Spoiler wegen Gewaltdarstellung
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Außerhalb des Dorfes Beetletun, in der Nähe eines kleinen Waldhains, wartet ein Mädchen vor einem schwarzen Klotz, der sich gegen das unbeleuchtete Nachtdunkel des Abends abzeichnet. Sie selbst ist nur ein schwarzer Fleck, eine zahme, schemenhafte Figur ohne Gesicht, bis ein zweites Mädchen nähertritt und unter der Kapuze undeutlich die spitzen, ihr bekannten Züge ausmachen kann. Der Klotz, vor dem das Kapuzenmädchen steht, ist ein altes einstöckiges Waldhaus.
Erst zaghaft, dann bestimmt, hält die Zweite auf sie zu.
„Eh.“
„Hast du eine Waffe dabei?“
Die Zweite nickt.
„Genug. Hatte nich gedacht, dass du hier sein wirst.“
Kurz schweigt das Mädchen mit der Kapuze.
"Ich muss", sagt sie dann. "Aber ich gehe nicht mit hinein." Und ihr Blick - und sie spricht leise - wendet sich der Tür zu.
Auch das zweite Mädchen trägt ihr Gesicht nicht offen. Und auch sie sieht zum Haus hin.
„Ist sie alleine da drin?“
"Ja. Sie denkt, dass ich zu ihr komme. Um zu beratschlagen. Sie ist" Ein trauriges Lächeln huscht im Schatten über ihre Lippen "praktischerweise etwas einfältig."
Die Sentimentalitäten sind der Zweiten gleich.
„Ist sie bewaffnet?“
Das erste Mädchen richtet sich auf. Sie atmet flach, nicht tatsächlich in den Körper hinein, ganz und gar so, als dränge nichts, nicht einmal Luft, zu tief. Alles ist oberflächlich. Alles ein Geschäft. "Nein. Geh einfach rein und ...mach was du machst."
„Gut.“ Da wendet sich das zweite Mädchen ab. Das erste bleibt zurück und beide haben noch einen Moment lang sehr wachsam die Umgebung im Blick. Bis die eine das Haus betritt und die andere zurückbleibt. Sie sieht sich um. Ihre Schultern unter dem schweren Ledermantel sind steif, nicht nur der Kälte wegen. Um sie herum ist die Finsternis dicker, sie davon halb verschluckt. Ihre Augen stechen klar und licht hervor. Aber niemand bekommt es mehr mit, denn die Tür zum Haus hat sich schon wieder geschlossen und alle, die es sehen könnten, sind dahinter.
Die Einrichtung des Hauses ist nicht nur rustikal, sondern auch veraltet. Die Stühle stehen verwittert und schief und krumm. Auf einem davon, der mit dem Rücken an die Wand gezogen ist, sitzt Mila Libanez in speckigem Leder mit einem schönen, geraden Zopf kornblonden Haars, der nicht zu ihrem dunklen Gesicht passt. Der burschikose, harte Ausdruck ist noch fest in ihren Zügen, aber es liegt auch eine Erwartung darin, gut oder schlecht, und die Eingetretene kann nicht weit gehen, ohne dass Mila sie bemerkt.
Die Gestalt tritt ein - und Milas Augen formen eine verzweifelte Gewissheit. Ein argwöhnisches Hoffen stand für eine Sekunde noch in ihrem Blick. Aber schon der Anblick dieser Falschen sagt ihr, dass ihre Befürchtung, die sie geplagt und bangen lassen hat, tatsächlich geworden ist. Sie steht auf. Der Blick ist starr auf den gezogenen Dolch in der Hand der Gestalt gerichtet. "Nein", spricht sie, mit dunkler Stimme so fahl, dass man es fast für eine helle halten könnte. "Kommt schon. Nein.."
"So oder so. Du kannst's für uns beide einfacher mach'n un' dich einfach umdreh'n.“ Das Messer in der Hand, nähert sich die kleine Gestalt unaufhaltsam. Ihre Stimme ist so leise, sie könnte tröstlich sein.
Aber im Raum geht ein Alb umher, ein kaltes Gefühl, und vielleicht ist es nur für Mila bestimmt. Ihr zieht der Schrecken, die Gewissheit, den Nacken jäh zusammen. Für eine Sekunde, die das Schwert über ihrem Haupt schaukelt, schwankt sie zwischen Aggression und Unterwürfigkeit, in die Ecke gedrängt.
