Zweiundvierzig Sekunden

Zweiundvierzig Sekunden



Alexander Edmond Beaufort befand sich in einer Situation, die er ohne zu zögern als die unangenehmste diesen Monats beschreiben würde. Die Frage allein, wegen der er hier auf dem für große Menschen niemals wirklich bequemen Stuhl vor dem Schreibtisch seines ältesten Bruders saß, wie der ungezogene Schüler vom Rektor, war schon unangenehm gewesen. Unangenehmer als diese war aber der Blick, mit dem Adam ihn jetzt maß. Streng, wie der seines Vaters, und doch nicht in der Lage, die Sorge zu verhehlen, die den Baronet nun schon seit geschlagenen zweiundvierzig Sekunden schweigen ließ. Das bedeutete nichts Gutes, doch auch noch nicht das Ende, schließlich waren es nach dem großen Skandal ganze einundsechzig Sekunden des lauten Schweigens gewesen.
Alexander hatte sie damals wie heute mit äußerer Ruhe ertragen.
„Du möchtest Geld von mir.“, durchbrach Adams Stimme schließlich die Stille.
Der junge Arzt nickte.
„Du möchtest mir nicht sagen, wofür du dieses Geld benötigst.“
Abermals nickte er.
„Du möchtest, dass ich keine Fragen stelle.“
Diesmal beließ es Alexander nur bei einem langen Blick.
„Du möchtest, dass ich es Vater gegenüber mit keinem Wort erwähne.“
Ein drittes Nicken.
„Steckst du in Schwierigkeiten?“
Alexander lächelte auf und schüttelte den Kopf. „Nein, Adam, das ist es nicht. Mach dir keine Sorgen.“
Sein älterer Bruder lehnte sich mit einem langgezogenen Ausatmen im Stuhl zurück und rieb sich über die gefurchte Stirn. In Momenten wie diesem sah er dem Vater unheimlich ähnlich und er wirkte älter, als er es war. Sein braunrotes Haar hätte noch keine Silberfäden aufweisen sollen und die Fältchen um die Augen waren auch tiefer, als es für Adams dreiunddreißig Jahre gut war. Alexander verlor sein Lächeln.
„Also gut.“, sagte Adam schließlich und richtete sich wieder auf, um sein Scheckbuch zu zücken. „Ich helfe dir dieses Mal zu deinen Bedingungen aus.“, fuhr er fort, während er bereits eine Summe einsetzte. „Aber ich erwarte von dir im Gegenzug, dass du dich bemühst, Alexander.“ Eine zackig darunter gesetzte Unterschrift beglaubigte den Scheck, den er seinem Bruder dann über den Schreibtisch reichte.
Alexander erhob sich und nahm ihn entgegen. „Das werde ich, Adam. Ich danke dir.“
Adam betrachtete seinen Bruder, als dieser zur Türe ging. Der gerade Rücken und die raumgreifenden Schritte waren nur die äußerlichen Zeichen von etwas, das Alexander umgab und das Adam erst fassen konnte, als dieser bereits nach der Türklinke griff.
„Du bist glücklich.“, stieß er mit ein wenig Überraschung in der Stimme hervor.
Alexander verharrte kurz, zog dann aber die Türe auf und durchmaß sie. Erst als es aussah, als würde er seinem Bruder die Antwort darauf schuldig bleiben, wandte er sich ihm noch einmal zu.
„Ja. Das bin ich.“
Und Adam lächelte.

Kommentare 10

  • So kurze Einblicke finde ich angenehm. Heißt nicht, dass ich nur kurze Geschichten mag. Du weißt schon. geschochten DÜRFEN auch kurz sein.

  • Danke euch <3 freut mich sehr, dass es gefällt.

  • Ach, Adam. Komm her, lass dich ein bisschen, ähm, entspannen. :whistle:

  • Ich mag die Beziehung der Brüder untereinander. Der feste, familiäre Zusammenhalt ist aus jedem deiner Kapitel sehr deutlich herauszulesen.

    • Das dürfte die einzige, intakte Hintergrundfamilie sein, die es gibt. :D
      Wirklich schön, die beiden. Wie Alex Adam seine Verantwortungslast ansieht und dieser umgekehrt dann seinem Bruder das Wohlbefinden. :) Mag ich.

    • Das verlief alles überraschend friedlich und eynträchtig, ja. :0

    • Du klingst enttäuscht!