Rückkehr
Robert pochte mit geballter Faust an die Türe. "Aufmachen!" rief er und wollte seine Hand ungeduldig ein erneutes Mal erheben, als die Tür geöffnet wurde und er in das verdutzte Gesicht seines jüngsten Sohnes guckte. Erschrecken ließ Davids Gesichtszüge entgleisen, doch Robert nahm davon keine Notiz sondern drückte sich an seinem Sohn vorbei ins Innere des Hauses. "Wo ist sie?" knurrte er. Als sein Sohn nicht reagierte hob er drohend die Hand "Sprich, Bengel." fuhr er ihn an doch in dem Augenblick in dem David den Mund aufmachen und etwas erwiedern wollte, kam sein Meister aus der Wohnstube. "Guten Abend." grüßte er förmlich und nickte Davids Vater zu.
Mit ungläubigem Blick drehte sich der Lehrling um und starrte seinen Meister an "Ihr habt ihn hergerufen?" fragte er fassungslos und sein Meister
nickte knapp. "Warum habt ihr das getan, ich habe euch doch erzählt..." wollte David aufbegehren doch sein Meister wies ihn zurecht "Erhebe nicht in diesem Ton das Wort gegen mich, Junge. Wir werden die Angelegenheit auf die angemessene Weise regeln." Er nickte Robert zu und mit einem letzten Blick warf dieser einen Blick auf seinen Sohn und folgte dann dem Hausherrn nach oben. David heftete sich an die Fersen der Beiden Männer, fand jedoch keine Gelegenheit, sich an ihnen vorbei zu drücken.
"Eure Tochter ist hier..." wandte sich Davids Meister an seinen Vater und deutete auf eine Kammer. Dieser nickte und wollte die Tür aufstoßen und in
den Raum stürmen, doch der andere Mann hob mahnend die Hände. "Ich habe euch bescheid gegeben, weil es nicht Recht ist, dass ein Kind seinen Eltern davon läuft. Aber sie glaubt einen guten Grund zu haben." Der Meister verengte die Augen und musterte Robert prüfend "Ich bin sicher, Herr, dass
ihr in der Lage seid, dieses Missverständnis aufzuklären. Trotz allem ist sie noch ein Kind..." Robert nickte ungeduldig und zwang etwas wie ein Lächeln
auf seine Lippen. "Sie muss lernen wo ihr Platz ist. Aber ich werde mir anhören, was sie zu sagen hat." antwortete er und wollte erneut die Kammer betreten, wurde jedoch ein weiteres Mal davon abgehalten. "Ich hoffe, ihr haltet Wort Herr. Sonst wird sich jemand anderes um die Angelegenheit kümmern müssen..." Robert quiettierte die offensichtliche Drohung mit einem abfälligen Schnauben und einem Nicken "Ich habe nichts getan, wofür ich mich rechtfertige müsste. Und das ist hier eine Familienangelegenheit. Ich danke euch, für eure Nachricht und das Obdach, dass ihr meiner Tochter gewährt habt, aber ich würde sie jetzt gerne mit nach Hause nehmen. Ihre Mutter ist schon ganz krank vor Sorge." schob er noch nach. Auf ein Nicken des Meisters hin betrat er das Zimmer und warf seiner Tochter einen kurzen Blick zu.
Kate hatte Schritte auf der Treppe gehört und jedes Wort des kurzen Gefechtes verstanden. Dennoch fuhr sie erschrocken auf, als ihr Vater die Tür zu der Kammer öffnete und den Raum betrat. "Kate, es ist Zeit nach Hause zu gehen." er deutete ihr mit einer Geste, aufzustehen und ihm zu folgen und Kate sprang hastig von dem Schemel auf, auf dem sie gesessen hatte und senkte den Kopf. Panik durchflutete sie und aus den Augenwinkeln warf sie einen verzweifelten Blick zu ihrem Bruder David. Wie hatte er sie nur so verraten können? "Komm." wiederholte ihr Vater seine Aufforderung und mit hängenden Schultern kam Kate dieser nach.
"Kate, ich..." flüsterte ihr Bruder im Vorbeigehen, doch sie wandte nur den Kopf ab und verbot sich, seinen Lügen weiter zuzuhören. Wortlos folgte sie ihrem Vater die Treppe hinunter. Sie bekam nicht mit, wie er sich von Davids Lehrmeister verabschiedete und auch der Weg zu ihrem Haus verschwamm vor ihren Augen. Die ganze Zeit sprach ihr Vater kein Wort und sie folgte ihm, wie es sich für eine brave Tochter gehörte.
David starrte auf die geschlossene Tür und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Als eine ganze Weile vergangen war wandte er sich zu seinem Meister um und sperrte den Mund auf um etwas zu sagen, doch dieser kam ihm zuvor. "Ich weiß, du willst mir Vorhaltungen machen, aber ich konnte leider nichts anderes
tun. Hätte ich deine Schwester hier verstecken sollen? Sie gehört in die Obhut deines Vaters so lange sie nocht nicht alt genug ist. Was würde außerdem aus ihr werden, wenn du ihr geholfen hättest, fort zu laufen? Sie wäre auf der Straße gelandet und wer weiß, wie lange sie dort überlebt hätte oder wissen die Götter, was sie gezwungen worden wäre zu tun. Manchmal ist es nicht leicht, ich weiß das nur zu gut, aber..." für einen Moment zögerte sein Meister "die Straße ist ein schlimmeres Schicksal, als ein hartes Elternhaus, glaub mir."
Als die Tür ihres Elternhauses ins Schloss fiel hatte Kate das Gefühl, als würde ein Mühlstein um ihren Hals hängen und sie unbarmherzig in die Tiefe ziehen. Ihr Vater hatte noch immer kein einiges Wort gesagt und das war ein Zustand, der ihr mehr Angst machte als alle Prügel, die er ihr hätte verabreichen können. Immer noch wortlos nickte er Richtung Küche, an die eine kleine Kammer angrenzte, in der sie einige Dinge lagerten. Sie wusste, dort war eine Luke im Boden, die zu einem weiteren Lagerraum führte. Widerstandslos, es hätte ja eh nichts geändert, folgte sie ihrem Vater als er die Kammer betrat und die Falltür der Luke öffnete. "Runter." sagte er leise und Kate warf aus aufgerissenen Augen einen Blick in die Dunkelheit. Sie zögete nur seine Sekunde, dann setzte sie sich in Bewegung und stieg die wenigen Stufen der kleinen Leiter hinunter. Der Boden der Kammer bestand aus festgetretenem Lehm, ansonsten standen hier und da ein paar leere Fässer herum, Licht gab es keines. "Du wirst so lange da unten bleiben, bis ich mir überlegt habe, was ich mit dir machen werde." fuhr ihr Vater immer noch in diesem leisen, bedrohlichen Tonfall fort. "Anscheinend helfen die üblichen Mittel bei deinem Stursinn nicht mehr..."
Mit diesen Worten ließ er die Falltür zuschlagen und Kate hörte, wie er von außen irgendetwas darüber schob. Dunkelheit hüllte sie ein und sie war allein.