"Ich werd nichts sagen!", ruft sie. "Das ist nicht nötig. Ich sag nichts.“
„Du sprichst zu dem Falschen.“
Mila atmet ein. Und nicht wieder aus. Sie schleicht, der Wand entlang, ein paar kleine Schritte seitwärts.
"Ah, komm schon. Lass den Scheiß. Ich bin Revans Tochter! Ihr könnt mich nicht einfach wegschaffen! Das könnt ihr doch nicht bringen! Das könnt ihr doch nicht-!" Sie will einen Satz zur Seite tun, schräg weg, aber unabdingbar muss sie dafür an der schwarzen Gestalt vorbei und zunächst näher an sie heran, wenn auch nur, um danach mehr Raum zu haben, Abstand zu gewinnen. Ein recht halsbrecherischer Fluchtvorstoß aus der Not. Die schwarze Gestalt antwortet ihr nicht mehr. Sie ist so nah gekommen, wie eine kleine Spinne, kleiner als die Fliege, die ihr ins Netz gerät, aber weil diese festsitzt, kann sie auf sie stürzen. Sie schlägt den Fluchtversuch zurück, packt das Mädchen, das grob um sich schlagen will. Aber so deutlich sich zeigt, dass sie unter Schlägern aufgewachsen sein muss, ist auch offenbar, dass sie, so grob ihre Bewegungen sind, so gewaltbereit ihr gesamtes Handeln, keine Technik hat. Ihre Schläge sind unpräzise, und obwohl sie treffen trifft auch der Schnitt über ihren Hals. Mila hat mit dem Bauch gerechnet. Ihre Flucht nach vorn endet abrupt, als die Klinge über ihre Kehle singt. Erst sieht man gar nichts. Dann tut der feine Riss sich auf, wie ein Schlitzer in einem Vorhang, der den Blick auf ein schwarzes Loch dahinter frei gibt. Nur ist das Dahinter rot. Ihre Schläge, vielleicht schmerzhaft für die Gestalt, ohne dass sie ihren präzisen Vorstoß zurückdrängen konnten, ebben ab und enden, als Mila begreift, dass sie überrumpelt wurde, und rückwärts weicht, und zu realisieren beginnt, das dies, so unscheinbar, so kalt und viel zu früh, ihr Abschluss ist. Das Röcheln im Raum ist kein schönes Geräusch, nicht appetitlich und im Magen eher flau. Gurgeln. Ihre Augen weiten und engen sich schlagartig. Sie sackt etwas ein. Es scheint, ihr Blick will etwas sagen. Nur die Aussage ist unklar.
Eine Sekunde steht die Gestalt nur da. Blut spritzt. Blut sickert. Die schwarze Gestalt zieht auf. Ein Schlag trifft Mila. Sie sackt dahin.
Das Mädchen mit der Kapuze seufzt. Eigentlich sollte sie nicht hier sein. Im Endeffekt hat sie der Anziehung wieder nicht widerstanden. Sie folgt still der zweiten Gestalt, der Mörderin, als diese sie holt, und verzieht keine Miene, als sie die Tote dahingesiecht in der Blutlache liegen sieht.
"Das ist eine ziemliche Sauerei. Deswegen bevorzuge ich Gift."
„Beine oda Schultan?“
„Beine.“
Die Leiche ist schwer. Sie schleppen sie zu zweit.
Das Mädchen mit der Kapuze steht und wartet und blickt ernst ins Dunkel. Die zweite Gestalt hebt ein Grab aus, verkündet, dass sie die Nachricht zu spät erhalten hat, sonst wäre das Loch bereits geschaufelt. Nach einer Weile wechseln sie sich mit dem Graben ab.
Kein Muskel zuckt unter der Kapuze des ersten Mädchens, als die kleine schwarze Gestalt das Gesicht der Leiche mit dem Spaten zertrümmert. Ihre Zähne beißen aber aufeinander.
"Arme Mila", spricht sie traurig, aber in ihren Augen funkelt Faszination.
Die andere gibt dem toten Körper einen routinierten Fußtritt, sodass er über die Kante ins Grab rollt. Die Reste des Gesichts schaufelt sie hinterher.
Es werden nicht mehr viele Worte gewechselt bis sich ihre Wege trennen.
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