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Eine Antwort auf diese Geschichte.
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Er sah der fremden Gestalt der Frau und dem jungen Zaishen schon gar nicht mehr nach, als sie sich abwandten. Mehrmals äußerte sie sich, dass sie die Tochter von Eichwald sei und der Fokus ihrer Fragen lag eindeutig auf der Vergangenheit. Dronon. Die Ausbildung von ihm. All jenes und dennoch so derartig auffällig zur Schau gestellt, was der direkte Anfang des Gespräches leider komplett bis zum Ende hin einfach nieder riss. Buße hatte sie ihm angeboten, nein, nahe gelegt. Eventuell wollte sie ihn auch unterschwellig dazu zwingen, aber es war ihm einerlei. Eine Erstkonfrontation mit halben Vorwürfen zu untermauern und Aussagen, die in einem leerem Raum keinen Sinn ergaben, haben bereits sehr viel im Vorfeld weggenommen. Er scherte sich nicht darum – weder um die Hintergründe ihres Erscheinens, ihrer unterdrückten Emotionen noch für den Schlag mit der Klinge, der er jenen neuen Schnitt im Gesicht verdankte. Die längliche Wunde brannte erst dezent, dann regelrecht fies. Aber auch das war egal. Mit einem kräftigen Ruck zerrte er den Knauf seines Krückstocks unter dem Türspalt hervor, den er vor dem Gespräch dazu verwendet hatte um jenes Unwesen im Haus gefangen zu halten, das nun auf die Rückkehr des Krüppels lauerte. Zumindest wägte er sich in dem Gedanken mit ihr nun alleine zu sein, hätte sich dieses elendige Fenster im Wortverlauf nicht einfach geöffnet. Ein Schritt hinein und die Gehstütze wieder an die Wand lehnend, hörte er wie sich in seinem Rücken die Tür schloss, während er den Blick zu jenen paar dunkelgrünen Augen hob, die ihn schon seit Wochen verfolgten.
„Wer war das und weshalb hast du dich verletzen lassen?“ Mit vor der Brust verschränkten Armen stand sie neben dem Küchentisch und starrte ihn an. Berechtigte Fragen und nur auf die letzte wusste er für sich eine Antwort, die ihm in seinem jetzigen Zustand nur Sinn machte. „Ich habe keine Ahnung.. und deine scheiß Mittel wirken eben zu gut. Ich hätte nicht einmal einer anrennenden Wand ausweichen können.. das Zeug vernebelt einfach alles.“ „Lüg mich nicht an.“, feixte sie sofort, kaum dass er seine Aussage beendet hatte. Es war verwunderlich, dass sie ihm nichts entgegen warf, immerhin mochte sie eine Lügen. Sie wetterte scharf weiter. „Sie kennt dich durch diesen alten Priester, den ich damals versorgt hatte im Fort während dieser.. Wochen.“ Eine Erinnerung zu jener Zeit rann langsam hervor und bestätigte ihre Worte, genauso wie er indem er nickte. „Stimmt.. sie mag ihn nicht und mich auch nicht, aufgrund.. irgendetwas mit Dronon.“ „Die Ausbildung von ihm mit dem Zeug, das wir deswegen zusammen gemischt haben?“ „Ja, kann gut sein..“ „Soll sich nicht so anstellen. Hat sie mehr zum beißen und wer weiß, ob sie sich kennen würden, wäre es nicht so gekommen.“ Ihre Worte machten leider Sinn, aber das war ihm momentan ebenso egal. „Wie dem auch sei.. sie hat sich bei mir ausgekotzt, mir.. irgendwelche Dinge gesagt und mir dann die Klinge durch das Gesicht gezogen.“ „Die spinnt wohl.. hätte sie gleich erschi-“ „Sei froh, du hast mehr zu basteln.“, schnitt er ihr mit einem nölenden Unterton rein, der genauso genervt wie wehleidig erklang. Er konnte es einfach nicht mehr hören. Seitdem er zurück war, sah sie in allen möglichen Leuten potentielle Gefahr für die Situation, die sie gerade im Griff hatte. In ihm eingeschlossen. Der alte Zaishen wandte sich ab und wollte soeben in die Küchenzeile weiter laufen, doch hielt er abrupt inne und lehnte sich sogar ein Stück zurück. Sein Instinkt war trotz des Nervengiftes erschreckend ausgeprägt und vor allem zuverlässig. Mit einem lauten Klopfen schlug nämlich ein Wurfmesser in einen der Hängeschränke. Zuerst sah er zu dieser Waffe, musste dafür den Kopf ganz drehen, nur um ihr einen reichlich kritischen Blick zuzuwerfen. „Das hätte mich gerade fast getötet.“ Sie schnalzte einzig abschätzend mit der Zunge. „Hätte dich gerade auch nicht gestört, warum also jetzt?“
