1.
jede Form leidvollen seelischen Empfindens.
2.
eine unangenehme körperliche Empfindung, die von einem Körperteil/einer Körperregion ausgeht.
~*~*~
„Aaaaaalbert!“
Lautstark hallte das wehklagende Gejammer durch das Zimmer – Doch Gastwirte waren klug, und verpassten ihren Gasthäusern dicke Wände, damit die Gäste einander möglichst wenig stören würden. Es gab hier keinen Albert, und niemand sonst interessierte sich für das Gewimmer aus Zimmer 2a im ersten Stock.
Hinter der ohnehin doppelt abgesperrten Tür war es stockfinster.
Sie erinnerte sich an den Ball, erinnerte sich daran dass sie der Meinung war noch niemals eine schlimmere Festivität besucht zu haben. Von vorne bis hinten war einfach alles Scheußlich gewesen. Vom Abholen, über die Ankunft, über die Leute, zu Richard, seiner Begleitung mit der schrecklichen Frisur, zu Helenas Verschwinden, ihrem verpassten Termin mit Ilie und dem Absacker im Maiden, an den sie sich nur noch bruchstückhaft erinnerte.
Generell waren ihre Erinnerungen ab dem ersten Becher Medowucha nur sehr bruchstückhaft vorhanden und voll großer, schwarzer Löcher, die drohten mehr von ihrer Erinnerung zu schlucken je verbissener sie versuchte sich daran zu erinnern.
Sie glaubte sich an Gwennis zu erinnern und an Levi – Levi, der sie angelächelt und mit ihr gesprochen hatte. Sie kam nicht umhin deswegen misstrauisch zu sein. Sie hatte sich schon beim Schneemannbauen gewundert dass er überhaupt ein Wort mit ihr gewechselt hatte, und befürchtete nun einen miesen Streich in naher Zukunft.
Stöhnend vergrub sie das Gesicht im Dunkel ihres Kissens.
Nichteinmal die Freude über Adrian, der weit nach Mitternacht noch vorbeigekommen war um nach ihr zu sehen, schaffte es durch den Nebel ihres Katers hindurch um ihre Laune zu heben. Die Musik, zu der sie getanzt hatten hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Von der Erinnerung, auch wenn sie kein Stück romantisch war, würde sie eine Weile zehren können. Sie erinnerte sich auch dass sie später mit Adrian alleine im Gasthaus war. Die Tatsache, dass sie aber im elonischen Schlafanzug allein in ihrem Bett lag verriet ihr, dass nichts schiefgegangen war.
„Aaaaaaaaalbert!“ heulte sie noch einmal dumpf ins Kissen – doch noch immer war niemand weit und breit zu sehen der ihr den Arsch nachtrug. Irgendjemand rumpelte mit schweren Schritten über den Gasthausflur und versetzte ihrer Zimmertür einen scheppernden Tritt, der ihre Ohren klingeln und die Kopfschmerzen heiß aufglühen ließ. „Halt’s Maul und jammer nich‘, sonst stopf ich’s dir, Püppi!“ tönte es durch die Türe hindurch bärig, dann schnaubte es hinter der Tür und Schritte entfernten sich.
Wie ein sterbender Schwan lag sie verdreht im Bett, ihr Hintern lugte über die Bettkante und hing Deckenlos halb aus dem Bett, während ihre Beine verdreht mit der dünnen Decke verknotet in zwei völlig unterschiedliche Richtungen abstanden. Ein Arm hing aus dem Bett, der andere steckte unter dem Kissen – insgesamt mochte das Ganze ein wenig an ein totes Schwein erinnern.
“Betty ist mehr Iorga als die Iorgas!“ tönte Adrians Stimme in ihrem Kopf, und sie kniff die Augen zusammen. Trotz des höhnischen Tonfalles, war es für sie ein Kompliment gewesen – das schönste, das man ihr seit Monaten gemacht hatte. Was konnte sie sich schon von schönem Aussehen kaufen, wenn es ihr nicht – wie anderen – darum ging Männer anzulocken?
Sie wollte Lächeln, doch ein erneuter Kopfschmerzblitz ließ sie zusammenfahren. Sie hatte Durst, ihr Mund war furchtbar trocken und fühlte sich pelzig an. Aber niemand brachte ihr Wasser. Vorsichtig drehte sie den Kopf, und linste aus dem Augenwinkel hinüber zum Tisch, wo Karaffe und Becher standen. Brummelig schloss sie schnell das Auge, als ein Spalt Tageslicht zwischen den Vorhängen hindurchschien und sie gleißend blendete.
