten konnten.
Kreativität war etwas in dessen Genuß der Baronet auch eher auf Betreiben des sonst eher für Spaßverderberei bekannten Cousins gekommen war. Die Ansichten über Gesellschafterinnen mochten geteilt sein, doch jene Vorurteile die er bereits vernommen hatte waren gründlich widerlegt worden. Jene Dame die sich "Wildrose" nannte passte in keines jener Klischees die ihm von mehr oder minder schlecht informierter Stelle vermittelt worden waren.
Sicherlich gab es in diesem Schlag berufsmäßiger Unterhalterinnen solche und solche, aber es schien ihm als würden gerade wieder mal die "solchen" das Bild prägen und das zu Unrecht.
Die Wildrose verstand es vielmehr sehr schön den Eindruck zu vermitteln das jenes Arrangement zwischen ihrem "Anvertrauten" und ihr zweitrangig war. Sie war Ratgeberin, Unterhalterin und auch gelegentlich Diskussionsgegner, je nachdem wonach es einem gerade verlangte. Bisher hatte er nie den Eindruck gehabt ihr Verhalten wäre einzig und allein von den Münzen bestimmt die sie für die geopferte Zeit bekam und das war ein Aspekt dem der Baronet sehr viel Bedeutung zumaß. Er mochte es nicht von Leuten nur "ertragen" zu werden weil sie nicht drum herum kamen.
Das sie nebenher auch noch in den zugegeben zuweil dekadenten aber sinneserfreuenden Zerstreuungen einer pulsierenden Großstadt bewandert war war da noch ein erfreuliches "mehr". Die genossene Zeit jedenfalls war für ihn schwer entgeltbar.


"Sehr wohl Euer Wohlgeboren, wünscht ihr eine gesonderte Verpackung?" Mit diesen Worten deutete der etwas grobschlächtige Kürschner auf eine kleine Anzahl feiner Holzkästchen zum Aufklappen die allesamt das eingebrannte Signet der Manufaktur trugen. Areshtan nickte lächelnd und sah dem Handwerker, der zu Recht stolz auf seine Erzeugnisse war, zu wie er das pelzverzierte Paar Handschuhe sorgsam in eines der Kistchen verpackte.
Es war ein vielseitiges und interessantes Spiel sich wechselseitig die Abende zu gestalten und die Gewissheit auch vermittelt zu bekommen, ob das Geteilte auf Wohlwollen stieß, war ein nicht zu vernachlässigender Vorteil. Für jemanden der sich, wenn auch nicht zur persönlichen Freude, auf dem adeligen "Heiratsmarkt" befand, war es immer hilfreich zu wissen was von Damen geschätzt wurde und was nicht. In jedem Fall waren die Abende mit der Gesellschafterin an der Seite erfreulicherweise beides, genußvoll und lehrreich. Beides Dinge denen der Baronet eine Menge abgewinnen konnte. Da er nun an der Reihe war, würde er ihr vielleicht jene Dinge etwas näher bringen die man auf dem Land als Zerstreuung schätzte und da war dieses Paar Handschuhe ein perfekter Aufhänger.


Münzen wechselten den Besitzer und der Baronet entschwand in der Menge der sich drängenden Marktbesucher.