Mit dem Rücken lehnt sie an der Wand und hat die Augen geschlossen. Alt sieht sie aus für diesen einen Moment, den sie sich gönnte. Die zarten Falten um ihre Augen scheinen an Tiefe gewonnen zu haben und von den sonst so fröhlich sprießenden Sommersprossen ist kaum etwas zu sehen. Die roten Locken hängen müde über ihre Schultern. Nur noch zwei Minuten Ruhe. Nur kurz durchatmen.
Wie es dem Rest wohl ging? Sie hörte nichts Gutes. Diejenigen, die es bis zur Rast geschafft hatten waren die, die unverletzt waren und laufen konnten, das Leid nicht mehr ertrugen, was um Löwenstein herum passierte. Sie erzählten von Verletzten, Tod, Verlust aber auch von so vielen helfenden Händen. Es spornte an. Männer hatten sich zusammen gerauft und schmiedeten Pläne.
Trotz der Umstände schaffen es einige der vielen Gäste die Rast zu dem Ort zu machen, den Eik ihr anvertraut hatte. Stundenlang saß man in der Kälte am Feuer, es wurde gesungen und getanzt, gefressen und gesoffen - Momente, die die Meckervettel ebenso zu genießen schien, wie jene Opfer, die ihr zu Hause verloren hatten, Familie, Eigentum.
An Schlaf war jedoch nicht zu denken. Von früh Morgens bis spät in die Nacht war die Alte auf den Beinen. Trotz der großen Zahl an Flüchtlingen konnte man sich hier nicht beklagen. Der Ofen schien nicht einen Moment zu ruhen und auch das Feuer prasselte ununterbrochen. Es roch nach Brot und Eintopf, heißem Met und Bier - Wildschwein. Felle wurden geteilt, Wäsche gemeinsam gewaschen und untereinander handelte man, was es zu Handeln gab. Und wenn es doch etwas zu tun gab, worüber man sich nicht einig wurde hallte die Stimme der Vettel und dirigierte.
Als sie die Augen wieder aufschlägt und den müden Blick zur Decke schickt schleichen sich die Gedanken in ihren Kopf, warum sie das tut. Das hier war ihr zu Hause, der Ort, den sie so schnell nicht wieder verlassen wollte. Hier hatte sie ihr Rudel, das ihr so viel Wärme schenkte und Geborgenheit. Und es war ihre Aufgabe, all denen, die dieses Gefühl brauchten, zu dieser Stunde, das zu schenken, was sie längst bekommen hatte. Ihre Kraft war noch längst nicht aufgebracht. Sie schickt einen Gedanken an Tuula, sucht nach ihrem Gesicht und ihrem Blick in ihren Gedanken, schmunzelt, als ihr das Lachen in die Ohren steigt und so stößt sie sich ab von ihrer Wand und wendet sich um. Die Fältchen um die Lippen heben sich und die Vettel klopft einmal laut in die Hände.
"Welcher von euch Welpen hat noch kein Bier?" grölt sie schließlich. Bierhumpen werden gehoben und aus 164 Ecken hört man ein "Hier!" "Dann erhebt eure faulen Arsche und ran an das Fass. Und erwische ich einen von Euch nochmal an dem Keksvorrat macht er Bekanntschaft mit meinem Kochlöffel!"