Kleine Brocken ohne tieferen Sinn, wie sie in ihren Einzelteilen die Welt als das, was sie ist, zusammensetzen

„Glaubst du an Selbstverlust?“
Sie lag keuchend im Gras und rollte sich auf den Rücken. Irgendwo in ihrem Mund hatte der Aufprall etwas blutig geschlagen.
„Selbstverlust?“ Der junge Mann saß neben ihr und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Seine Grübchen verliehen seiner Rede erst ihre Unverschämtheit. „Das Wort gibt es nicht im Lexikon. Du meinst selbstverliebt!“
„Gibt es das Wort Nusskopf im Lexikon?“
„Unwahrscheinlich.“
„Und trotzdem bist du einer.“
„Wenn das so ist, hast du gerade gegen einen Nusskopf verloren.“
Sie lächelte unwirklich. Es war nicht hübsch, weil es aussah wie gezeichnet und ihre ungebeugte, freie, sorglose Natürlichkeit gänzlich missen ließ.
„Ich verliere immer gegen dich.“
„Stimmt.“ Er beugte das Gesicht. Zuerst sah es nur ulkig aus. Dann verstand sie, dass er sich die Nase an seinem Unterarm rieb, wahrscheinlich, weil sie juckte. „Aber heute warst du besonders schlecht.“
„Und du bist-“
„Alle Frauen sind schöner, wenn sie unglücklich sind.“
„Was?“
„Das ist meine Theorie. Alle Frauen sind schöner, wenn sie unglücklich sind. Sie können es dann nicht mehr verbergen. Ich meine nicht die Liebäugelei mit dem Leid. Ich meine tiefschürfende, rohe Verzweiflung, das schonungslose und gewalttätige Missgeschick.“
„Götter, du bist ja völlig krank. Warum erzählst du mir diesen Kram? Ich will so einen Pathos nicht hören.“
„Du fühlst dich gerade zu mir hingezogen.“ Er sah sie an mit seinem bloßen, durchdringenden Blick und sie verstand ihn nicht, gleichsam wusste sie, was er meinte.
„Du passt besser auf, was du sagst.“
„Nicht auf diese Weise. Du weißt, wie ich es meine.“
„Ich sage dir dazu gar nichts. Es geht dich auch überhaupt nichts an.“ Sie forderte ihn auf, ihrem Blick standzuhalten, da er sich dem seinen glashart entgegengerichtet hatte. Ein Wettbewerb, auf den er gar nicht einging. Gerade lehnte er sich noch zurück, im nächsten Moment stand er schon hinter ihr und zog sie an den Schultern in die Höhe.
„Es wäre mir auch lieber, wenn du mich damit verschonst. Es gibt nichts Profaneres, Ekelerregenderes als Menschen, die ihre Gefühle in Worten breittreten und den Pathos, dessen sie sich dabei bedienen. Unglück, wenn es pur und rein ist, lässt sich nicht in Worte fassen.“
„Ich bringe dir gleich Unglück!“
„Sehr erwachsen. Steh jetzt auf.“
Sie stemmte sich hoch, wich mit der Rückseite nach hinten aus und schlug nach ihm, gleichzeitig fasste sie ihn mit Geschick an seinem anderen Arm, und wäre er nicht vorbereitet gewesen, wäre dies der Griff gewesen, ihn auf dem Bauch landen zu lassen. Er lachte aber nur, blockierte ihren Versuch und wich mit einem Sprung von ihr zurück.
„Ganz schlecht! Oh, oh, ganz ganz schlecht!“, höhnte er. Und als er wieder zu ihr kam, schlug sie ihm einfach ins Gesicht. Damit hatte er nicht gerechnet. Es war auch nicht gerecht.
„Hier hast du dein Unglück. Du Arsch.“ Sie stapfte davon.

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