"Lasst mich in Ruhe!"
"Nä-nä-nä-nä-nä-nääh."
"Hört auf!"
Das kleine Junge mit dem roten Fell weint nicht. Es ist wütend. Vielleicht ist es verletzt. Aber es weint nicht.
"Ihr habt auch keine Familie!"
"Ja, aber unsere ist gestorben, deine wollte dich nicht haben! Niemand wollte dich haben!"
"Das stimmt gar nicht! Ihr seid bekloppt!"
"Sieh's ein! Du bist hässlich und dumm und du tickst nicht ganz richtig! Niemand will dich!"
"Nahh! Ich bin gar nicht hässlich und dumm! Und ihr seid bekloppt, nicht ich! Ich bin nicht bekloppt!"
"Anna ist allein! Anna ist hässlich! Anna ist dumm! Anna ist bekloppt!"
Das Mädchen rennt auf den Jungen zu. Der Junge lacht hämisch. Bis er eine zwar kleine, zwar kraftlose, aber dennoch existente Faust in sein ebenso kleines und ebenso nicht gerade kräftiges Gesicht bekommt. Er fällt um, das Junge landet auf ihm drauf und fängt mit seinen Krallen an sein Gesicht zu zerkratzen.
Annah wacht auf.
Huh. Dem hab ich's damals gegeben. Der hat sich nie mehr lustig gemacht. Der hat immer Angst vor mir gehabt und hat mich nie mehr angeguckt. Steven, glaub' ich. Hehe. Njaah. Dafür hab' ich auch ordentlich Ärger bekommen. Aber das hatte er verdient. Bekloppter Steven.
Ihr Annahbett ist bequem. Es ist leise und dunkel im Haus. Sie gähnt, dann schaut sie langsam zur Tür zu Feli hinüber. Sie ist offen. Ein Junge steht dort. Blind. Und aus seinen Augen tropft Blut. Er hat Kratzspuren im Gesicht. Sein Mund steht offen.
Er rennt los und springt zu Annah ins Bett. Annah schreit.
Annah wachte auf.
Sie saß kerzengerade im Bett. Ihr Herz raste. Sie war in der Jagdhütte. Nach der Hochzeit. Feli lag neben ihr und schlief.
Vielleicht hilft der Traumfänger ja doch. Huh.
Sie mochte keine fremden Betten. So ein bekloppter Traum, nach so einem schönen Abend. Gut, sie hatte auch immernoch Bauchweh und Halsweh und brennende Augen, aber der Abend war trotzdem schön. Dia war so glücklich. Annah wusste nicht, warum sie selbst das glücklich machte. Sie verstand es nicht. Aber es war so, und sie merkte es.
Die Leute hier waren alle nett zu Annah gewesen. Sie sorgten sich um das Mädchen.
Bekloppt! Als ob ein Bär Sorge bräuchte!
Sie wollte brumpfen. Aber sie merkte, dass sie nicht ganz bei der Sache war. Vielleicht brauchte ein Bär ein bisschen Sorge. Was wusste sie schon von Bären.
Ich bin ein Bär! Was weiß ich nicht von Bären?!
Genau. Was wusste sie schon nicht von Bären. Und Bären brauchten keine Sorge. Weil Bären mutig und stolz und bedrohlich und gefährlich waren.
Sie sah zu Felis Bett herüber, die ruhig schlief, und lächelte knapp. Sie sollte weiterschlafen. Es war noch dunkel. Und wenn sie wieder aufwachen würde, gäbe es Torte.
Es war ein schöner Abend.