Das große Fressen
„Warum er?“
Alexander blickte nicht von dem präzisen Schnitt auf, den er gerade setzte.
„Ist es überhaupt er?“, fragte sein sich im Hintergrund haltender Bruder weiter.
„Nein.“
„Wer ist es dann?“
„Können wir nun bitte das Thema wechseln? Ich muss mich hier konzentrieren.“
Andrew lachte, tat Alexander aber den Gefallen, bevor dieser am Ende tatsächlich einen Schnitt zu viel setzte. „Diese Familie. Diese Iorgas. Ich habe mich über sie informiert. Ist dir bewusst, welches Risiko du eingehst? Und das alles für die Wissenschaft?“
Alexander atmete sehr bewusst aus, bevor er sein Messer zur Seite legte und sich zu seinem im Schatten des grell erleuchteten Raumes stehenden Bruder umwandte. Andrew war nicht zimperlich, doch er vermied tunlichst den Blick an Alexander vorbei.
„Ich gehe kein Risiko ein. Diesmal nicht. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt.“, versicherte er in seiner ihm eigenen Ruhe, während er sich zum Steinbecken begab und sich die Hände wusch. Er konnte regelrecht spüren, wie Andrew nun locker die Arme verschränkte.
„Und wie kommt es dann, dass sie hier war?“ Jetzt kam zu den verschränkten Armen noch ein triumphales Lächeln. Alexander musste sich dessen nicht mit Blicken versichern, so gut kannte er Andrew. Und dieser ihn.
„Ein bedauerliches Missgeschick.“
„Deine bedauerliche Höflichkeit, die war es.“, hielt Andrew lachend dagegen und stieß sich von der Wand ab, um seinem Bruder kurz auf den breiten Rücken zu klopfen. „Sie wird dich noch den Hals kosten.“
„Die Frau oder die Höflichkeit?“ Nun lachte auch Alexander, er allerdings tat es leise.
„Beides, Bruderherz, beides. Das, und die Tatsache, dass du erpressbar bist.“ Andrew sah ihn an. Das Lachen war ihnen beiden nun vergangen.
„Das bin ich nur, wenn jemand es weiß und ich habe nicht vor, es jemandem zu sagen.“
„Sie weiß es.“
Nun war es Alexander, der sich von seinem Platz abstieß, um den Raum zu durchmessen, unruhig geworden, obwohl er noch versuchte, die Worte seines Bruders ins Lächerliche zu ziehen. „Oh bitte, und wozu soll sie mich erpressen? Zu einer Hochzeit, die sie ohnehin nicht will? Andrew, sie ist eine Dame!“
„Ganz genau deswegen.“ Der ältere Beaufort schielte zum Steintisch herüber. „Machst du daraus jetzt Steaks?“
Alexander folgte seinem Blick. „Ich bin kein Metzger, Andrew.“
„Ich würde sterben dafür! Allerdings meine ich damit ein Stück dieser herrlichen Mokkatorte im Café.“ Andrew duckte sich lachend unter dem Handtuch weg, das der Arzt nach ihm geworfen hatte, bevor er zum Tisch herüber ging und ein weißes Tuch über das Schwein breitete, dessen Pankreas er noch zu entnehmen gedachte. „Aber du zahlst.“ Und das Licht erlosch im Haus mit den vernagelten Fenstern.
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