Krank
Das Fieber kam am dritten Tag und es dauerte fast zwei Wochen. Irgendwann schüttelte der Medicus betreten den Kopf und wusste nichts Aufbauendes mehr zu sagen. "Die Brüche heilen gut, die äußeren Verletzungen sind kaum mehr zu sehen..." meinte er und nahm die Hand von der glühenden Stirn des Mädchens "Und auch die inneren Blutungen scheinen aufgehört zu haben. Allerdings..." der Medicus zögerte bevor er fortfuhr "ich bin mir nicht sicher, ob sie je Kinder bekommen kann, wenn sie das Fieber übersteht." Es war ein Wunder, dass sie überhaupt so lange durchgehalten hatte. Er erhob sich und wandte sich an die Mutter, die ihn diesmal allein empfangen hatte "Machen sie das übliche, geben sie ihr den Sud zu trinken, drei mal täglich und sorgen sie dafür, dass sie immer frische Laken hat. Ich werde morgen noch einmal kommen." Er hätte es nicht für möglich gehalten, doch als er am nächsten Tag die Familie besuchte, schien das Fieber tatsächlich gesunken zu sein. Drei Tage später fühlte sich die Stirn des Mächens wieder halbwegs normal an und kurz darauf schlug es die Augen auf.
Der Medicus hatte strenge Bettruhe verordnet, noch mindestens zwei Wochen, und so quälte sich Katelyn mühsam über die Tage. Celia kam zu ihr und sie erzählte ihrer kleinen Schwester Geschichten, so wie sie es auch vorher immer getan hatte und auch ihre Mutter sorgte sich um sie. Ab und an brachte sie ihr nach dem Essen heimlich eine Süßspeise nach oben, die Kate gierig verschlang. Mit jedem verschrichenen Tag sehnte sie sich mehr danach, dass Bett und dieses Zimmer endlich zu verlassen, aber ihre Eltern wachten streng darüber, dass sie sich an die Anweisungen des Medicus zielt.
Nach zwei Wochen endlich, stand sie das erste Mal wieder auf und kam hinunter in die Wohnstube um ihrer Mutter in der Küche zu helfen. Sie war noch etwas wackelig auf den Beinen aber so erleichtert, nicht mehr auf ihrem Krankenlager gefangen zu sein, dass sie alle sich ihr bietenden Chancen nutzte, etwas zu tun. Gartenarbeit, die ihr sonst so verhasst gewesen war, erledigte sie nun fast mit Freude; froh darüber, nach Wochen der Untätigkeit mit ihren Händen etwas tun zu können.
Ihrem Vater ging Kate so gut es ging aus dem Weg. Beim Essen hielt sie den Kopf gesenkt und gab einsilbige Antworten, wenn er sie etwas fragte, was jedoch nicht häufig vorkam. Es vergingen gute drei Wochen, in denen das Zusammenleben fast erträglich schien, bis ihr Vater eines Abends strutzbetrunken nach Hause
kam. Ihre Mutter war gerade zu einer Nachbarin, die sich den Arm gebrochen hatte um ihr etwas zur Hand zu gehen, so dass sie mit ihrem Vater und Celia allein zu Hause war.
Polternd krachte die Tür gegen die Wand als Robert torkelnd den winzigen Flur des Hauses betrag. "Leeeenaaa!" rief er und wandte sich Richtung Wohnstube "Leeenaaa! Wo steckst du Weib? Ich hab Hunger!" Kate zuckte zusammen als sie die lallende Stimme ihres Vaters hörte, aber sie wusste, er würde keine Ruhe geben bis er bekommen hatte, was er wollte. Eilig kam sie aus der Küche und trat ein paar Schritt auf ihn zu. "Mutter ist bei Frau Müllersbach. Sie hat sich doch den Arm gebrochen und Mutter hatte versprochen, ihr heute etwas zu helfen...."
Brummend ließ sich Robert in einen der Sessel fallen "Bring mir noch ein Bier, los." scheuchte er sie und Katelyn sah zu, dass sie sich möglichst schnell einen Krug schnappte und ihrem Vater brachte. Als sie sich umdrehen und zurück in die Küche huschen wollte, packte Robert ihren Arm und hielt sie fest. "Nich weglaufen."
Kate erstarrte vor Schreck und blieb an Ort und Stelle stehen, bis ihr Vater den Krug fast zur Hälfte geleert hatte und sie dann aus glasigen Augen ansah. "Bist ein süßes Mädchen, hm?" nuschelte er während sein Blick auf ihr klebte. "Siehst mir so gar nicht ähnlich, weißt du das...und auch deine Mutter, so dunkel is sie eigentlich nich...."
Seit er sie mit dem Schürhaken fast totgeprügelt hatte, hatte er sich zusammen gerissen und sie nicht noch einmal angerührt. Aber in der letzten Woche war er immer öfter betrunken nach Hause gekommen und immer, wenn er sie ansah in letzter Zeit, lag da so ein seltsamer Blick in seinen Augen, der Katelyn in Angst versetzte. "Hrm..." brummelte er während sein Blick immer eindringlicher wurde "Weissste, was isch mir gedacht habe? Vielleicht...vielleicht bist du ja gar nischt meine Tochter." lallte er während er sich nach vorn beugte und mit seinem Gesicht immer näher an das ihre kam. "Dann..." für einen Moment lockerte sich sein Griff, als er zurück in den Sessel sank und einen großen Schluck aus dem halbvollen Krug nahm. Kate nutzte die Gelegenheit und wandt sich aus seinem Griff, huschte geduckt ein paar Schritte vom Sessel zurück. "He." verärgert richtete sich ihr Vater auf "Ich hab dir nich' erlaubt zu gehen..."
Schwankend aber überraschend schnell stand er aus dem Sessel auf und maß sie mit einem unzufriedenen Blick. Dann huschten seine Augen durch die Wohnstube, anscheinend auf der Suche nach etwas, was sie nicht richtig oder angeblich nachlässig erledigt hatte. Er fand immer einen Grund. "Kate..." stieß Robert lauernd hervor und griff hinter die Lehne des Sessels. Für eine Sekunde durchzuckte Kate Panik, doch als die Hand ihres Vaters mit einem Rohstock wieder zum Vorschein kam, stieß sie tatsächlich fast erleichtert die angehaltene Luft aus. "Ich glaube es wird Zeit, deiner Erinnerung ein bischen auf die Sprünge zu helfen, hm?"
Wortlos ging Kate zu dem Esstisch, der in einer Ecke der Stube stand, wandte ihrem Vater den Rücken zu und klammerte ihre Hände um die Kante der dicken Holzplatte.
Robert trat hinter seine Tochter, holte aus und ließ den Rohrstock auf ihren Rücken hinunter saußen. Kate biss die Lippen zusammen und hielt still, bis ihr Vater irgendwann aufhörte, zurück zu dem Sessel ging und sich darauf fallen ließ. Kurze Zeit später war er eingeschlafen.
Kate trat zu ihm, stellte den Rohrstock wieder an die richtige Stelle und wandte sich dann stumm der Küche zu. Sie hatte ihre Lektion gelernt.