Der Hofmagier - Das 6. Gesetz
Komtess Elena del Cielo hatte elonisches Blut, sie schritt majestätisch durch den Saal, der Blick voller Anmut und Erhabenheit. Ihr dunkles Haupt krönte eine Korallenkrone, geflochten aus rohen Kristallquarz und Kupferzweigen. Auf ihrem Dekoletté glänzte ein Hauch von Goldstaub, drum herum bildeten funkelnde Kristalle und schimmernde Perlen einen skandalösen Bikini. Ein nachtblauer Rock umschmeichelte ihre langen Beine wie Wellen. Sie war ein Hingucker aber sie besaß keine Tugend. Rhodvan begehrte ein braves Fräulein, das ihm mit keuschen Wangenrot ein Taschentuch an die Lanze band, eben Isabella. Es kostete ihn Anstrengung nicht zu ihr zurück zu sehen sondern die Elonierin in den Blick zu fassen.
"Komtess del Cielo, Ihr seht heute Abend wahrlich aus wie von Ramíerez de Valverde gemalt."
"Ihr schmeichelt mir, Baron von Sturmhammer. Das war überraschend geistreich."
Rhodvan entging die Spitze nicht aber er lächelte darüber hinweg.
"Schenkt Ihr mir einen Platz auf Eurer Tanzkarte?"
"Es tut weh, nicht wahr? Die beiden so zu sehen," entgegnete die Komtess. Jeder wusste schließlich, dass Rhodvan um Isabella geworben hatte.
Rhodvan schwieg wohlweislich und verfluchte Lavande im Stillen für diesen Geniestreich, der ihm nichts brachte als weitere Blamage.
"Verzeiht, Komtess. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, Euch als Ablenkung benutzen zu wollen."
Er verneigte sich und machte Anstalten zu gehen.
"Als Ablenkung? Ich bin niemals nur eine Ablenkung, Baron von Sturmhammer, und ich schätze einen guten Racheplan." Sie streckte ihm ihre behandschuhte Hand entgegen. "Zeigen wir dem Mädchen, was es verloren hat."
Rhodvan zögerte. Es gefiel ihm nicht wie Elena über Isabella sprach.
"Immer noch ihr tugendhafter Ritter? Oh, Baron. So macht Ihr Euch zum Gespött. Eines müsst Ihr wissen über die Frauen: Wir wollen niemals die Männer, die uns nachrennen. Wir wollen die Männer, die uns unerreichbar erscheinen."
Jetzt nahm er ihre Hand und führte sie zur Tanzfläche.
"Warum ist das so?" fragte er sie während sie zu Tanzen begannen.
"Bei der Verführung geht es um Andeutung - Ihr müsst eine Frau verwirren, sie darf sich Eurer Gunst nicht zu sicher sein."
Ihr Raunen brandete an seine Ohrmuschel und doch war er zu sehr ein Mann von Anstand um sich davon aus dem Takt bringen zu lassen. Er brachte sie sanft wieder auf Distanz und führte sie souverän durch den Walzer.
"Das ist unehrlich - Die Wahrheit kann niemals falsch sein."
"Die Wahrheit ist ohne Mystik. Sie gibt einer Frau nichts zum Träumen und Ersehnen. Sie ist, gelinde gesagt, langweilig. Eure Truppen belagern aktuell Ravenbrick, nicht wahr?"
"Das ist richtig," bejahte Rhodvan mit deutlicher Verwunderung über ihren Themenwechsel.
"Warum tut ihr das?"
Natürlich konnte er ihr keine Antwort darauf geben, betraf die Belagerung von Ravenbrick doch die taktische Kriegsführung seines Hauses. Dennoch verfehlten Elenas Worte ihre Wirkung nicht - Sie belagerten Ravenbrick um zu verschleiern, dass sie Silberkron wollten.
"Ich verstehe," sagte er und meinte es.
In dem Moment als er begann das Gespräch und den Tanz mit Elena aufrichtig zu genießen, da wob Lavande seinen Zauber und ließ ihre Tanzschritte auf dem Boden nachglimmen. Überall dort wo ihre Füße das Parkett berührten, hinterließen sie einen Schweif aus vielen kleinen Fischlein, die dem fernen Auge wie leuchtende Sterne erschienen. Nach wenigen Augenblicken blieben alle anderen Tänzer stehen und sahen nur noch diesen beiden zu. Sie machten sogar Platz und genossen das Mesmer-Kunstwerk. Mittlerweile schien sich unter ihnen ein ganzer Ozean zu befinden und Rhodvan und Elena über das Wasser zu tanzen.
Isabella versetzte es einen Stich, den sie sich nicht erklären konnte. Die Freude über ihre Verlobung wich und machte Zweifel Platz - hatte sie sich für den richtigen Mann entschieden?
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