Bruderliebe
„Sie sind alle verrückt.“
Adam hob den Kopf und blickte seinen Bruder an. Er konnte nicht verhindern, dass ein kleines, schadenfrohes Grinsen um seine Mundwinkel tanzte, als er die kräftigen Arme vor der Brust verschränkte und so auf dem Stuhl des Cafés lümmelte, wie ihre gemeinsame Mutter es sicherlich nicht gut geheißen hätte. „Sie sind anstrengend.“, gestand er Alexander großzügig und mit jenem Ton zu, den große Brüder immer dann annahmen, wenn sie glaubten, etwas besser zu wissen. „Und nicht einmal alle davon.“
Er, Adam Beaufort,Erstgeborener des Hauses und Baronet zu Hainwacht, konnte sich solche Reden erlauben, schließlich war er bereits seit guten fünf Jahren verheiratet und Vater zweier Kinder.
„Warum hältst du sie denn für verrückt, Alex?“, mischte sich nun Andrew, der zweitälteste Bruder mit weniger Schadenfreude, dafür umso mehr Mitleid in das Gespräch. Er hatte im letzten Jahr geheiratet und die Mühen seiner ehestiftenden Eltern noch gut in Erinnerung.
Der jüngste der drei Brüder fuhr sich seufzend durch die roten Locken, die sich alle Beaufort Kinder mehr oder minder teilten, der eine heller, der andere dunkler. „Hier tragen sie Waffen, verleugnen ihre Titel und gehen des nachts in Tavernen. Nun sagt mir einmal, was daran nicht verrückt ist.“
„Du bist nun wie lange hier? Drei Wochen? Und schon willst du aufgeben? Ich sage dir, dir wird schon noch die Richtige über den Weg laufen.“ Adam lehnte sich im Bewusstsein seine Pflicht für den heutigen Tag getan zu haben entspannt zurück und hieß den Kellner näher kommen.
Andrew, immer schon aufmerksamer als der Älteste, behielt dafür Alexander genauer im Blick. Der junge Arzt wirkte nicht unglücklich, allenfalls enerviert, was das Vorhaben der Eltern anbelangte, ihn in diesem Jahr auf mehr oder minder subtile Weise zur Hochzeit zu drängen. Etwas, das seine älteren Brüder ihm gut nachfühlen konnten, gingen sie doch einst über denselben felsigen Weg. Anstatt also weiter in der offenen Wunde zu bohren, fragte er: „Wie laufen deine Forschungen?“
Alexander blühte auf. „Einen passenden Raum dafür habe ich bereits angemietet, was mir nun noch fehlt, das sind die Studienobjekte.“ Er blickte kurz auf Adam, der missbilligend seine Lippen verzog und wandte sich deshalb allein an den wohlwollenderen Andrew. „Doch auch da habe ich schon vielversprechende Kontakte geknüpft.“
Er spürte Adams Hand auf seiner Schulter, als dieser sich nach dem Zahlen erhoben hatte und nun seitlich zu ihm herab blickte, wie zu den meisten Menschen, denn er war nicht nur der Älteste, sondern überragte selbst Alexander, der sich schon zu den halben Riesen zählen konnte, noch um einige Zentimeter. „Gib nur Acht, Alex. Du suchst nicht umsonst hier nach einer Frau.“
„Ich tue nichts Falsches!“
„Das sehen leider nicht alle so.“
Alexander blieb, nachdem seine Brüder gegangen waren, allein zurück mit sich, seinen Gedanken und einem Stück Torte, das just in diesem Moment durch die Wärme im Café mit einem weichen Geräusch zur Seite kippte und die hübsche Form verlor. In einem Anflug absurder Heiterkeit lächelte er es an und hieb die Gabel hinein, dann verließ auch er den Tatort.
Kommentare 8