„Alles muss man selber machen“ nörgelte sie voll von trotzigem Schmerz, und stemmte sich in die Höhe.
Unten im Gastraum klirrten die Krüge und Weingläser im Regal, als sie, verheddert mit der Decke zwischen den Beinen, eine halbe Pirouette drehte und sich der Länge nach auf die Nase legte. Schwerfällig wie ein gefällter Baum fiel sie, und blieb nach dem Aufprall liegen als sei sie soeben gestorben, denn der Schmerz betäubte sie einige Sekunden.
„Du darfst dich nicht so gehen lassen“ mahnte sie eine Stimme. Doch es war nicht die, die sie gewohnt war. Sie hob den Kopf, und sah sich um.
„Du bist nicht nur Adelig – ich weiß, du bist es nicht von Blutswegen her, dennoch hast du mehr vom Adel als die meisten Blaublüter – sondern auch Ratsherrin. Du hast dich gut gehalten, gestern, aber du musst aufpassen.“ Sie entdeckte den Ursprung des warmen Baritons auf einem Stuhl in der Ecke. Der Elonier blickte sie mit diesen dunklen Augen an, die die Kraft dazu hatten sie in den Bann zu schlagen wann immer er es wünschte.
„Ich habe nicht viel getrunken.“ Verteidigte sie sich mühselig. Sie verkniff sich, ihn um Hilfe zu bitten – schlimm genug dass er sie offenbar nach Albert hatte jammern hören. Und, dass er sie so sah.
„Medowucha ist nicht dafür bekannt, dass man ihn in großen Mengen trinken muss um abzustürzen.“
Der Kopfschmerz erlaubte ihr nicht, auf die Idee zu kommen zu fragen woher er wusste was sie getrunken hatte. So kroch, nein robbte sie mit ihrem Deckenwickel bis zum Fenster, und zuppelte am untersten Zipfel des Vorhanges um ihn vollständig zu schließen. Kurz wurde das gesamte Zimmer gleißendhell erleuchtet, dann war es endlich komplett dunkel. Vom sanften Glimmen der Kohlen in der Feuerstelle abgesehen.
Während sie, nach einer kurzen Verschnaufpause auf dem Boden, dann in Richtung Tisch robbte, sprach er wieder. Seine dunkle, basshaltige Stimme war angenehm zu hören, und provozierte ihren Kopfschmerz nicht. „Ich hätte gern mit dir getanzt. Du warst die schönste dort – kleine Eisprinzessin. Das Motto hast du am besten umgesetzt – ein Mann fragt sich: Was muss er tun, um die Eishülle zu schmelzen und an das verzückende Goldstück darunter zu gelangen? Was muss er tun, um das Lächeln vom Eis zu befreien, und es wieder mit Feuer und Freude zu befüllen?“
„Halt den Rand.“ Schmetterte sie seine schmeichelhaften Worte wenig elegant ab, und zog sich am Tisch hoch. Sie goss sich Wasser aus der Karaffe in den Becher, trank ihn gierig leer und füllte gleich noch einmal nach. Der Elonier schmunzelte nur, weit entfernt von vor den Kopf gestoßen, und beobachtete sie. Während die Rundliche dann mit Karaffe und Becher zu ihrem Bett zurückschlurfte und sich wieder unter der Decke verkroch, erhob er sich.
Er trat zum Kamin hinüber, warf noch zwei Holzscheite auf die Glut und wandte sich dann der Türe zu.
Den Schlüssel zog er ab, durchtrat die Tür und verschloss sie von aussen. Wenn sie nicht in der Lage war auf sich selbst Acht zu geben, musste eben ein anderer dafür sorgen dass ihr nichts widerfuhr. Er zog den Schlüssel wieder ab und schob ihn unter der Tür durch den Türspalt zurück ins Innere, ehe er sich abwandte um zu gehen.
~*~*~
'Everyone says love hurts, but that is not true.
Loneliness hurts.
Rejection hurts.
Losing someone hurts.
Envy hurts.
Everyone gets these things confused with love,
but in reality love is the only thing in this world that covers up all pain and makes someone feel wonderful again.
Love is the only thing in this world that does not hurt.'
- Liam Neeson
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