Lange sah er zu ihr rüber und er konnte es in ihrem Blick sehen, dass sie genau wusste wie ihm auf diese Frage nun eine Antwort fehlte. So begann er zu grinsen – dreckig und provokant, wie man es von ihm aus seinen schlechten Zeiten kannte. „Um dir zu entgehen.. dir und deinen Fehlentscheidungen.“ Er hätte es aus dem letzten Konflikt noch wissen müssen, denn die Frau hatte schon während seines Mimikspiels das nächste Wurfmesser gezogen. Jenes schlug er ihr mit einer derben Schockwelle allerdings aus der Hand und ließ es unter das Sofa rutschen. Zuerst sah sie dem Drohmittel nach, nur um sich sofort nach vorne zu drehen. Da stand er auf einmal vor ihr und blickte ihr fest entgegen. Zwar war er gut einen Kopf kleiner als sie, aber seine Präsenz war etwas das er trotz seines Zustandes durchaus noch vermitteln konnte. Er war ein alter Soldat, hatte Dinge gesehen und noch mehr selbst getätigt, war ruchlos und dennoch ausgelaugt durch die Jahre. Was ihm blieb war seine Sturheit, seine Aggressivität und – natürlich – sein Fanatismus. Und ebendieser schrie ihr gerade regelrecht ins Gesicht, auch wenn dabei kein Laut erklang. Stattdessen erhob er nach gut zehn Sekunden das Wort. „Wenn du mich herausfordern willst in meiner Existenz.. dann sag es mir und ich werde mich mit dir messen, mit all meiner Kraft.“, schnaufte er ihr zu und sprach danach gedehnt weiter. „Und wenn du mich UM meine Existenz herausfordern willst, dann rate ich dir an zu gehen.“ Chester antwortete nicht und er genoss diese eindeutige Stille über eine Minute lang, bevor er sich von ihr abwandte und erneut zur Küchenzeile lief. Dieses Mal ohne Unterbrechung. „Wir hatten das Gespräch und ich will es nicht noch einmal wiederholen, Manisa..“, begann er nach einigen Metern zu sprechen. Er lehnte sich etwas herunter und entwendete dem Korb die vorletzte Orange, erhob sich danach wieder und blickte zu ihr rüber. Die Ärztin folgte seinen Bewegungen mit dem Blick, stand allerdings immer noch unbewegt dort. „Du hast das Gespräch gehört, vermutlich auch das was du NICHT hören solltest.. und ich bleibe bei meiner Aussage von vorhin. Ich habe keine Lust auf diese Spielereien, doch wenn du es darauf anlegst.. erwarte keine Gnade von mir. Denn du wärst wahrlich die erste Person, die das von mir erfahren würde.“
Wohlwissend verengte die Frau die Augen und atmete dann durch. „Die Gasmaske ist vorbereitet.“, gab sie ihm dann mit ruhiger Tonlage zurück. „Den Mantel kannst du aber vergessen, der taugt nicht mehr.“ „Dann nehme ich eben die Rüstung, sie schützt ohnehin besser.“ Der Griff seiner linken verstümmelten Hand legte sich fest um die Frucht und die Finger der anderen Hand pellten die Schale langsam weg. Chester grinste dünn, aber amüsiert bei den Worten. „Du hältst den Dschungel nicht aus.. keinen Tag schaffst du und du brichst zusammen.“ „Dann wird eben weiter an mir gearbeitet.“, warf er in einem regelrecht diplomatischen Tonfall ein, der ihren Blick mit blanker Irritation füllte und sie dazu veranlasste etwas auf Distanz zu gehen. Unverhohlen musterte sie ihn. „Bitte was?“ Der leicht beißende Geruch der geplatzten Fruchtschale legte sich in den Raum und er nahm sich die Zeit des Sieges, um sich an die Arbeitsfläche zu lehnen. Das Rinnsal kitzelte ganz kurz am Kinn, bevor dann doch ein roter Tropfen auf seinen Waffenrock runter tropfte, nur um im weiteren Rot zu versinken. „Als ob es dir keinen Spaß machen würde.. morgen machen wir weiter, ich weiß nämlich immer noch nicht wann die Abreise sein soll.“ Der Blick senkte sich zwar mit einem selbstgefälligen Ausdruck auf die zerfledderte Orange runter, aber der Ausdruck verlor sich schnell. Dronon hatte ihm eine regelrechte Auflage gebracht und die Tatsache, dass sie beide so viel Fortschritt gemacht hatten um eine Pattsituation im letzten Kampf rauszukitzeln, gefiel ihm überhaupt nicht. Es musste irgendwann wieder einen Sieger geben, aber dafür musste er sich mit jenen Personen zusammen tun, die ihm gerade gefährlicher waren als alle zuvor getroffenen Feinde. Oder eher – mit jener einen Person. Und das war ihm nicht egal.
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