„FALSCH! Du musst trinken!“ Adrian lehnte sich ob des ausgestreckt auf ihn zeigenden Fingers weit in seinem Stuhl zurück und zog die Brauen über diese Anklage langsam hinauf. Es war Helena, die ihn so anschrie, während um ihn herum am Küchentisch andere saßen und lachten.
„Was...was denn? Wieder hinsetzen, hast du gesagt!“
„Ich hab aber nicht gesagt 'der verrückte König sagt'! Gieß ihm ein, Alesha!“
„Schon geschehen!“
„Trink aus, Adya. Und dann sag ob Wahrheit oder Tat.“
Adrian nahm das kurze Glas, schwenkte es feierlich durch die Luft und leerte es dann mit einem unbeugsamen Ruck.
„Wahrheit“, sagte er, als er es wieder auf den Tisch fahren ließ.
Helena überlegte einen Moment. Ihre Augen wanderten verschwörerisch durch das Zimmer, die Zungenspitze hatte sie in den Lippenwinkel geklemmt.
„Wen magst du lieber? Betty oder Gwennis?“
„Was? Die Frage gilt nicht!“ Er haute mit fröhlichem Schmackes auf den Tisch. „Nächste Frage.“
„Du hast Wahrheit genommen! Antworte! Sonst wirst du geköpft!“
„Wie wir alle mag ich natürlich DICH am Liebsten, Helena“, höhnte Adrian. „Du bist die unangefochtene verrückte-“
„Du wirst geköpft! ANTWORTE!“
Adrian atmete tief durch, er wehrte sich innerlich, aber die Augen standen verschwörerisch glänzend, angeheitert und herausfordernd auf ihn gerichtet. Er rang mit sich, biss den Kiefer aufeinander.
„Betty!“ Im Flur erklang Vitos Stimme. Er hatte noch ein paar Flaschen aus dem Keller geholt, als er ihr im Flur begegnet war.
Adrian seufzte auf, lächelte mürbe und fuhr sich mit dem Handballen über die Stirn.
„Vito“, hörte man Elizabeth sprechen, und die Art, wie ihre Stimme seiner ähnlich, aber noch viel überspielender klang, ließ die Iorgas am Küchentisch lachen. Sie kam dem Hausdiener mit einer unbedarften Miene hinterher und entsandte interessierte Blicke an die Familie.
„Guten Abend, allerseits. Will ich wissen, was ihr da macht?“
„Weißt du es nicht schon?“, fragte Leon gönnerhaft, aber wurde überschrien von Helena, die auf ihre Freundin zusetzte und sie an sich zog, ihr endlich die Wangen küsste und sie dreimal hintereinander umarmte.
„Dein Geschenk! Es hängt jetzt in meinem Zimmer. Elizabeth, danke!“
Und Elizabeth hatte gerade noch Zeit für ein seliges Lächeln, da wurde sie geschüttelt und der Runde zugedreht. „Wir spielen der verrückte König sagt. Willst du mitspielen? Adya ist schon betrunken und verliert die ganze Zeit.“
„Gar nicht wahr!“
„Du darfst aber leider nicht der verrückte König sein, weil Iorgas keine Befehle von anderen Leuten annehmen.“
„Ich...“ Da saß sie schon auf einem Stuhl neben Nikolaj, der für einen Abend in der Stadt war, ehe ihn welche Arbeit auch immer er ständig zu verrichten hatte wieder wegtrieb. „Hallo Kolja. Ich sehe erst mal eine Runde zu, denk ich.“
„Ich bin es gewöhnt, dass der Pöbel sich vor mir windet, wie es sich gehört!“, fuchtelte Helena lebhaft hinter ihrer Lehne herum. „Der verrückte König sagt: IN DEN STAUB MIT EUCH!“
Stühle scharrten, Leute schnalzten mit der Zunge, Anasharima ächzte ein leises „Na gut“ und Alesha fing auf dem Weg noch ein Glas auf, das Bianka Blauvelt fast umgeworfen hätte.
„ADYA! Du musst trinken!“, plärrte Helena wild.
Ilie drehte den Kopf.
„Wieso hast du denn DAS jetzt verkackt?“
„Ich krieche nicht im Staub.“ Adrian goss sich mit überheblichem Schmunzeln freiwillig ein Glas ein und auch eines für Leon, der neben ihm sitzen geblieben war.
„Hier liegt auch gar kein Staub. Ich hab alles geputzt“, ließ Vito unbeachtet vernehmen.
„Ihr bescheißt die ganze Zeit“, stellte Ilie fest. „Die trinken auch zwischendrin ständig. Kein Wunder, dass die nichts mehr mitbekommen.“
„Ich bekomme alles mit“, widersprach Leon im Klang unanfechtbarer Würde.
„Adrian hat auch die Frage nicht beantwortet“, sagte Lynn leise und eigentlich vielleicht nur zu Alexej, der sie mit hierher gezwungen hatte, aber Adrian, der auch noch einiges mehr mitbekam, als man ihm nachsagte, zuckte mit dem Kinn in die Höhe.
„Das ist eine Frage, die man nicht beantworten kann. Ich frage Helena auch nicht, ob sie Ilie oder Leon lieber hat. Sowas macht man einfach nicht. Man kann es auch nicht beantworten. Das hat was mit Anstand zu tun.“
„Ich sag Ilie“, behauptete Helena mit einer selbstverständlichen Plumpheit, die einen vor den Kopf stieß und küsste Leon auf selbigen. „Und jetzt steht wieder auf.“
„Kolja! Du musst trinken. Wirklich Kolja, fällst du jetzt echt auf den gleichen Trick rein, den sie GERADE EBEN schonmal gemacht hat?“
„Is mir egal was der verrückte König sagt. Ich mach das, was Lenchen mir sagt.“
„Ich sag du musst trinken. Und Wahrheit oder Tat?“
„Blöde Frage. Tat natürlich.“
„Du musst Betty auf ihrem Stuhl hochheben und durchs Zimmer tragen!“
„Kein Problem, he.“
Elizabeth bekam schreckhaft große Augen.
„Was? Nein. Leni, ich lasse mich nicht von einem Betrunkenen..“
Da wankte ihre Stimme schon, denn es ging schleudernd in die Höhe, sodass sie sich am Rand der Sitzfläche festkrallte, und dann Halt an Adrians Kopf suchte, der gleich, obwohl er gar nicht an der Reihe war, hinterhergekommen war, um den Stuhl zu stützen – oder, wie sich aber erst danach zeige, ihn ein bisschen zu kippen.
„Hast du abgenommen, Betty?“, fragte Kolja ideologiefrei, als Adrian schon die Hände ausstreckte, um die arme Frau vom Stuhl zu heben, aber sie verstand es falsch, wischte ihn weg, rutschte dennoch über die Sitzfläche und fiel ein Stück in die Tiefe. Es krachte, sie knickte ein und landete unter schallendem Gelächter auf dem Hinterteil. Ehe sie etwas Böses sagen konnte, hob Adrian sie wie eine Braut auf und fiel dabei selbst um, er schaffte es aber noch, sie einigermaßen elegant auf die Beine zu stellen.
„BETTY! DU MUSST TRINKEN!“, schrie Helena und versuchte einfach mal ihr Glück.
„Ja, das glaube ich auch“, bestätigte die Freundin trocken, aber als sie das Glas annahm, saß ihr ein humorvolles Funkeln im Blick.
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Happy Birthday, Betty
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