Annah liegt im Bett. Sie ist höchstens vier Jahre alt, und irgendetwas stimmt nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ihr Fell nicht richtig gewachsen ist. Sie sieht aus wie ein Nacktbär. Sie hustet und hat starke Halsschmerzen, ein Kratzen, das einfach nicht weggeht. Ihr ist übel. Vor ihrem Bett steht ein Mann im Kittel.
Seit wann brauchen Bären Ärzte? Selbst wenn sie felllos sind.
"Tja, tut mir Leid meine Kleine, aber du hast keine Erkältung, du hast eine Allergie. Eine starke sogar. Wenn du nicht willst, dass es dir nochmal so schlecht geht, darfst du keine Äpfel und Birnen mehr essen."
"Aber ich mag Äpfel.", jammert das Mädchen. Wie unbärenhaft.
"Wer nicht, Annalein. Aber du wirst sehr krank werden, wenn du nochmal viele Äpfel isst, oder Sachen, in denen Äpfel sind. Also werden die Leute im Waisenhaus nun darauf aufpassen, dass du keine mehr kriegst. Du bist aber doch sicher vernünftig, und hältst dich auch selbst daran, oder?"
"Jahh.", lügt es.
Annah wachte auf. Bekloppter Traum.
Sie erinnerte sich düster daran. Sie erinnerte sich überaus lebhaft daran, dass sie im Waisenhaus von da an tatsächlich keine Äpfel mehr bekam. Doofes Waisenhaus.
Seit sie da raus war, hatte sie viele Äpfel gegessen. Und viel Apfelsaft getrunken. Dia und die Leute um sie nannten sie ja sogar so. Vielleicht war das ein wenig Trotz.
Nahh. Ich mag einfach nur Äpfel.
Immerhin war der Herr Doktor wohl nur bekloppt gewesen. Sie hatte keine Erkältung mehr bekommen, nur weil sie Äpfel aß. Ihr ging es zwar manchmal nicht besonders, wenn sie mehrere aß – oder viel Apfelsaft trank, was durchaus häufiger vorkam – aber das war nur, weil sie insgesamt einfach zuviel zu sich nahm. Bestimmt.
Dieses mal hatte sie nicht bei Felicia geschlafen, sondern in ihrem Versteck. Gestern Tag hatte sie die ganzen maskierten Leute in den bunten Kleidern beobachtet, die ins große Haus zogen.
Alle bekloppt. Wer Masken trägt macht böse Dinge. Und dann geben alle ihre Waffen ab und tun brav. Als ob. Nur fiese Leute tragen Masken.
Immerhin gab es noch etwas mehr essen als sonst Montags. Doof war nur, dass sie alle diesmal unten blieben. In die Küche kam Annah diesmal nicht. Ihr Essen hatte sie sich wieder aus den Mülleimern besorgt. Was die reichen Leute alles wegwarfen war unglaublich. Sie bekam da mehr zu essen als es im Waisenhaus je gab.
Sie sah, wie es Probleme mit Nats gab. Offenbar kostete der Eintritt Geld. Naja, es gab ja auch viel Essen. Zwanzig Silberlinge. Soviel hatte sie noch nie gehabt. Ob das 'viel' war? Sie fand, es klang ganz gut. Vielleicht sollte das Geschenk für Diarmai zwanzig Silber kosten. Ja. Das klang vernünftig. Später versuchte Heather sich reinzuschmuggeln. Sie hatte wohl Hausverbot.
Sag' ja, die sind alle bekloppt. Die einzig vernünftige hier wollen sie nicht reinlassen!
Sie brumpfte, und überlegte, ob sie mitreden sollte. Aber bei den komischen Leuten kam eh nichts sinnvolles rum. Also verschwand sie. Gesättigt und mit neuen Ideen im Kopf schlenderte sie durch die Stadt, sah sich in den Aushängen von Läden um und auf Ständen. Natürlich konnte sie nicht lesen. Aber während sie sich so umsah, schätzte und fantasierte sie, wieviel die Gegenstände, die sie sah, wohl kosten würden, und wofür manche wohl gut waren.
Sie hatte immernoch keine Ahnung, was ein Haushalt brauchen könnte. Aber immerhin wusste sie nun, dass sie etwas für zwanzig Silberlinge wollte. Außer natürlich, Feli würde ihr das nicht kaufen.
Aber das wäre bekloppt.
Verdammt. Feli ~ist~ ja bekloppt. Hmm. Doof, dass Tengu beschäftigt war, ins große Haus zu kommen. Ich wollt' sie doch fragen, was sie vorschlägt. Njaahh. Ist ja noch Zeit. Im Wald bei den Bären war ich auch noch nich'.
Vor Laden eines Glasbläsers angekommen besah sie sich ein paar der dort ausgestellten Brillen und grinste schief.
Hmm. Vielleicht kosten Dunkelbrillen ja zwanzig Silber. Oder zehn. Zwei mal Zehn ist Zwanzig und dann hätten Käfer und Dia beide eine neue Dunkelbrille. Ob denen das im Haushalt hilft? Humhom.
Sie brumpfte und ging weiter. Tengu wusste Rat. Bestimmt. Sie war vernünftig.